Marktplatz, Jena
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Deutschland-Doppel Jena und Erlangen - vereint gegen die Klimakrise

12. Oktober 2020, 09:04 Uhr

Jena und Erlangen haben einiges gemeinsam. 2019 haben sie als erste Städte in ihren Bundesländern den Klimanotstand ausgerufen. Auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt stehen beide nun vor verschiedenen Herausforderungen.

Eine Großstadt, in der nur rund 110.000 Menschen leben, bekannt für ihre Universität mit zehntausenden Studierenden, für vergleichsweise hohe Mieten und als Wirtschaftsstandort für ein international agierendes Unternehmen: Das ist Erlangen in Mittelfranken – und das ist Jena in Thüringen.

Die Unterschiede liegen im Detail

Die Erlanger Friedrich-Alexander-Universität erinnert mit ihrem Namen an zwei fränkische Markgrafen, die Universität in Jena an Friedrich Schiller. In Erlangen lag die Durchschnittsmiete 2018 bei 7,82 Euro pro Quadratmeter, in Jena war es fast ein ganzer Euro weniger. Im MDR-Gebiet gehört Jena damit trotzdem zu den teuersten Städten und gilt schon länger als „München des Ostens“ – nicht nur wegen des Wohnungsmarktes, sondern auch, weil in der Stadt große Unternehmen wie Carl Zeiss angesiedelt sind. In Erlangen dominiert hingegen Siemens das Wirtschaftsleben.

Dass die beiden Universitätsstädte gut zusammen passen, haben sie offenbar selbst bemerkt und schon 1987 eine Partnerschaft geschlossen. Die Verbindung zählt zu den ersten, die über die innerdeutsche Grenze hinweg entstanden sind. Jetzt sind Jena und Erlangen auch im MDR Deutschland-Doppel ein Paar. Dabei zeigt sich eine weitere Gemeinsamkeit, die etwas über die wirtschaftliche Struktur der Orte verrät.

Marktplatz Erlangen
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Pioniere beim Klimanotstand

Die Industriebetriebe in Erlangen und Jena verbrauchen weniger Energie, als viele andere Städte und Kreise für die Produktion von Waren benötigen. Der Verbrauch summierte sich 2017 auf circa 9,7 Tausend Megajoule pro Kopf. Zum Vergleich: Die ähnlich große Stadt Remscheid in Nordrhein-Westfalen kommt mit ihrer Industrie auf einen fast dreimal so hohen Pro-Kopf-Verbrauch. Sind Jena und Erlangen also besonders sparsam und energieeffizient? Nicht unbedingt.

Denn dass Remscheid so viel mehr Energie in der Produktion braucht, hängt wohl mit den Wirtschaftszweigen zusammen, die in der Stadt besonders ausgeprägt sind. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die meisten Betriebe Maschinen bauen oder „Metallerzeugnisse“ herstellen. Gemeint sind damit zum Beispiel Werkzeuge, die unter bekannten Namen, wie dem der Brüder Mannesmann, in die Welt exportiert werden. Die Metallverarbeitung in Remscheid hat Tradition, ihre Geschichte geht zurück bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts – nur braucht sie eben auch viel Energie.

Wenngleich unsere Zahlen aus dem Deutschland-Doppel also noch nicht bedeuten, dass Erlangen und Jena Energiesparmeister sind, engagieren sie sich für den Klimaschutz. Beide haben 2019 als erste Städte in ihren Bundesländern den Klimanotstand ausgerufen. Erlangen gab dazu noch eine Studie in Auftrag, die untersucht hat, wie die Stadt „den größtmöglichen Beitrag zur Erreichung des Pariser Klimaziels auf kommunaler Ebene leisten kann“. Das Ergebnis: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, dürfe es kein „Weiter so“ geben.

Noch viel zu tun

Jena hat 2007 damit begonnen, Energie- und Klimaschutzkonzepte zu erarbeiten. Regelmäßige Monitorings überprüfen, wie es um die Umsetzung steht. Genau wie in Erlangen kommt der aktuelle Monitoringbericht aus dem Jahr 2019 zum Fazit, dass „erhebliche Anstrengungen in der Stadt Jena unumgänglich sind“, um die Klimaziele zu erreichen. Immerhin ist die Stadt beim CO2-Ausstoß den Zielen der Bundesregierung weit voraus. Die plant, dass Deutschland bis 2040 mindestens 70 Prozent weniger CO2 verursacht als 1990. Jena hat dieses Ziel schon jetzt fast erreicht.

Um soweit zu kommen, muss Erlangen noch Einiges aufholen. Trotzdem konnte sich die Stadt schon 2014 bescheinigen, das Ziel für 2020 erreicht zu haben – nämlich 20 Prozent weniger CO2 auszustoßen als 1990. Vorbildlich ist Erlangen vor allem beim Verkehr. Das zeigt nicht nur der Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs, bei dem der Ort in seiner Größenkategorie 2018 den zweiten Platz belegte.

Grafik-Verkehrsmittel-Jena-Erlangen
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Eine Analyse im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums kam 2017 darüber hinaus zum Ergebnis, dass der Fahrradanteil am Gesamtverkehr in Erlangen von allen deutschen Städten am größten ist. Mehr als jeder vierte Weg wird mit dem Fahrrad zurückgelegt. In Jena ist es nicht mal jeder sechste. Dafür gehen die Menschen dort öfter zu Fuß.

Obwohl Jena und Erlangen vieles gemeinsam haben, stehen sie auf dem Weg zur klimaneutralen Stadt vor verschiedenen Herausforderungen. Vielleicht können sich die Städte voneinander etwas abgucken und lernen. Eine Partnerschaft haben sie ja schon.

Nachtrag zur Geschichte

Kurz vor Abschluss der Recherchen zum Deutschland-Doppel wurden die offiziellen Zahlen zum Energieverbrauch aktualisiert. Anstatt mit Daten aus 2017 präsentiert das Deutschland-Doppel nun die aktuellen Zahlen aus 2018. Aus der Gemeinsamkeit zwischen Jena und Erlangen wurde daher ein Unterschied, denn Jenas Energieverbrauch nahm um mehr als 18 Prozent zu und liegt jetzt bei 11,4 Tausend Megajoule pro Kopf, verglichen mit konstanten 9,8 in Erlangen.

Weder die Stadtwerke Jena noch die Wirtschaftsförderung der Universitätsstadt können sich den sprunghaften Anstieg so recht erklären. Allerdings war der Sommer 2018 besonders heiß, sodass die Klimaanlagen in den Büros im Dauerbetrieb liefen. Laut Wirtschaftsförderung haben sich außerdem eine Reihe neuer Unternehmen in Jena angesiedelt, dennoch ist der Anstieg beträchtlich.

Über den Autor und das Projekt

Michael Kees verzichtet für den Klimaschutz gerne, allerdings nicht auf die warme Dusche.

Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Deutschland-Doppels - ein Gemeinschaftsprojekt des Studiengangs M.Sc. Journalismus der Universität Leipzig und der Redaktion MDR Wissen aus Anlass von 30 Jahren Wiedervereinigung.

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