Junges Maedchen, Diabetikerin Typ1 misst ihren Blutzuckerwert.
Eine junge Frau zeigt ihre Blutzucker-Werte via App an, am Arm klebt der entsprechende Sensor. Neue Technologien haben den Umgang mit der Erkrankung stark vereinfacht, dennoch bleibt Diabetes Typ 1 eine chronische Krankheit, die kontinuierliche Aufmerksamkeit erfordert. Bildrechte: imago images/photothek

Neue Studie Über den Zusammenhang zwischen Covid-19 und Diabetes Typ 1

23. Mai 2023, 16:31 Uhr

Diabetes Typ 1 ist eine Autoimmunkrankheit, deren Entstehung bislang kaum geklärt ist. Aktuelle Daten deuten darauf hin, dass es während der Corona-Pandemie in Bayern bei Kindern und Jugendlichen deutlich mehr Fälle gab und dass diesen Fällen überdurchschnittlich häufig eine Corona-Infektion vorausging. Das ist spannend, weil Forschende schon länger einen Zusammenhang zwischen Viruserkrankungen wie der Grippe und Diabetes Typ 1 vermutet hatten.

Verglichen mit dem deutlich weiter verbreiteten Diabetes Typ 2 (90 Prozent aller Diabetes-Erkrankungen) ist Diabetes Typ 1 immer noch selten – und bis auf die Tatsache, dass beide Krankheiten chronisch sind und die Insulinproduktion innerhalb der Bauchspeicheldrüse betreffen, haben sie eigentlich gar nicht so viel gemeinsam. Die Entstehung von Diabetes Typ 2 kann (nicht immer, aber oft) mit Übergewicht, Bewegungsmangel, unausgewogener Ernährung oder einer genetischen Veranlagung in Zusammenhang gebracht werden, während die Ursachen von Diabetes Typ 1 bislang deutlich weniger gut erklärt sind. Fest steht lediglich, dass der Auslöser hier fast immer eine Autoimmunreaktion ist, bei der die körpereigenen Immunzellen fälschlicherweise die insulinproduzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse angreifen und zerstören. Für die Betroffenen hat das weitreichende Folgen, weil sie ab diesem Moment kontinuierlich auf Insulin angewiesen sind und ihren Blutzucker engmaschig überwachen müssen.

Insulinpumpe
Eine solche Insulinpumpe führt kontinuierlich Insulin zu und hilft vielen Typ 1-Diabetikern im Alltag. Bildrechte: imago images/Spencer Grant

Diabetes Typ 1-Inzidenzen steigen

Oft erkranken bereits Kinder und Jugendliche an Typ 1 Diabetes – und: Die Inzidenzen steigen in Europa schon seit den Achtzigern langsam an, wenn auch auf einem geringen Gesamtniveau. Aktuell liegt der Anteil an der Gesamtbevölkerung bei circa 0,4 Prozent. Allerdings hatten Forschende schon vor einer Weile festgestellt, dass zwischen Januar 2020 und Juni 2021 mehr Kinder und Jugendliche neu an Diabetes Typ 1 erkrankt sind als normal. Rund drei Monate nach den höchsten Corona-Infektionen gipfelten auch die Diabetes-Typ-1-Inzidenzen. Einen Zusammenhang zwischen der Corona-Pandemie und den gestiegenen Diabetes-Fällen konnten die Forschenden damals allerdings nicht nachweisen – auch, weil sie nicht unterschieden, ob diejenigen Kinder und Jugendlichen, die während der Corona-Jahre Diabetes entwickelten, überhaupt vorher selbst mit dem Virus infiziert gewesen waren.

Nach Covid-19 Infektionen war das Diabetes-Risiko um 57 Prozent höher

Eine aktuelle Studie bringt hier nun ein wenig mehr Licht ins Dunkel: Forschende vom Helmholtz Zentrum München und der TU Dresden untersuchten anhand eines Datensatzes der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, inwiefern sich Zusammenhänge zwischen Diabetes Typ 1 und einer vorausgegangenen Covid-19-Infektion herstellen lassen. Und tatsächlich deuten die Ergebnisse auf einen solchen Zusammenhang hin: Bei Kindern zwischen zwei und 12 Jahren trat die Diagnose Diabetes Typ 1 häufiger auf, wenn die Kinder vorher bereits eine Corona-Infektion überstanden hatten. Das gilt für den Zeitraum 2020 bis 2021 und die Daten wurden ausschließlich in Bayern erhoben. Nach durchgemachter Infektion hatten die Kinder ein um 57 Prozent erhöhtes Risiko, Diabetes Typ 1 zu entwickeln – verglichen mit Kindern, die sich nicht infiziert hatten. Häufig entwickelte sich der Diabetes schon in dem Quartal, in dem auch die Corona-Infektion stattgefunden hatte – mitunter auch noch in den darauffolgenden Quartalen.

Ganz neu ist der Zusammenhang zwischen Covid-19 und Diabetes Typ 1 übrigens nicht, eine Studie des Penn State College of Medicine in den USA hatte bereits ähnliche Ergebnisse gehabt, dabei allerdings nicht zwischen Diabetes Typ 1 und 2 unterschieden.

Die Ergebnisse deuten also auf einen Zusammenhang der beiden Erkrankungen hin – abschließend belegt ist das jedoch noch nicht. "Wir sind vorsichtig mit der Interpretation unserer Ergebnisse", sagt Ezio Bonifacio, Mitautor der Studie. Das Coronavirus könnte entweder die dem Diabetes zugrundeliegende Autoimmunität begünstigen – also die Entstehung der Krankheit auslösen – oder eine bereits bestehende Autoimmunität verstärken – sprich, den Prozess lediglich beschleunigen.

Corona-Dunkelziffer könnte die Ergebnisse beeinflussen

Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte man außerdem im Hinterkopf behalten, dass auch in der Gruppe der Kinder, die keine diagnostizierte Corona-Infektion hatten, die Inzidenzen für Diabetes Typ 1 moderat gestiegen waren. Und – ganz wichtig: Es dürfte eine Dunkelziffer mit unbemerkten Corona-Infektionen geben, die symptomfrei verlaufen sind. Das macht die Interpretation der Ergebnisse nicht unbedingt einfacher. Außerdem wurden die Daten lediglich pro Quartal erfasst.

Um den genauen Mechanismus aufzuklären, seien noch weitere Studien nötig, betont Bonifacio. Außerdem könnten weitere Studien auch die Frage beantworten, ob die Corona-Impfung einen Einfluss hatte.

Impfungen zur Prävention gegen Diabetes Typ 1?

Ein Zusammenhang zwischen Viruserkrankungen wie Covid-19 und der Entstehung von Diabetes Typ 1 ist auch deshalb spannend, weil Forschende bereits seit fast 40 Jahren vermuten, dass Virusinfektionen generell diese Autoimmunerkrankung auslösen können. Oft setzt diese Form des Diabetes nach einer Infektion ein, beispielsweise mit Grippeviren. Bislang sind die Belege für einen ursächlichen Zusammenhang aber noch dürftig – aber: neue Erkenntnisse auf diesem Gebiet könnten beispielsweise dazu führen, dass Menschen mit einer genetischen Disposition gegen Grippeviren oder Covid-19 geimpft werden können, was unter Umständen den Ausbruch der Autoimmunerkrankung verzögern könnte. Das ist allerdings aktuell eher eine vage Idee, wie wir den steigenden Diabetes-Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen eines Tages etwas entgegensetzen könnten.

Links/Studien

Die Studie Type 1 Diabetes Incidence and Risk in Children With a Diagnosis of COVID-19 gibt es hier öffentlich nachzulesen.
Die etwas ältere Studie mit den gestiegenen Inzidenzen während der Corona-Jahre gibt es hier zu lesen: Incidence of Type 1 Diabetes in Children and Adolescents During the COVID-19 Pandemic in Germany: Results From the DPV Registry.

iz

1 Kommentar

Rain Man vor 47 Wochen

Selten so viele Konjunktive bei einer Studie gelesen.

Eine Lehrerin mit Maske erklärt Schülern etwas. 3 min
Bildrechte: imago images/Belga
3 min

Eine Antikörper-Studie des Helmholtz-Zentrums München hat gezeigt, dass auch in der zweiten Corona-Welle im Herbst und Winter deutlich mehr Kinder mit dem Virus infiziert waren, als über die PCR-Testung gemeldet wurden.

MDR KULTUR - Das Radio Sa 10.04.2021 05:49Uhr 02:58 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/audio-corona-zweite-welle-mehr-kinder-infiziert-pcr-bekannt-helmholtz100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

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Kinder packt seine Schultasche 3 min
Bildrechte: IMAGO / Westend61
3 min

Kinder erkranken deutlich seltener schwer an Covid-19. Laut Forschern aus Berlin, Leipzig und Heidelberg ist das kindliche Immunsystem in den oberen Atemwegen wesentlich stärker aktiv gegen Viren als bei Erwachsenen.

MDR KULTUR - Das Radio Do 19.08.2021 18:50Uhr 03:03 min

https://www.mdr.de/wissen/audios/covid-warum-kinder-seltener-schwer-an-corona-erkranken-immunsystem-102.html

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