Zauber der Physik Entdeckung aus Dresden: Wie aus Plastikflaschen Diamanten werden

03. September 2022, 05:00 Uhr

Mit Laserblitzen aus PET-Flaschen winzige Diamanten machen, das hört sich an wie Zauberei. Dass das tatsächlich geht, fanden Wissenschaftler in Dresden jetzt heraus. Dabei wollten sie eigentlich nur wissen, was im Inneren der Eisplaneten Neptun und Uranus vor sich geht. Da sie das nicht vor Ort erforschen können, simulierten sie die Situation im Kern der Himmelskörper im Labor und fanden dabei zufällig heraus, wie man aus Plastik funkelnde Edelsteine machen kann, zumindest ganz kleine.

Grafik Nanodiamant
Im Inneren von Eisplaneten wie dem Neptun regnet es Diamanten. Diesen Prozess haben Forscher aus Dresden jetzt nachgebildet. Bildrechte: HZDR / Blaurock

Neptun und Uranus sind nicht nur sehr weit weg, die Verhältnisse in ihrem Inneren sind auch zu extrem, um sie vor Ort zu untersuchen: Es herrschen Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius, der Druck ist millionenfach größer als in der Erdatmosphäre. Um die Prozesse dort dennoch nachvollziehen zu können, entwickelte ein internationales Team unter Leitung des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität Rostock und der französischen École Polytechnique ein neuartiges Experiment: Mit starken Laserblitzen schossen sie auf eine Materialprobe aus Kohlenwasserstofffolien. Damit erhitzten sie sie für einen Wimpernschlag auf bis zu 6.000 Grad Celsius wie im Planeteninneren und erzeugten dann eine Schockwelle, die die Probe für einige Nanosekunden auf das Millionenfache des Atmosphärendrucks komprimiert – ebenfalls wie im Inneren der Himmelskörper. Was bislang in dieser Versuchsanordnung fehlte, war Sauerstoff, der dort ebenfalls in großen Mengen vorhanden ist.

PET – das Gute liegt so nahe

Seit Jahren versuchen die Forscher in Dresden das Geheimnis der Diamanten zu lüften. Polysterol war dafür der Kohlenstofflieferant der Wahl. Doch auf der Suche nach einem Material, dass noch näher dran ist an der Eisplanetenwirklichkeit stießen die Forscher auf PET, aus dem unter anderem Getränkeflaschen bestehen. "Bei PET liegen Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff in einem guten Verhältnis vor, um die Geschehnisse in Eisplaneten zu simulieren", erklärt Dominik Kraus, Physiker am Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) sowie Professor an der Universität Rostock. Um zu sehen, was passiert, wenn ein Laser auf PET-Folie trifft, nutzten die Forscher den starken, beschleunigerbasierten Röntgenlaser des SLAC National Accelerator Laboratory in Kalifornien. Damit konnten sie zeigen, ob sich überhaupt kristalline Strukturen bilden, an denen sich Röntgenstrahlen beugen und wie schnell sie wuchsen. Denn dank der Röntgenkleinwinkelstrahlung kann man das für kleinste Teilchen, für Nanopartikel messen.

Dominik Kraus
Prof. Dominik Kraus erforscht neue Zustände der Materie Bildrechte: HZDR / A. Wirsig

Sauerstoff sorgt für Diamantenregen

Dass sich unter Einwirkung von Laser und extremem Druck Diamanten bilden können, hatte sich bereits in Versuchen mit Kohlenwasserstofffolien gezeigt. Doch mit PET, also unter Beteiligung von Sauerstoff geht das viel schneller. Dominik Kraus erklärt, warum: "Der Sauerstoff beschleunigt die Trennung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Die Kohlenstoffatome können besser zusammenfinden und Diamanten bilden." Damit sahen die Wissenschaftler ihre Vermutung erhärtet, dass es im Inneren von Eisplaneten buchstäblich Diamanten regnet.

Nanodiamanten auf Bestellung

Winzig kleine Diamanten sind wahre Multitalente: Dank ihrer Härte werden sie in Schleif- und Poliermitteln verwendet. Künftig sollen sie als hochempfindliche Quantensensoren frühzeitig Krankheiten wie Krebs erkennen. als medizinische Kontrastmittel eingesetzt werden und als effiziente Reaktionsbeschleuniger etwa zur Spaltung von CO2 dienen. "Bisher werden solche Diamanten hauptsächlich per Sprengstoff-Detonation hergestellt", erläutert Kraus. "Mit Hilfe von Laserblitzen könnten sie sich künftig deutlich sauberer fertigen lassen." Die Vision: Ein Hochleistungslaser feuert zehnmal pro Sekunde Lichtblitze auf eine PET-Folie, die im Zehntel-Sekunden-Takt durch den Strahl gerastert wird. Es entstehen Nanodiamanten, die wie kleine Geschosse aus der Folie herausfliegen und in einem Wasserbecken landen. Dort können sie dann herausgefiltert werden. "Damit ließen sich Nanodiamanten gezielt maßschneidern, etwa was ihre Größe oder auch eine Dotierung mit Fremdatomen betrifft", betont Dominik Kraus. "Denn mit dem Röntgenlaser besitzen wir ein Labor-Werkzeug, mit dem sich das Größenwachstum der Diamanten genau kontrollieren lässt."

Wasser als Abfallprodukt

Auch wenn Kraus und sein Team es nicht zweifelsfrei nachweisen konnten, gehen sie doch davon aus, dass bei der Diamantbildung auch Wasser entsteht. "Es sollte sich sogenanntes superionisches Wasser gebildet haben", vermutet der Physiker. "Dabei formen die Sauerstoffatome ein Kristallgitter, in dem sich Wasserstoffkerne frei bewegen." Da die Kerne elektrisch geladen sind, kann superionisches Wasser elektrische Ströme leiten und so zur Bildung des Magnetfelds der Eisriesen beitragen. Ob das tatsächlich so ist, wollen die Forscher der Universität Rostock und des HZDR am European XFEL in Hamburg herausfinden, dem stärksten Röntgenlaser der Welt.

Links/Studien

Die Ergebnisse der aktuellen Studie "Diamond formation kinetics in shock-compressed C-H-O samples recorded by small-angle X-ray scattering and X-ray diffraction" wurden im Fachmagazin Science Advances veröffentlicht. (DOI: 10.1126/sciadv.abo0617)

krm

1 Kommentar

geradeaus am 03.09.2022

Saubere Sache. Viel Erfolg an das ganze Team.