Nachhaltig bauen Wo steht das höchste Holz-Hochhaus der Welt?
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03. September 2019, 11:37 Uhr
Bei den drei kleinen Schweinchen gilt bekanntlich nur das Haus aus Stein als solide Variante. Architekten beweisen heute weltweit das Gegenteil und bauen mit Holz in schwindelerregende Höhen. Schließlich erfährt der nachwachsende Rohstoff in Anbetracht von Klimawandel und Ressourcenschwund eine Renaissance und wächst inzwischen sogar über sich hinaus. Immer wieder werden dabei Rekorde gebrochen, Japan will 2041 sogar mit einem Siebziggeschosser aufwarten. Aber wer ist aktueller Rekordhalter?
Wien oder Brumunddal? Österreich oder Norwegen? Wo steht das höchste Holzhochhaus der Welt? Glaubt man dem Nachrichtenmagazin Spiegel oder dem österreichischen Standard, dann ist Österreich derzeit Rekordhalter in Sachen Holzhochhaus. Im Juni diesen Jahres zogen dort im HoHo in der Seestadt vor den Toren Wiens die ersten Mieter ein. Doch den Weltrekord verfehlte das HoHo trotzdem. Denn mit 84 Metern Höhe ist es 1,4 Meter niedriger als das Mjøstårnet im 9.000 Einwohner großen Brumunddal, 100 Kilometer nördlich von Oslo.
Höher oder größer?
Aber Höhe ist natürlich nicht alles. Und mit 25.000 Quadratmetern Gesamtfläche darf sich das HoHo mindestens "Größtes Holzhochhaus der Welt" nennen. Denn das Mjøstårnet ist mit 11.300 qm deutlich kleiner. Es ist auch nur 18 Stockwerke hoch und hat oben nur eine Holzkonstruktion auf der Dachterrasse. Das Wiener HoHo dagegen hat durchgehend 24 Stockwerke.
Großbauten aus Holz entstehen seit Jahren auch in Deutschland. So zum Beispiel das Wohnheim "Woodie" in Hamburg. Es war in Holz-Fertigbauweise in Österreich gezimmert worden und bietet seit 2017 371 kleine Appartements für Studenten. Mit 20 Metern Höhe ist es in seinen Dimensionen vergleichsweise bescheiden.
Große Holzbauten auch in Mitteldeutschland
Und auch Leipzig ist mit dabei, beim Holzbautrend in der City. So steht zum Beispiel im Leipziger Westen ein fünfstöckiges Holz-Haus. Damit ist es noch lange kein Hochhaus, das wäre es erst, wenn der Fußboden des obersten Geschosses 20 Meter über dem Geländeniveau läge. Aber Architekturexperten sehen in der Holzbauweise durchaus Perspektiven nach oben:
Holz ist leicht und eignet sich in Zeiten der Wohnungsnot auch für Aufbauten auf bereits bestehende Gebäude.
Entworfen hat das Haus Architekt Dirk Stenzel. Der Leipziger bewohnt selbst eine der vier Wohnungen. Die knapp 25 Zentimeter dicken Holzwände kamen in vorgefertigten Teilen aus einer Torgauer Tischlerei. Vor Ort wurden sie zusammengesetzt – in nur fünf Wochen stand der Rohbau des fünfstöckigen Gebäudes.
350 m hoher Wolkenkratzer in Tokio geplant
Der japanische Holzbaustoffgigant Sumitomo Forestry plant in Tokio das höchste Holzhochhaus der Welt. 350 Meter soll es in die Höhe ragen, 2041 fertig sein und auf 70 Etagen Büros, Geschäften, Wohnungen und Hotels Platz bieten. Die Planer können dank der bereits realisierten Holzgroßbauten weltweit auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen. Allerdings wird das Hochhaus in Tokio im Gegensatz zu seinen Vorgängern aus Gründen der Erdbebensicherheit mit einem Stahlgerüst gestützt werden.
Sind Holzhäuser sicher?
Holz hat als Baumaterial viele Vorteile. Zum Beispiel ist es atmungsaktiv, Feuchtigkeit kann entweichen. Gleichzeitig speichert es Wärme. Der Baustoff Holz hat den Leipziger Architekten Stenzel aber auch wegen seiner Nachhaltigkeit überzeugt: Holz wächst nach und speichert CO2. Einen großen Nachteil gibt es jedoch: Holz brennt. Das ist der große Haken, erklärt der Architektur-Professor Alexander Stahr von der HTWK Leipzig:
Das Bauen mit dem Holz ist speziell unter dem Eindruck der Kriege sehr stark zurückgegangen, die brennenden Städte haben sich in das Bewusstsein der Menschen hineingefressen und es gab nach dem Zweiten Weltkrieg eine rigide Verschärfung der Bauvorschriften.
Skepsis auch auf den Ämtern
Deshalb ist es nicht immer einfach, Genehmigungen für große Gebäude aus Holz zu bekommen. Doch Architekt Dirk Stenzel hat in Leipzig positive Erfahrungen gemacht. "Die haben im Prinzip erkannt, dass es eine Tendenz gibt zu dieser Bauweise und dass man sich nicht unendlich dagegen sträuben kann als Verwaltung und deswegen war da ein sehr positiver Dialog von Anfang an."
Testreihen zum Brandszenario im Holzhochhaus
Auch die Wiener wurden mit der Frage konfrontiert, ob das Hoho im Brandfall nicht zu einer Feuerfalle werden würde. Nach einem entsprechenden Experiment lässt sich für Baumeisterin und Ingenieurin Caroline Palfy das Risiko abschätzen: "Ein Stoff, der brennbar ist, muss im Brandfall keine schlechten Eigenschaften haben." Die bis zu 40 mal 124 Zentimeter starken Holzsäulen seien äußerst robust.
Architektin Palfy verweist in diesem Fall auf ein Experiment mit einem Wand-Decken-Element. Dieses sei in einer Brennkammer 90 Minuten lang 1.000 Grad ausgesetzt worden. Das Ergebnis: Nur die äußeren 8,4 Zentimeter der getesteten Elemente seien verkohlt gewesen, das Material war immer noch tragfähig. Statisch könnte jede zweite Säule versagen und das Gebäude würde immer noch stehen, meint Palfy. "Wir sind nicht die größte Zündholzschachtel der Welt, wie Kritiker einst meinten."
Warum Holz ein idealer Baustoff ist
Für den Leipziger Architektur-Professor Alexander Stahr ist Holz gerade für Städte der ideale Baustoff. Denn Holz ist leicht und eignet sich in Zeiten der Wohnungsnot auch für Aufbauten auf bestehenden Gebäuden.
Ich denke – und ich bin nicht der einzige, der so denkt –, dass das Holz der Baustoff der Zukunft ist. Also wenn Beton der Baustoff des 20. Jahrhunderts war, dann ist Holz mit Sicherheit der Baustoff des 21. Jahrhunderts.
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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 21. April 2018 | 07:48 Uhr