Eine Öffnung für Urin, Kot und Sperma Dino-Kloake rekonstruiert – Wie Saurier "untenrum" aussahen
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Man weiß, ob Dinosaurier Federn oder Schuppen trugen und was ihre Farben waren. Wie sie "untenrum" aussahen war aber bislang unbekannt. Erstmals hat nun ein britisch-amerikanisches Forscherteam die Kloake eines Dinos rekonstruiert, jenen Universalausgang, über den die Dinos Urin, Kot und Sperma abgaben. Dabei entdeckten sie erstaunliche Parallelen zu heute noch lebenden Krokodilen und Vögeln.
Die meisten Säugetiere wie der Mensch haben zwei separate Körperausgänge: einen für die Urinabgabe und die Fortpflanzung und einen zweiten für den Stuhlgang. Doch die Mehrzahl der Wirbeltiere, bei denen Säugetiere nur eine von vielen Klassen sind, verfügen lediglich über eine universelle Öffnung. Kloake (von lat. cloaka, zu dt. Abzugskanal) heißt dieser gemeinsame Körperausgang für die Verdauungs-, Geschlechts- und Ausscheidungsorgane. Vögel, Reptilien und Amphibien haben eine Kloake - und auch Dinosaurier hatten sie.
Federn, Schuppen, Farben und ein "weißer Fleck"
Doch obwohl mittlerweile viel über Dinosaurier und ihr Aussehen als gefiederte, schuppige und gehörnte Kreaturen und sogar über ihre Farbenpracht bekannt ist, wusste man bisher nichts über das Aussehen ihrer Kloake. Ein paläontologischer "weißer Fleck" gewissermaßen. Dabei lässt sich die Frage, wie Saurier "untenrum" aussahen, keineswegs als "special interest" abtun. Von einigen Vogelarten, immerhin direkte Nachfahren der Dinosaurier, weiß man beispielsweise, dass sie ihren Kloakenschlitz bei der Balz als Signalmittel einsetzen. Zu wissen, wie der Dino-"Po" aussah, könnte also eine ganze Menge über das Balz- und Fortpflanzungsverhalten der Dinosaurier verraten.
Weltweit erste Kloaken-Rekontruktion
Ein Team aus britischen und US-Wissenschaftlern unter Leitung der Universität Bristol hat nun zum weltweit ersten Mal die Kloake eines Dinosauriers detailliert rekonstruiert. Der Paläontologe Dr. Jakob Vinther von der School of Earth Sciences der Uni Bristol, der Paläoartist Robert Nicholls und Dr. Diane Kelly, eine Expertin für Wirbeltierpenisse und Kopulationssysteme von der University of Massachusetts Amherst, beschrieben den Kloakenschlitz eines kleinen Dinosauriers namens Psittacosaurus und verglichen ihn mit den Schlitzen moderner Land-Wirbeltiere.
Einzigartiges Psittacosaurus-Fossil
Auf das Untersuchungsobjekt war Vinther vor einigen Jahren im Senckenberg Museum Frankfurt am Main gestoßen. Dort hatten er und sein Team bei einem Psittacosaurus-Fossil, bei dem Haut- und Farbstrukturen deutlich erhalten waren, das komplette Farbmuster rekonstruiert. Dabei fiel den Forschern auf, dass auch die Kloake des Tieres noch erhalten war, das vor etwa 134 bis 100 Millionen Jahren in Ostasien lebte. Dennoch war es nicht einfach, die Region um die Kloakenöffnung des Psittacosaurus zu rekonstruieren und einzuordnen, wie Vinther erklärt: "Es hat lange gedauert, um es zu Ende zu bringen. Denn niemand hat sich je darum gekümmert, das Äußere von Kloakenöffnungen lebender Tiere zu vergleichen. Es war also weitgehend Neuland."
Große Vielfalt, aber geschlechtsneutral
Dass sich bis dahin niemand diese Arbeit gemacht hat, liegt daran, dass Kloakenöffnungen ziemlich unscheinbar sind, wie Diane Kelly erklärt. Dennoch habe sich die Arbeit gelohnt: "Wir fanden heraus, dass die Kloakenöffnung bei vielen verschiedenen Gruppen von Tetrapoden [Landwirbeltieren] unterschiedlich aussieht." Eines haben laut Kelly aber die meisten Kloaken gemein, sie sagen rein äußerlich nicht viel über das Geschlecht der Tiere aus: "Diese Unterscheidungsmerkmale sind in der Kloake versteckt und leider sind sie in diesem Fossil nicht erhalten." Ob der untersuchte Psittacosaurus also Männlein oder Weiblein war, wird für immer sein Geheimnis bleiben.
Ähnlichkeiten mit Krokodilen und Alligatoren
Dennoch gelang dem britisch-amerikanischen Forscherteam eine detaillierte Rekonstruktion, die Vergleiche mit anderen Wirbeltieren zulässt. So weise die Psittacosaurus-Kloake Merkmale auf, die an heutige Krokodile und Alligatoren erinnere, die nächsten noch lebenden Verwandten der Dinosaurier. Zudem stellten die Forscher fest, dass die äußeren Ränder des rekonstruierten Kloakenschlitzes stark mit Melanin pigmentiert sind, was auf eine Signal- und Zurschaustellungsfunktion der Kloake ähnlich den Hinterteilen lebender Paviane hindeutet. Außerdem nehmen die Forscher an, dass die großen, pigmentierten Lappen auf beiden Seiten der Öffnung Moschusduftdrüsen beherbergten, wie sie bei lebenden Krokodilen vorkommen, die mit dem Moschusduft Sexualpartner anlocken.
Paläoartist Nicholls jedenfalls sieht durch die erstmalige Rekonstruktion einer Dinosaurier-Kloake ganz neue Aufgaben auf sich und seine Zunft zukommen: "Zu wissen, dass zumindest einige Dinosaurier sich gegenseitig Signale gaben, gibt den Paläoartisten die Freiheit, über eine ganze Reihe von nun plausiblen Interaktionen während der Balz der Dinosaurier zu spekulieren. It is a game changer!"
(dn)
Harka2 am 21.01.2021
Oder sie konnten einen Teil der Kloake ausstülpen und so ein Legerohr damit erzeugen. Ob man es je erfahren wird? Weichteile versteinern leider nicht so recht.
MDR-Team am 21.01.2021
Hallo @Harka2, das ist wirklich ein interessanter Gedanke. Vermutlich haben sich die Dinosaurier dem Boden etwas angenähert, damit das wertvolle Gut nicht zerbricht.
Harka2 am 20.01.2021
Interessant dürfte bei den Riesen auch das Eierlegen sein. Sie einfach aus 3 m Höhe abzuwerfen dürfte nicht sehr zielführend sein.