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Wetter und KlimawandelAnhaltende Dürre: Seit vier Jahren haben wir ein Bodenwasserdefizit

02. Juli 2022, 09:00 Uhr

Die derzeitige Hitzewelle setzt die Natur unter Druck. Die Böden sind trocken, die Grundwasserspiegel und Pegel der Oberflächengewässer sinken. Trocknet Mitteldeutschland langsam aus und was können wir dagegen tun? Dr. Andreas Marx vom Helmholtz Institut für Umweltforschung hat mit uns über die aktuelle Situation gesprochen.

Es ist heiß, der Boden staubtrocken und mancherorts gleichen Bäche und Flüsschen einer verkrusteten Mondlandschaft. Auch gelegentliche Schauer ändern an dieser Situation nicht viel. Und schaut man sich den Dürre-Monitor des Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) an, schlagen einem die Signalfarben leuchtendes Gelb bis bedrohliches Rotbraun entgegen. In den Dürre-Monitor fließen die Daten der Wasserzustände des Bodens der letzten 30 Tage ein. Daraus kann abgeleitet werden, welche Schäden sich für die Pflanzen ergeben können. Und aktuell leuchtet es so ziemlich in ganz Deutschland.

Bildrechte: Helmholtz Institut für Umweltforschung

Halt, Stopp: Bitte noch keine Panik!

Nur, weil die Karte aktuell rot aufleuchtet, bedeutet das aber noch nicht, dass zwangsläufig irgendwo etwas ganz Schlimmes passiert, sagt Dr. Andreas Marx, Leiter des mitteldeutschen Klimabüros des UFZ. Denn Trockenheit ist für Pflanzen erst ein Problem, wenn sie lange andauert und in zusätzliche Phasen fällt, in denen es einen erhöhten Wasserbedarf gibt. Zum Beispiel in der Blütezeit oder in der Landwirtschaft, wenn die Ährenfüllung beim Getreide ist. In ganz vielen anderen Zeiten macht das aber gar nicht so viel aus.

Doch man muss auch ganz klar sagen, dass wir im Moment eine Dürre haben, die einen Schwerpunkt in Mitteldeutschland hat und in manchen Teilen schon über vier Jahre andauert.

Dürre heißt, dass es mindestens so trocken ist, wie man es statistisch nur alle fünf Jahre erwartet.

Dr. Andreas Marx, UFZ

"Haben wir in den Dürrekarten eine dunkelbraune Verfärbung", so Marx weiter, "ist es so trocken, wie es statistisch eigentlich nur alle 50 Jahre erwartet wird." Im Moment befinden wir uns also durchaus in einer Extremsituation, die wir so noch nicht hatten. Bemerkbar macht sich das in den Böden, den Flusspegeln und Grundwasserspiegeln.

"Seit 2018 bis heute hatten wir eigentlich in den Regionen Brandenburg, Ostsachsen bis Berlin hoch, über Sachsen-Anhalt und Teile des Thüringer Beckens permanent ein Bodenwasserdefizit. Dort muss quasi erstmal der Boden wieder mit Wasser aufgefüllt werden, bevor wieder ein großer Teil des Niederschlages, und das ist dann vor allem im Winterhalbjahr, bis runter ins Grundwasser laufen kann. Die Grundwasserstände können nur steigen, wenn erst einmal im Boden das Wasserdefizit ausgeglichen ist."

Es regnet, es regnet ... nicht

Wir brauchen also Regen, viel Regen. Dann würden auch die Flüsse wieder von oben aufgefüllt werden. Doch im Moment lässt der schmerzlich auf sich warten. Der sächsische Frühling 2022 war laut gewässerkundlichem Monatsbericht des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie nach 1976 der trockenste seit Messbeginn 1881. Und auch Thüringen bleibt davon nicht verschont. Verglichen mit dem Referenzzeitraum 1991 bis 2020 sind laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) 20 Prozent weniger Niederschläge gefallen. Gerade einmal 25 Liter pro Quadratmeter waren es. Das macht sich natürlich auch in den Fließgewässern bemerkbar. Derzeit leiden die meisten Flüsse in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen unter Niedrigwasser (hydrologische Trockenheit). Das bedeutet, dass sich die Fließgewässer zeitweilig deutlich unter den durchschnittlichen Verhältnissen bewegen. In Sachsen ist das zum Beispiel an 46 Prozent der Pegel der Fall. Hier sind besonders die Flussgebiete der Lausitzer Neiße, die Nebenflüsse der Elbe und der Schwarzen Elster betroffen. In diesen Flussgebieten liegen die Durchflüsse derzeit an über der Hälfte der Pegel im Niedrigwasserbereich. Aber auch die Spree oder das Hoyerswerdaer Schwarzwasser leiden unter der hydrologischen Trockenheit.

Regnet es über einen längeren Zeitraum nicht, und das ist für die Sommermonate normal, werden die Flüsse vor allem aus dem Grundwasser gespeist. Aber sinken die Grundwasserspiegel, kommt davon auch wenig Wasser in den Flüssen an. Normalerweise wird dieser Grundwasserspiegel in Deutschland in den Wintermonaten wieder aufgefüllt. Während der derzeitigen anhaltenden Dürre war das aber nicht ausreichend der Fall, obwohl der Januar in Sachsen und Thüringen sehr feucht ausgefallen war. Zwar bewegen sich die Grundwasserstände nicht auf dem niedrigen Niveau wie es 2020 der Fall war, doch sie bewegen sich dennoch unterhalb des mehrjährigen Monatsmittels (1970 bis 2020). So ist zum Beispiel in Sachsen an 84 Prozent der Messstellen der monatstypische Grundwasserstand um durchschnittlich 39 cm unterschritten. Und auch in Thüringen befanden sich im Mai 2022 55 Prozent der beobachteten Grundwassermessstellen erneut im Niveau niedriger Wasserstände. Damit sich die Lage also weitgehend stabilisiert, müsste das gesamte Jahr 2022 ein nasses Jahr mit überdurchschnittlich viel Regen werden.

Trocknen wir allmählich aus?

Trocknet Mitteldeutschland demnächst also aus? Ist "trocken" jetzt das neue "normal"? Nein, sagt Andreas Marx. Dafür gebe es überhaupt keine Anzeichen, denn wie bereits erwähnt, befinden wir uns gerade in einer Extremsituation. Eine solche Dürre hat es im letzten Viertel-Jahrtausend über Mitteleuropa nicht gegeben. Und das gute an Extremereignissen ist, dass sie auch wieder vorbeigehen. Es ist nur leider sehr schwer greifbar und nachvollziehbar, weil so eine Dürre eben ziemlich lange braucht bis sie sich ausprägt.

Dr. Andreas Marx, UFZ Bildrechte: S. Wiedling (UFZ)

"Der Boden trocknet mindestens über ein halbes Jahr hinweg aus, dann kann es eine Situation sein, die über mehrere Jahre hin anhält und dann braucht es ein halbes Jahr lang überdurchschnittlichen Niederschlag ohne große Hitzeperioden, um eine Dürresituation wieder aufzulösen."

Und weil es nun mal so lange dauert und wir in Deutschland mit einer solchen Situation noch keine Erfahrung gemacht haben, laufen wir Gefahr, in Panik zu verfallen. Aber dafür besteht kein Grund, denn mit steigenden Temperaturen, steigen auch die Jahresniederschläge. Die Wasserverfügbarkeit wird sich in Deutschland nicht wesentlich verändern. 88 verschiedene Klimamodelle haben das bestätigt. Puh. Gute Nachricht, oder?

Gute Nachrichten, aber...

Eigentlich ist das eine gute Nachricht, sagt Andreas Marx, aber leider gibt es natürlich hierbei auch einen Haken und der betrifft die Kommunikation. "Wenn wir sagen: Hey, das ist einen Vollkatastrophe und wir werden alle sterben, dann versteht das jeder. Wenn wir sagen: Hey, alles super, wir müssen nix machen, dann versteht das auch jeder. Aber wenn man sagt: Die Wasserverfügbarkeit wird langfristig immer noch sehr hoch sein, aber trotzdem werden wir häufiger Dürren haben, dann wird es kompliziert. Denn hier muss man managen."

Wenn wir sagen: Hey, das ist einen Vollkatastrophe und wir werden alle sterben, dann versteht das jeder.

Dr. Andreas Marx, UFZ

Perspektivisch müssen wir uns auf weitere Dürreereignisse einstellen, auch wenn sie nicht gleich wieder in den nächsten drei Jahren daherkommen. Jetzt wäre also eine gute Gelegenheit, entspannt die Instrumente und Regularien aufzustellen, die später benötigt werden, um temporäre regionale Wasserkonflikte zu lösen. Erste Reaktionen auf diese Notwendigkeit gibt es bereits. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther hat kürzlich die Grundkonzeption öffentliche Wasserversorgung 2030 vorgestellt. Darin heißt es: "Das Wasser kommt künftig nur dann mit der gleichen Gewissheit wie heute aus dem Hahn, wenn wir handeln. Dort setzt unsere Grundsatzkonzeption an. Wir haben eine riesige Generationenaufgabe zu lösen. Die gehen wir jetzt an." Die Konzeption ist ein Handlungsleitfaden für künftige Wasserwirtschaftliche Entscheidungen.

Wer bekommt das Wasser zuerst?

Und diese Entscheidungen betreffen viele verschiedene Bereiche. Angefangen bei der Landwirtschaft, Teilen der Industrie, über die Privathaushalte und bishin zu den Talsperren.

"Letztlich muss man auf regionaler Ebene gucken, wer ist eigentlich wie stark abhängig vom Wasser. Dann müsste man Entscheidungen treffen, welche Verbraucher könnten eigentlich mit den geringsten Auswirkungen in einem Landkreis als erstes in der Wassernutzung eingeschränkt werden. Und das ist ein schmerzhafter Prozess, der nicht ohne harte Diskussionen laufen wird", erklärt Andreas Marx.

Doch diese Diskussionen müssten jetzt geführt werden, um zukünftige temporäre, also zeitlich begrenzte Wasserkonflikte zu managen.

Ob die Landwirtschaft in diesem Jahr übrigens unter der Trockenheit Verluste machen wird, lässt sich bisher schlecht abschätzen, auch wenn viele Bauern das befürchten. Es kommt darauf an, ob und wie viele Niederschläge noch fallen. Denn viele Feldfrüchte können recht gut mit der Trockenheit umgehen. Sie bilden ihre Wurzeln oberflächennah und können das Wasser der Niederschläge, dass ja meist nicht bis in die tiefen Bodenschichten vordringt, gut nutzen.

Panik ist nicht nötig, aber Sorgen gibt es trotzdem

Aber nur, weil bestimmte Feldfrüchte die Trockenheit gut abkönnen und die generelle Wasserversorgung Deutschlands nicht gefährdet ist, bedeutet das nicht, dass die Dürre nicht große Verluste nach sich zieht. Seit 2018 haben wir dadurch mehr als 500.000 ha Waldfläche verloren. Das ist drei Mal die Fläche des Landkreises Mansfeld-Südharz. Tun kann man dagegen leider wenig, denn den Wald zu bewässern, wäre zum einen ein schwieriges und zum anderen ein ziemlich sinnloses Unterfangen. Trotzdem kann teilweise dafür gesorgt werden, dass der Grundwasserspiegel nicht weiter sinkt. Im Altmarkkreis Salzwedel etwa ist es seit Mai untersagt zwischen 12 und 18 Uhr private Grünflächen, aber auch Sportanlagen wie Rasen- oder Golfplätze zu bewässern. Denn das Wasser kommt gar nicht bei den Pflanzen an, der Großteil verdunstet einfach. Auch Dresden hat die Wasserentnahme aus Flüssen und Bächen verboten, ebenso wie Nordsachsen und Zwickau und immer mehr Orte in Thüringen.

Verdunstung spielt in Deutschland übrigens nur in den Sommermonaten eine größere Rolle. Je wärmer es ist, umso mehr Wasser kann die Atmosphäre in Gasform transportieren. Dem Boden wird also Wasser entzogen. In Hitzeperioden wie dieser ist das natürlich problematisch. Im Winter spielt die Verdunstung in Deutschland aber so gut wie keine Rolle. Man kann also sagen, dass da ein Ausgleich herrscht. Und auch die Verdunstung über die Oberflächengewässer spielt eher eine untergeordnete Rolle, sagt Andreas Marx vom UFZ. Die Seeflächen Deutschland sind mit Ausnahme des Bodensees vernachlässigbar klein. Sinken die See-Pegel liegt das maßgeblich an den fallenden Grundwasserpegeln und nicht an der Verdunstung.

Abwarten, Tee trinken, aber auch vorausplanen

Dürre, Trockenheit, Hitzewellen – ein sehr komplexes Thema mit unendlich vielen Komponenten, die miteinander verwoben sind. Ob sich 2022 in die Reihe der Dürrejahre einreiht, bleibt abzuwarten, auch wann sich die Grundwasserstände wieder entspannen, muss beobachtet werden. Fest steht aber: die Extremsituation wird vorbeigehen, Mitteldeutschland wird nicht austrocknen. Einen Plan für kommende Extremereignisse in der Schublade zu haben, ist aber nicht verkehrt.

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