Symbolbold: Mädchen streckt Hände abwehrend in richtung Kamera, Kopf gesenkt und kaum zu erkennen, Hintergrund dunkel
Emotionale Misshandlung muss als eine eigene Dimension begriffen werden Bildrechte: imago/blickwinkel

Psychische Gewalt Emotionale Misshandlung ist häufigste Form von Kindesmisshandlung

17. Januar 2023, 11:58 Uhr

"Dann stecken wir dich eben ins Heim!" — Emotionale Kindesmisshandlung beginnt im vermeintlich Kleinen, kann aber weiterreichende Folgen haben und ist zudem die häufigste Form von Gewalt gegenüber Kindern. Das haben Forschende an der Universität Leipzig herausgefunden. Die Folgen seien gleichauf oder sogar weitreichender als die durch körperliche Gewalt.

So hätten emotionale Misshandlungen die stärkste Auswirkung unter allen Misshandlungsformen auf die Psyche der Kinder und Jugendlichen. Bei jüngeren Kindern zwischen drei und acht Jahren führe emotionale Misshandlung dabei vor allem zu Verhaltensauffälligkeiten, bei den älteren eher zu Depressionen und Angststörungen. Zu emotionalen Misshandlungen zählen neben Drohungen und Erniedrigung auch, ihnen die Schuld für die eigene psychische Belastung oder die eigenen Suizidgedanken zu geben. Selbst indirekte Misshandlung zählt dazu: Von Kindern beobachtete körperliche Gewalt zwischen den Eltern spiele den Forschenden zufolge ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Das Team aus Leipziger und bundesweiten Forschenden hat für ihre Studie 778 Kinder untersucht. Unter denen, die von Misshandlungen berichteten, hätten achtzig Prozent auch Erfahrungen mit psychischer Gewalt gemacht. Erfasst wurden die Daten der Familien mit aufwendigen Interviews, hinzu kam eine Auswertung von Jugendamt-Unterlagen.

Die Forschungsgruppe betont, dass emotionale Misshandlung als eine eigene Dimension begriffen werden und klarer in den Fokus gerückt werden müsse, auch von Kinderärztinnen und -ärzten. Eltern müssten hingegen dafür sensibilisiert werden, öfter die Perspektive des Kindes einzunehmen. Studienleiter Lars White: "Noch vor dreißig Jahren gab es die landläufige Meinung, Kinder sollen schreien gelassen werden und das, was sie in der Kindheit erleben, vergessen sie sowieso. Zunehmend gibt es aber einen enormen Sinneswandel und ein Verständnis dafür, dass wir uns den Jüngsten auch zuwenden müssen, wenn sie schwierige Gefühle zeigen, zum Beispiel wütend oder traurig sind."