Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Wissen, was wir lesenDas Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform

11. September 2020, 11:35 Uhr

"Ohne Land keine Stadt", so lautet die Quintessenz von MDR WISSEN-Redakteurin Ines Drahonovsky nach der Lektüre von Werner Bätzings Buch "Das Landleben". Was sie an diesem Buch schätzt, was sie gelernt hat und wem sie das Buch empfiehlt, verrät sie in ihren fünf Antworten auf unsere Fragen.

von Ines Drahonovsky

Worum geht es?

Es geht ums Land, um Landleben, Landwirtschaft und um die Entstehung und Entwicklung von ländlichen Regionen, aber auch um Landlust und -frust, um Landflucht und um die Wiederentdeckung des Dorfes.

Land bedeutet für die meisten Menschen: Dorf, Landwirtschaft, Natur. Bildrechte: MDR/OPEN house media

Wie schafft es das Buch, mich zu fesseln?

Ich lerne viel Neues. Ich lese von der Bedeutung der Allmende, dieser von der Dorfgemeinschaft gemeinsam bewirtschafteten Fläche. Ich erfahre, dass unsere Ahnen unterschiedliche Siedlungsstrukturen schufen, die bis heute nachwirken: Streusiedlungen mit mehreren Einzelhöfen im Gebirge; Wald-, Marsch- und Moorhufendörfer mit Höfen entlang eines Weges; Angerdörfer mit einem zentralen Platz – dem Anger – auf dem sich meist der Dorfteich befindet. Ich lerne, was Tropfhäuser sind, eine Behausung nämlich, bei der das vom Dach tropfende Regenwasser die Grundstücksgrenze markiert.

Interessant sind immer wieder einzelne Fakten, mit denen der Autor den Text füttert: Justus von Liebig hat z.B. den Mineraldünger erfunden, der seit Ende des 19. Jahrhunderts verwendet wird. Oder: Vor etwa 5.000 Jahren ist in der Region, in der sich heute Ungarn befindet, eine Mutation im menschlichen Erbgut aufgetreten, die es den dortigen Bauern ermöglichte, Milch zu trinken und zu verdauen. Dadurch erlebte die Milchviehwirtschaft eine erhebliche Aufwertung.

Also: interessante Details, gut verständliche Informationen. Der Autor hat ein spürbar großes Herz für das Leben und die Menschen auf dem Lande. Was mich als Landmensch außerdem sehr freut: Werner Bätzing betont immer wieder die große kulturelle Leistung der Landbevölkerung in den vergangenen Jahrhunderten. Diese Menschen haben nicht nur die Landwirtschaft erfunden, sondern auch Kulturlandschaften geschaffen und mit der Lebensmittelproduktion das Leben in der Stadt überhaupt ermöglicht. Das tun sie ja bis heute!

Mittelalterfeste beschreiben bis heute unseren Blick auf das Landleben von früher. Bildrechte: MDR/Gregor Mühlhaus

Wer hat's geschrieben?

Werner Bätzing ist der Autor, der besonders – man merkt es diesem Buch auch an – als Alpenforscher in der Öffentlichkeit bekanntgeworden ist. Bätzing, mittlerweile emeritiert, lehrte als Professor für Kulturgeographie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen–Nürnberg, an der ich übrigens auch studiert habe.

Bildrechte: Verlag C.H.Beck

Die Daten zum BuchWerner Bätzing: "Das Landleben. Geschichte und Zukunft einer gefährdeten Lebensform." C.H.Beck 2020, 302 Seiten, 26 €, ISBN: 978-3-406-74825-7

Wie ist es geschrieben?

Verständlich, gut lesbar und mit ausreichend Zahlen unterlegt. Es ist – ganz klar – ein Sachbuch, ein spannendes, und mit allen Verzeichnissen 302 Seiten stark. Lektüre für all jene, die sich in Schule, Ausbildung und Studium mit Landwirtschaft und Dorfentwicklung auseinandersetzen müssen.

Es ist Lesestoff für Nicht-Städter, die sich gerade fragen, ob sie weiterhin auf dem Dorf oder im ländlich geprägten Landkreis wohnen und arbeiten möchten. Dieses Buch macht Mut! Es ist auch Literatur für jene Stadtbewohner, die sich mit dem Gedanken tragen, aufs Land zu ziehen. Empfehlenswert zudem für die Stadtmenschen, die mit einer gewissen Arroganz auf Dorfbewohner und deren ländliches Leben blicken.

Was bleibt hängen?

Ohne Land keine Stadt.

Die Erfolge in der großstädtisch geprägten Welt bauen auf Grundlagen auf, die auf dem Lande geschaffen wurden.

Der ländliche Raum ist keineswegs so abgehängt, wie oft behauptet: 20 Prozent der 1.700 eher unbekannten mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die in Nischenmarktsegmenten Weltmarktführer sind, haben ihren Sitz auf dem Land!

Das negative Bild des Landes, das mit der Entstehung der Städte und der Hochkulturen in die Welt kommt, ist also ein realitätsfernes Bild, das den Städten eine falsche Grundlage ihrer Existenz suggeriert. Aber es ist ein sehr wirkmächtiges Bild, das  ab diesem Zeitpunkt für sehr lange Zeit die Sicht auf das Land in großen Teilen der Erde prägt und auch  in Europa heute noch tief in der kollektiven Erinnerung verankert ist.

S. 68

Dieses Buch hilft dabei, dieses Bild zu verändern.

Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die RezensentinInes Drahonovsky ist bei MDR WISSEN für bewegte Bilder verantwortlich und brennt fürs Leben auf dem Land.

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen