Eine Frau mitr Mütze trinkt aus einer Dose Red Bull.
Die Manager manches großen Energy-Brause-Herstellers werden bei dieser Studie zu Taurin vermutlich vor Freude aus den Chefsesseln springen (oder fliegen). Bildrechte: IMAGO / Inpho Photography

Energy Drinks Studie: Nahrungsergänzung mit Taurin verlängert Leben – zumindest von Mäusen und Affen

11. Juli 2023, 14:43 Uhr

Eine neue Studie mit Affen und Mäusen zeigt: Die Beigabe von Taurin kann das Einsetzen von Alterskrankheiten verzögern. Ob die häufig in Energy Drinks enthaltene Aminosäure auch bei Menschen wirkt, ist aber noch unklar.

Es klingt wie die Einlösung eines Werbeversprechens: Der in zahlreichen Energydrinks enthaltene Stoff Taurin könnte tatsächlich Flügel verleihen – oder zumindest das Auftreten altersbedingter Krankheiten verzögern. Darauf deuten die Ergebnisse eines Teams um Parminder Singh vom Buck Institute of Age Research hin. Die Wissenschaftler verlängerten das Leben von Mäusen und Würmern mit der Beigabe von Taurin und sie konnten bei Rhesus-Affan das Auftreten altersbedingter Krankheiten hinauszögern. Das berichten sie im Fachmagazin Journal Science.

Taurin-Werte steigen beim Sport

Taurin ist eine Aminosäure, die in der Leber gebildet und durch die Nahrung aufgenommen wird. Unter anderem ist sie an der Produktion von Energie für Bewegungen, aber auch an Entzündungen, der Bildung von Gallensäure und Antioxidantien beteiligt. Experimente zeigen, dass Taurin-Werte unter körperlicher Belastung ansteigen. Der Stoff könnte daher ein Teil der Antwort sein auf die Frage, warum Sport gesund ist.

In ihrer Studie analysierten Singh und sein Team zunächst die Taurinkonzentrationen im Blut von Ratten, Rhesus-Affen und Menschen. Dabei zeigte sich, dass die Werte mit zunehmendem Alter abnahmen. Durch die Gabe von zusätzlichem Taurin konnten die Forschenden den Verlust bei Mäusen und Würmern aber umkehren und die Lebensspannen der Tiere verlängern. Bei Mäusen und Affen verlängerte sich auch die Lebensspanne ohne Alterskrankheiten. Zudem habe es positive Effekte auf Knochen, Muskeln, Bauchspeicheldrüse, Gehirn, Darm und Immunsystem gegeben.

Einfach von Maus auf Mann/Frau umrechnen?

In der Studie erhielten die Mäuse Taurin in einer Menge von 500 und 1.000 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Zum Vergleich: In einem Liter Energy-Drink dürfen in Deutschland pro Liter 4.000 Milligramm Taurin enthalten sein. Schon hier zeigt sich, dass eine einfache Umrechnung der Studienwerte auf Menschen zu extremen Werten führen würde. Eine Labormaus mit einem Gewicht von 20 bis 25 Gramm erhielt demnach 20 bis 25 Milligramm Taurin. Bei einem erwachsenen Mann mit 75 kg oder einer Frau mit 60 kg Körpergewicht wären das 75.000 oder 60.000 Milligramm. Umgerechnet auf Energy-Drinks: 15 bis 19 Liter. "Daher sollte die Nahrungsergänzung mit Taurin mit dem Ziel, die menschliche Gesundheit und Langlebigkeit zu verbessern, wie jede Intervention mit Vorsicht angegangen werden", heißt es folgerichtig in einem wissenschaftlichen Kommentar, der zeitgleich mit der Studie veröffentlicht wurde.

Jenaer Forscherin: Studie von großem Wert

Die Forschenden analysierten einen Datensatz von rund 12.000 Personen, der darüber hinaus einen Zusammenhang zwischen niedrigeren Konzentrationen von Taurin mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes und hohen Glukose- und Cholesterolwerten zeigte. "Ein Taurinmangel beim Menschen wird mit verschiedenen Organfehlfunktionen und -krankheiten in Verbindung gebracht, von denen einige auch im Alter auftreten, wie Bluthochdruck, Nierenfunktionsstörungen und Fettleibigkeit", sagt Clara Correia-Melo vom Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena, die nicht an dem Projekt beteiligt war. "Da frühere Studien den Taurinmangel im Zusammenhang mit dem Altern nicht untersucht haben, ist die aktuelle Studie von großem Wert."

Sebastian Grönke vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln hält einen möglichen positiven Effekt von Taurin für möglich, aber noch nicht ausreichend belegt. "Taurin wird allerdings häufig von Sportlern als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen, und es gibt einige Studien, die auf einen positiven Effekt zum Beispiel auf die Laufleistung hinweisen. Ganz gesichert ist das aber nicht, und auch hier sind noch weitere Studien notwendig." Allein auf den Taurinspiegel-erhöhenden Effekt könne man Sport/Training niemals reduzieren, schränkt auch Prof. Dr. Kristina Norman ein. Sie leitet die der Abteilung Ernährung und Gerontologie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE), Potsdam-Rehbrücke und sagt: "Körperliches Training hat vielfältige Auswirkungen auf verschiedensten Ebenen, die nicht auf Taurin zurückzuführen sind."

Weitere klinische Studien sind nötig

Ob und wenn ja, wie viel Taurin tatsächlich hilft, das müssen weitere, klinische Studien erst zeigen. "Eine weitere Validierung ist erforderlich, bevor wir mit Sicherheit sagen können, dass eine Taurin-Supplementierung als prophylaktische Therapie eingesetzt werden sollte", sagt Clara Correia-Melo. Das gilt auch für den Effekt von Taurin-haltigen Energydrinks: Ob dieser Aufnahmeweg geeignet ist oder eine Gabe als Tablette mit weniger Zucker dabei besser wirkt, müssen weitere Studien zeigen.

Links/Studien

Die Studie "Singh: Taurine deficiency as a driver of aging" ist im Magazin "Science" erschienen.
Auch die Perspektive von Joseph McGaunn und Joseph A. Baur ist in "Science" veröffentlicht worden.

ens/gp/smc

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