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Kann das Verhalten des Großvaters Folgen für die Enkelin haben? Bildrechte: IMAGO / Westend61

EpigenetikMehr Fettzellen bei der Enkelin, weil Opa zu früh geraucht hat?

23. Januar 2022, 12:00 Uhr

Dass es einen schlechten Einfluss auf die Gesundheit von Kindern hat, wenn die Eltern in ihrer Nähe rauchen, ist unstrittig. Überraschender dürfte jedoch sein, dass es offenbar auch Mädchen körperlich beeinflusst, wenn Großvater oder Ur-Großvater geraucht haben – und zwar bevor sie in der Pubertät waren. Dieses ungewöhnliche Phänomen hat ein britisches Forschungsteam jetzt tatsächlich entdeckt.

Ob Essen, Rauchen oder Bewegung: Unser Verhalten hat nicht nur Auswirkungen auf unsere eigene Gesundheit, sondern auch auf die unserer Nachfahren. Denn die bekommen eine bestimmte Programmierung in ihren Genen mitgeliefert. Das heißt nicht, dass sich das nie mehr verändern lässt, aber doch, dass es einen Einfluss haben kann. Aber wie genau sieht der aus? Das erforscht ein Team an der britischen Bristol University. In ihrer aktuellen Publikation, die im renommierten Fachmagazin Scientific Reports erschienen ist, haben sie sich mit den Auswirkungen präpubertären Zigarettenrauchens beschäftigt.

Zuvor hatten Tier-Experimente und Modellstudien gezeigt, dass es Auswirkungen auf Nachkommen haben kann, wenn Männchen vor der Fortpflanzung bestimmten Chemikalien ausgesetzt waren, so das Forschungsteam. Aber gibt es dieses Phänomen auch beim Menschen? Das sei nämlich lange bezweifelt worden.

Wer früher raucht, hat dickere Nachfahren

Rauchen vor der Pubertät kann offenbar mehr Folgen für den Nachwuchs haben als bisher bekannt. Bildrechte: IMAGO

Um die Auswirkungen des Zigarettenrauchens noch vor Einsetzen der Pubertät genauer zu analysieren, haben die britischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Daten der Studie "Children of the 90s" zurückgegriffen. Das ist eine Langzeituntersuchung mit mehr als 14.000 Personen. Die hat ihnen in einer früheren Analyse im Jahr 2014 schon einmal dabei geholfen, einen unerwarteten Zusammenhang zwischen dem Tabakkonsum von Vätern und Söhnen festzustellen. Wenn Väter vor dem 14. Lebensjahr –und damit vor Erreichen der Pubertät – bereits begonnen hatten, regelmäßig zu rauchen, dann hatten die Söhne während der Kindheit, Jugend und im frühen Erwachsenenalter mehr Körperfett als erwartet. Für die Töchter ließ sich so ein Zusammenhang aber nicht entdecken.

Deshalb hat das Team seinen Fokus dieses Mal etwas breiter angelegt. Konnte es vielleicht sein, dass hier der Großvater sogar eine Rolle spielen könnte? Um das herauszufinden, analysierten sie erst kürzlich erhobene Daten zu den Großvätern und Urgroßvätern der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer. Und tatsächlich: Die Forschenden entdeckten einen Unterschied zwischen den Frauen, deren Urgroßväter oder Großväter vor dem 13. Lebensjahr angefangen hatten, zu rauchen, und denjenigen Frauen, deren Vorfahren erst später in der Kindheit - also im Alter von 13 bis 16 Jahren - mit dem Zigarettenrauchen begonnen hatten. Die erste Gruppe hatte den Forschern zufolge mehr überschüssige Fettmasse als die zweite.

Was haben die Fettzellen von Frauen mit ihren (Ur-)Großvätern zu tun? Bildrechte: colourbox

Das Forschungsteam hat die Differenz in zwei Altersstufen bestimmt. Demnach lag die mittlere Differenz von Frauen mit früh rauchenden Vorfahren auf väterlicher Seite im Alter von 17 Jahren bei einem Plus von 3,54 Kilogramm und im Alter von 24 Jahren bei 5,49 Kilogramm mehr Gewicht. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich auch, wenn die Ur-Großväter auf mütterlicher Seite vor Einsetzen der Pubertät mit dem Rauchen begonnen haben. Dann waren es den Forschenden zufolge plus 5,35 Kilogramm überschüssiges Körperfett mit 17 Jahren und 6,10 Kilogramm mit 24 Jahren. Bei den männlichen Enkeln und Ur-Enkeln konnte dagegen kein Zusammenhang festgestellt werden.

Ist Opa Schuld am Gewicht der Enkelin?

Allerdings ist nun noch weitere Forschung notwendig, um diese Beobachtung genau zu bewerten. Denn die Tatsache, dass es offenbar einen Zusammenhang gibt, heißt ja noch nicht, dass das eine auch die direkte Ursache des anderen ist.

Dennoch, so ist sich die Erstautorin der Studie, Professorin Jean Golding, sicher, liefert die Untersuchung zwei wichtige Ergebnisse. Zum einen, dass es bestimmte Auswirkungen auf nachfolgende Generationen haben könnte, werden Jungen vor ihrer Pubertät bestimmten Substanzen ausgesetzt. Und zum anderen könnte die Ursache, warum manche Kinder übergewichtig werden und andere nicht, womöglich gar nicht so sehr ihre aktuelle Ernährung und Bewegung sein, sondern auch der Lebensstil ihrer Vorfahren und dessen Folgen.

Die Ursache, warum manche Kinder übergewichtig werden und andere nicht, könnte womöglich gar nicht so sehr ihre aktuelle Ernährung und Bewegung sein.

Prof. Jean Golding, University of Bristol

Sollten sie diese Beobachtung des Zusammenhangs zwischen Körperfett und dem Zigarettenrauchen von männlichen Vorfahren vor der Pubertät in weitern Analysen bestätigen, wäre das eine der ersten Studien, so schreibt das Forschungsteam, die solche generationenübergreifenden Effekte direkt beim Menschen nachweist.

Die Studie zum Nachlesen

(kie)

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