Ein Sandwitch mit Erdnussbutter wird zerschnitten.
Bildrechte: imago/Levine-Roberts

US-Empfehlung Erdnüsse essen, um Allergie zu vermeiden?

10. September 2019, 11:44 Uhr

Studentenfutter, Müsliriegel, Speiseeis - diese Produkte haben eines gemeinsam: Sie können Erdnüsse enthalten. Und damit für Menschen mit Erdnussallergien gefährlich, bis tödlich sein. Gerade für Kinder und ihre Eltern sind Lebensmittelallergien eine Herausforderung. Doch jetzt gibt es aus den USA eine Empfehlung, wie Erdnussallergien vorgebeugt werden können. Deutsche Experten widersprechen allerdings entschieden.

Das Besondere an der Erdnussallergie: Schon kleine Mengen Erdnussallergene können schwere Reaktionen auslösen und das innerhalb von sehr kurzer Zeit. Die meisten allergiebedingten Todesfälle gehen auf Erdnüsse zurück. Für betroffene Eltern und Kinder hat diese Allergie enorme Auswirkungen auf das psychosoziale Umfeld. Was kann das Kind essen? Achten Freunde und Lehrer auf Erdnussbestandteile? Solche Ängste besprechen Eltern in einschlägigen Internetforen, da heißt es dann:

"Natürlich schaut man in der Eisdiele, dass man kein Eis mit Erdnuss nimmt. Aber es wird doch alles mit demselben Löffel rausgenommen."

"Ich habe gelesen, dass auf dem Bienenstich anstelle von Mandeln dünne Scheibchen Erdnuss draufliegen. Oder dass im Mehrkornbrot auch Erdnuss mit verarbeitet ist. Das kann ja überall sein."

US-Empfehlung: So früh wie möglich Erdnussprodukte

Um die Entwicklung von Erdnussallergien bei Kindern vorzubeugen, hat die amerikanische Akademie für Kinderheilkunde eine neue Empfehlung herausgegeben: Hochrisikokinder sollen schon im Alter von vier bis sechs Monaten systematisch mit altersgerechten Erdnussprodukten gefüttert werden.

Was mit Hochrisikokindern gemeint ist, erklärt Allergologe Jörg Kleine-Tebbe im Gespräch mit MDR Wissen:

Das sind Kinder, bei denen schon beide Eltern eine Allergie haben, beziehungsweise Kinder, die schon eine andere Form einer Nahrungsmittelallergie haben, zum Beispiel gegen Milch oder Hühner. Die tragen ein hohes Risiko, weitere Allergien zu entwickeln.

Dermatologe Jörg Kleine-Tebbe

Erdnuss-Verträglichkeit - wie kommt man auf die Empfehlung?

Die Empfehlung in den USA stützt sich auf mehrere große Studien unter anderem aus Großbritannien. So zeigte eine britische Untersuchung, dass Risikokinder, die im Alter von vier bis elf Monaten mit Erdnussprodukten gefüttert wurden, mit fünf Jahren um 81 Prozent seltener unter Erdnussallergien litten. Doch trotz der Studienlage winken deutsche Allergologen nur ab. So Professor Dr. Jörg Kleine-Tebbe, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie:

Es ist so, dass die Empfehlung für Amerika oder andere angelsächsische Länder sinnvoll ist, weil dort so viel Erdnuss gegessen wird. Bei uns ist die Situation anders. Es gibt viel weniger Haushalte, wo regelmäßig Erdnuss gegessen wird. Und wo Erdnussallergien auftreten.

Jörg Kleine-Tebbe

Lebensmittelallergien: Wo kommen die her?

Bestimmte Lebensmittelallergien häufen sich gerade in den Ländern, in denen die entsprechenden Lebensmittel alltäglich verzehrt werden. Eine mögliche Erklärung dafür liefert die "Hypothese der zweifachen Allergenexposition" von Gideon Lack, Professor für Kinderallergologie in London.

Demnach entwickeln wir eine Toleranz gegenüber Lebensmitteln, wenn wir sie essen und so dem Immunsystem des Darms zuführen. Die Allergene können hingegen bei Kontakt durch die - beispielsweise ekzemgeschädigte - Haut eindringen. Zum Beispiel, wenn Eltern Erdnussprodukte essen und danach ihr Baby küssen. Doch dieses Szenario ist in Deutschland bei Erdnussallergien eben seltener, betont Kleine-Tebbe. Er warnt vor der Prävention durch frühen Kontakt:

Man muss ja bedenken, wann man solch ein so potentes Nahrungsmittelallergen wie die Erdnuss früh einführt, gibt es auch einen Anteil an Säuglingen, die die Allergie deshalb erst entwickeln.

Jörg Kleine-Tebbe

Derzeit werden in Deutschland die Leitlinien zur Allergieprävention erneuert. Das Füttern von Babys mit Erdnussprodukten wird keine Empfehlung werden.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 10. September 2019 | 06:50 Uhr

0 Kommentare