Deutschland Doppel Erfurt und Münster: Warum sie Zwillinge sind
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13. Oktober 2020, 10:28 Uhr
Was haben Münster und Erfurt miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, aber die "Datenmaschine" von MDR Wissen, das Projekt "Deutschland-Doppel", filtert heraus, warum beide Städte sich ähneln wie Zwillinge.
Die deutsche Partnerstadt von Erfurt ist Mainz. Dabei hat Erfurt hat noch einen ganz anderen Partner in Westdeutschland – einen Zwilling, nämlich Münster! Die beiden Städte haben verblüffend viel gemeinsam, obwohl sie immerhin vier Autostunden voneinander entfernt sind.
Das hat die MDR WISSEN "Datenmaschine" herausgefunden: Das Projekt "Deutschland-Doppel" filtert und rechnet aus, welche Städte und Landkreise sich wie Zwillinge ähneln, obwohl sie auf den ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten haben. Also: Erfurt und Münster sind demnach Zwillinge. Zum Beispiel liegen sie im Tourismus ganz nah beieinander. Genauer gesagt, in der sogenannten Tourismus-Intensität, wie Professor Dr. Peter Neumann erklärt. Er ist Professor für Tourismuswirtschaft und lehrt in Münster und in Erfurt:
Die Tourismusintensität wird durch die Anzahl der Übernachtungsgäste im Verhältnis zur Einwohnerzahl einer Stadt berechnet. In beiden Städten, Erfurt und Münster, liegt die etwas unter dem Bundesdurchschnitt, was darauf hinweist, gerade im Vergleich, dass wir hier in beiden Städten noch durchaus Potenzial nach oben haben.
Was bedeutet das konkret in Zahlen? 2019 wurden zum Beispiel in Münster rund 4.400 Gästeübernachtungen je 1.000 Einwohner registriert, in Erfurt 4.287. Beide Städte sind überregional bekannt - aus Film und Fernsehen. Die eine punktet seit fast 20 Jahren in der ARD-Tatort-Reihe mit dem launigen Duo Thiel und Boerne. Die andere Stadt punktet mit den TV-Lebensrettern der Klinikserie "Die jungen Ärzte", die im Johannes-Thal-Klinikum "arbeiten".
Münster und Erfurt: Domstadt, Universitätsstadt, Messestadt
Auch sonst hätten Erfurt und Münster viele Gemeinsamkeiten, sagt der Wissenschaftler, zum Beispiel was Sehenswürdigkeiten angeht - touristische Attraktionspunkte, die die Besucher in die Städte locken. Beide sind Domstadt, Universitäts-Stadt, Messestadt. Und beide ziehen Besucher mit ihren Weihnachtsmärkten in den Bann. Das war zumindest in den vergangenen Jahren so und auch zu Corona-Zeiten ähneln sich die Herausforderungen, die beide Städte meistern müssen:
Es geht um Tagungen, Kongresse, Konzerte, die nicht stattfinden können. Auch der Weihnachtsmarkt: Beide Städte kämpfen darum, dass der stattfinden kann. Er hat eine große wirtschaftliche Bedeutung, ist eigentlich ein Tourismusmagnet für beide Städte. In Erfurt kommen jedes Jahr um die zwei Millionen Besucher, in Münster eine Million.
Apropos Innenstadt: Sowohl die Altstadt von Münster als auch die Erfurter Altstadt sind zu jeder Jahreszeit beliebt: In Münster wurden die Häuser nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut. Erfurt besitzt einen der besterhaltenen mittelalterlichen Stadtkerne.
Aber es gibt auch Unterschiede: In der nordrhein-westfälischen Stadt hat Neumann zufolge jeder Münsteraner durchschnittlich zwei Fahrräder. Überhaupt gilt Münster als Fahrradhauptstadt: Es gibt eine 4,5 Kilometer lange Promenade, eine Art Fahrrad-Autobahn und gut ausgebaute Fahrradwege.
Da könnte sich Erfurt noch was abgucken, sagt der Experte. Die Thüringer Landeshauptstadt punktet dafür aber an anderer Stelle:
In Erfurt gibt es sehr viele Angebote für Familien, für Kinder und für Menschen mit Behinderungen. Erfurt ist eine der führenden Städte im barrierefreien Tourismus.
So gibt es beispielsweise barriefrei ausgebaute Sport- und Wanderwege. Straßen und Sehenswürdigkeiten sind mit Brailleschrift gekennzeichnet. Auch die Verkehrsinfrastruktur macht es Menschen mit Beeinträchtigungen leicht, Erfurt unproblematisch zu erleben. Per I-Pod, den man an der Touristen-Information leihen kann, können gehörlose Gäste an 20 Stationen durch Videos in Gebärdensprache Erfurt selbst erkunden.
Über das Projekt
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Deutschland-Doppels - einem Gemeinschaftsprojekt des Studiengangs M.Sc. Journalismus der Universität Leipzig und der Redaktion MDR WISSEN aus Anlass von 30 Jahren Wiedervereinigung.
rw/lfw