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Warmes Bier, kalte Dusche, heiße Küsse?Erkältungsmythen auf dem Prüfstand

03. November 2019, 13:00 Uhr

Jetzt beginnt die Wohlfühlzeit für Erkältungsviren. Bei sinkenden Temperaturen genießen sie beste Überlebensbedingungen und im Herbst und im Winter ist unser Immunsystem nicht gerade in Hochform. Hat es uns dann erwischt, ist guter Rat teuer? Doch welche Tipps helfen wirklich, uns vor den gemeinen Winzlingen zu schützen oder wieder auf die Beine zu kommen? Und welche sind reine Mythen?

Wenn uns eine Erkältung heimsucht, sind meist Rhinoviren schuld. Sie sind klein und gemein: Gerade einmal 30 Nanometer messen die Mikroorganismen - winzig im Vergleich zu anderen Krankheitserregern. Sie täuschen unser Immungsystem, das ihr Inneres bekämpfen will. Die eigentliche Gefahr lauert jedoch in ihrer Hülle: Mit ihr docken sie an unseren Schleimhäuten an, die sie willig gewähren lassen. Das Ergebnis: sie verursachen zwischen 40 und 75 Prozent aller Erkältungen, schätzen Wissenschaftler. Obwohl die Rhinoviren schon seit 60 Jahren erforscht sind und mehr als 100 verschiedene Typen entdeckt wurden, gibt es bislang keine wirksamen Medikamente gegen sie. Antibiotika sind wirkungslos, sie töten nur Bakterien und die verursachen keine Erkältungen. Wir können uns jedoch schützen und die Symptome lindern. Aber was hilft wirklich und warum?

Guter Rat 1: Zieh dich warm an!

Wir können uns noch so warm anziehen, unsere Nase bleibt der Kälte ausgesetzt und das öffnet Rhinoviren Tür und Tor. Bildrechte: Colourbox.de

Stimmt zum Teil. Wir erkälten uns nicht allein, weil wir frieren, sondern weil Rhinoviren bei niedrigeren Temperaturen zwei Vorteile haben: Sie vermehren sich dann besonders gut und unsere Immunabwehr reagiert schwächer. Das konnten Forscher der Universität Yale bereits 2015 in einer Studie belegen. Vor allem die Nasenschleimhäute kühlen aus, wenn es draußen kälter wird. Deshalb sind sie für die Eindringlinge das perfekte Tor in unseren Körper. Nur können wir ja unsere Nase schlecht warm anziehen. Als Tipp zum Schutz ist das also eher ein Mythos.

Guter Rat 2: Hände waschen

Stimmt! Erkältungskrankheiten werden durch sogenannte Tröpfcheninfektion übertragen. Die Erreger sind so winzig klein und leicht, dass sie sich ohne weiteres mit Tropfen aus Speichel oder Schnupfensekret umgeben können. So werden sie einerseits beim Niesen, Husten oder einfach beim Ausatmen herausgeschleudert. Andererseits bleiben sie an unseren Händen haften und verteilen sich dann auf allem, was wir anfassen. Kommt ein anderer mit diesen Flächen in Kontakt und berührt dann Augen, Nase oder Mund, nimmt er die Viren auf. Gründliches Händewaschen mit Seife dämmt das Übertragungsrisiko also ein, genauso wie der Verzicht auf Händeschütteln in der Erkältungshochsaison. Fakt!

Guter Rat 3: Sauna schützt vor Erkältungen

Saunafans geben gern zum Besten, kaum oder nie erkältet zu sein. Doch die wissenschaftlichen Belege dafür sind eher schwach: Eine Studie der Universität Wien zeigte 1990, dass 25 Probanden, die sechs Monate lang regelmäßig in die Sauna gingen, deutlich seltener erkältet waren als die Kontrollgruppe. Wenn sie erkrankt waren, dann jedoch mit gleich schweren Verläufen. Es handelte sich allerdings um eine kleine Stichprobe und die Studienergebnisse wurden seitdem nicht noch einmal überprüft.

In einer Studie an immerhin 2.210 finnischen Männern im Alter von 42 bis 61 Jahren konnte der Mediziner Setor Kunutsor 2017 eine höhere Resistenz gegen Lungenentzündungen belegen und veröffentlichte seine Ergebnisse im Fachmagazin "Respiratory Medicine". Anhand der gleichen Stichprobe zeigten Kunutsor und seine Kollegen auch, dass Saunabaden Atemwegserkrankungen insgesamt vorbeugen kann (European Journal of Epidemiology).

Dass Saunagänge vor Erkältungen schützen, ist nicht ausreichend bewiesen. Bildrechte: Colourbox.de

Eine mögliche Erklärung für diesen Effekt ist die hohe Temperatur, der unser Körper dann ausgesetzt ist. Die Körperkerntemperatur steigt um knapp ein Grad Celsius. Die Schwitzphase ist wie ein künstliches Fieber und bewirkt möglicherweise auch dasselbe, was Fieber bewirkt: Die Aktivität von Immunzellen, die für die Infektabwehr wichtig sind, steigt. Auch das Abkühlen danach kann das Immunsystem stimulieren - durch den kurzfristigen Anstieg von Blutdruck, Kreislauf, Stoffwechsel und Atmung. All das hilft jedoch nur bei regelmäßiger Anwendung - also einmal pro Woche.

Guter Rat 4: Mit Sauna die Erkältung herausschwitzen

Auf keinen Fall! Wenn wir schon erkältet sind, hat unser Körper genug damit zu tun, die Rhinoviren zu bekämpfen. Saunagänge sind eine zusätzliche Belastung, vor allem für den Kreislauf und stehen damit unserer Genesung im Weg.

Guter Rat 5: Ab ins Bett

Stimmt! Im Schlaf kommen bestimmte Abwehrzellen, die T-Zellen, richtig auf Touren. Sie aktivieren bestimmte Rezeptoren, mit denen sie mit Viren befallene Zellen ausfindig machen, kapern und vernichten. Die Medizinerin Tanja Lange von der Universität Lübeck konnte gemeinsam mit Kollegen aus Tübingen in einer Studie belegen, dass sie besser arbeiten, wenn wir ausreichend schlafen. Dazu hatten sie zehn Frauen und fünf Männern mehrfach Blut abgenommen - tagsüber, nachts und während einer Nacht mit Schlafentzug. Das Blut, das von Schlafenden um zwei Uhr nachts gesammelt wurde, enthielt eine hohe Menge aktivierter Rezeptoren, mit denen T-Zellen jeweils ganz spezifisch befallene Körperzellen kapern. Blut, das um dieselbe Uhrzeit bei Schlafentzug gesammelt wurde, enthielt wesentlich weniger davon.

Dass Schlaf das Immunsystem beeinflusst, hatten auch vorherige Studien gezeigt. Laut einer Studie von 2009 erhöht Schlafmangel das Erkältungsrisiko. Forscher hatten 153 Probanden Nasentropfen mit Erkältungsviren gegeben. In der Gruppe der Menschen, die weniger als sieben Stunden schliefen, waren daraufhin dreimal mehr erkältet, als in der Gruppe mit mindestens acht Stunden Schlaf. Und: Wer erkältet (allein) im Bett bleibt, kann niemanden anstecken.

Guter Rat 6: Warmes Bier und Ingwertee mit Honig

Stimmt! Generell können warme und heiße Getränke das Husten und den Abfluss von Schleim erleichtern, das bestätigt auch die WHO (Weltgesundheitsorganisation). Honig wirkt darüber hinaus beruhigend auf Rachen und Bronchien. Das Ingwer hemmend auf Rhinoviren wirkt, ist nachgewiesen worden. Allerdings gibt es dazu keine umfassenden Studien.

Die ätherischen Öle und Bitterstoffe des Hopfens im Bier wirken beruhigend und schlaffördernd, was der Aktivität der T-Zellen zugute kommt. Experten raten allerdings zur alkoholfreien Variante. Alkohol schwächt das Immunsystem und entzieht dem Körper Wasser.

Guter Rat 7: Heiße Zitrone, Vitamin C und Zink

Mythos! Alle bisherige Studien zu Vitamin C-Präparaten zeigen eindeutig, dass die tägliche, vorbeugende Einnahme selbst hoher Dosen eine Erkältung nicht verhindern kann. Allerdings lässt sich damit die Krankheitsdauer geringfügig verkürzen, etwa um einen halben bis einen ganzen Tag. Um diese Wirkung zu erreichen, haben die Studien-Teilnehmer die Vitaminpräparate mehrere Jahre lang regelmäßig eingenommen.

Eine Ausnahme scheinen Extremsportler zu sein. Bei ihnen könnte die vorbeugende Einnahme von Vitamin C tatsächlich vor Erkältungen schützen. Dieser Effekt zeigte sich in einzelnen Studien an Marathonläufern oder Soldaten, die Winterübungen im Gebirge machten. Hatten sie zwei bis drei Wochen vor Beginn der körperlichen Extrembelastung mit der Vitamineinnahme begonnen, erkrankten sie nur halb so oft an einer Erkältung.

Von einer regelmäßigen und hochdosierten Einnahme von Zink raten Experten sogar ausdrücklich ab. Studien an infizierten Zellen in der Petrischale hatten zwar gezeigt, das Zink den Rhinoviren den Garaus machten, den Wirtszellen aber ebenso. Untersuchungen am lebenden Organismus gibt es bislang nicht. Belegt ist jedoch, dass es zu Nebenwirkungen wie Übelkeit kommen kann und Zink bei dauerhafter Einnahme sogar dem Immunsystem schadet. Es hemmt die Abwehrzellen.

Guter Rat 8: Nicht küssen!

Stimmt zum Teil. Durch "Reines Küssen" werden Rhinoviren kaum übertragen. Sie landen direkt im Magen und haben dort keine Überlebenschance. Doch Berührungen darüber hinaus können die Erreger durchaus auf den anderen übertragen. Gelangen sie dadurch an Nase oder Augen, steht ihnen der Weg in unseren Körper frei. Aber: Berührungen sind grundsätzlich auch heilsam, weiß Haptik-Forscher Martin Grunwald von der Universität Leipzig:

Wenn wir wohlgemeinte Berührungen wahrnehmen, dann ändert sich unser Blutdruck, unsere Herzfrequenz und die Atmung wird langsamer. Man kann sagen, dass wir eine Hausapotheke öffnen. Das Wohlfühlhormon Oxytocin wird ausgeschüttet und signalisiert uns: Alles ist gut.

Das Wohlfühlhormon Oxytocin wird ausgeschüttet und verdrängt seinen Gegenspieler, das Stresshormon Cortisol. Langfristig kann sogar das Immunsystem gestärkt werden, und das wiederrum verringert vielleicht eine Neuansteckung. Immerhin erkranken Erwachsene im Durchschnitt bis zu vier mal pro Winterhalbjahr an einer Erkältung.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | HAUPTSACHE GESUND | 17. Oktober 2109 | 21:00 Uhr

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