TechnologieübernahmeWie Jäger und Sammler zu Bauern wurden
Frühe moderne Menschen aus Anatolien brachten die Landwirtschaft nach Europa. Sie haben die bäuerliche Existenz offenbar selbst gelernt. Darauf deutet eine neue genetische Untersuchung aus Jena hin.
Wie lernte die Menschheit die Kunst der Landwirtschaft? Wo und wann wurden aus Jägern und Sammlern Bauern, die statt umherzuziehen an einem Ort blieben und dort Felder bestellten und Vieh hielten? Laut aktuellem Stand der Forschung lebten die ersten Bauern der Welt vor rund 11.000 Jahren in der Region des sogenannten Fruchtbaren Halbmonds. Die Gegend umfasst die heutigen Länder Irak, Syrien, Israel, Ägypten, Jordanien und Iran.
Wissenschaftler nahmen daher an, dass diese Bauern ihr Wissen durch Wanderung in benachbarte Regionen weiter verbreiteten. Eine neue genetische Untersuchung aus Jena kommt jetzt aber zu einem anderen Schluss. Demnach haben die Jäger und Sammler in der heutigen Türkei die Technologie der Landwirtschaft offenbar von ihren Nachbarn übernommen, ohne dass diese Nachbarn währenddessen selbst eingewandert sind.
5.000 Jahre genetische Stabilität
Ein internationales Team unter der Leitung des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte hat acht prähistorische Skelette untersucht und dabei unter anderem Genomdaten eines 15.000 Jahre alten anatolischen Jägers und Sammlers gewonnen. Ihre Daten verglichen die Wissenschaftler mit bereits zuvor vorhandenem Wissen über 587 prähistorische Individuen und 254 heutige Bevölkerungsgruppen.
Bei der Untersuchung zeigte sich: Die Bauern aus Anatolien stammten zu rund 90 Prozent direkt von den Jägern und Sammlern ab, die zuvor diese Region bewohnt hatten. Gegen 8.300 vor Christus hatte sich bei ihnen Landwirtschaft als Lebensgrundlage durchgesetzt. Später wanderten diese Bauern weiter ins übrige Europa und brachten dorthin ihre bäuerlichen Ernährungsstrategien. Heute stammt ein großer Teil der Europäer von diesen Anatoliern ab.
Während der Phase der Sesshaftwerdung in Anatolien selbst gab es aber offenbar kaum genetische Einflüsse von außen. Die Anatolier zeigten sich die Technologie der Landwirtschaft offenbar gegenseitig, ohne dass die Bauern aus der Nachbarregion, die den Ackerbau schon zuvor beherrschten, dafür in Anatolien einwanderten. "Dies deutet trotz veränderter Klima- und Ernährungsstrategien über fünf Jahrtausende auf eine langfristige genetische Stabilität in Zentralanatolien hin", sagt Michal Feldman, die Erstautorin der jetzt im Fachjournal "nature comunications" veröffentlichten Studie.
Einwanderung erst später
"Anatolien war ein Ort, an dem lokale Jäger und Sammler Ideen, Pflanzen und Technologien annahmen, die zu einem landwirtschaftlichen Lebensunterhalt führten", sagt Mitautor Choongwon Jeong, der ebenfalls am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena arbeitet.
Erst später, zwischen 7.000 und 6.000 vor Christus, wanderten offenbar Menschen aus der sogenannten Levante ein, der Region der heutigen Länder Israel, Palästina, Libanon und Jordanien. In welcher Forme die Menschen kamen, ob in kleinen Gruppen über eine lange Zeit oder in einzelnen, zahlenmäßig starken Bewegungen, ist aber noch ungeklärt.