EU-Agrarreform "Eine Katastrophe" für Umwelt und Landwirtschaft

23. Oktober 2020, 11:31 Uhr

Die einen sprechen vom „Systemwechsel", die anderen von „greenwashing". Gemeint ist die Agrarreform der europäischen Union. Diese Woche haben sich die EU-Landwirtschaftsministerinnen und -minister auf einen Vorschlag geeinigt. Heute (Freitag) stimmt das EU-Parlament über einen eigenen Vorschlag ab. An beiden Reform-Entwürfen gibt es viel Kritik. Auch aus der Wissenschaft.

Traktor auf Feld im Licht tiefer Sonne mit kargen Bäumen im Hintergrund und großer Staubentwicklung
Staubiger Felder beim Bewirtschaften: Trockenheit durch den Klimawandel macht der Landwirtschaft zu schaffen und die Landwirtschaft teilweise dem Klima. Bildrechte: imago images/blickwinkel

Wie so oft geht es ums Geld. Sehr viel Geld. 387 Milliarden Euro an Subventionen sollen in den nächsten sieben Jahren an die Landwirte fließen. Neu ist, dass ein Teil davon nur an landwirtschaftliche Betriebe gehen soll, die sich an Umweltmaßnahmen – die sogenannten Eco-Schemes halten. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner nannte das im Deutschlandfunk einen Meilenstein: "Es wird darum gehen – und das ist wirklich ein Systemwechsel, wie wir ihn noch nie hatten – dass es für Geldzahlungen aus Brüssel Bedingungen gibt. Und diese Bedingungen sind allgemeinwohlorientiert. Mehr Umweltschutz, mehr Klimaschutz."

Zahlung hängt von Größe der Betriebe ab

Die EU-Landwirtschaftsminister wollen, dass zwanzig Prozent des Budgets an diese Bedingungen gebunden werden, das EU-Parlament ist für dreißig. Beides ist Umweltverbänden nicht genug. Genauso sieht das auch Guy Peer, Ökologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig:

Es ist eine Katastrophe.

Guy Peer Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Und zwar deshalb, weil ein Großteil der Gelder weiterhin ohne Umweltauflagen an große Betriebe ausgeschüttet werde, sagt Peer. Und damit, so der Wissenschaftler, an die falschen Landwirtinnen und Landwirte. Die Zahlung hänge nämlich einzig und allein von der Größe der landwirtschaftlichen Fläche ab. "Wenn wir immer über die Unterstützung der Landwirte sprechen, aber diese Gelder kommen nicht zu diesen Landwirten, dann werden wir einfach weiter Landwirte verlieren. Wir sehen die ganze Zeit diesen Prozess, wo die Leute das Land verlassen und an jemand anderen verkaufen."

Guy Peer sieht in der Reform keine Verbesserungen, sondern eine Reihe von Verschlechterungen für Landwirtinnen und Landwirte sowie die Umwelt. Zwar soll ein Teil der Gelder an Umweltmaßnahmen gekoppelt werden, aber: "Der Teufel steckt im Detail. Wenn die Details von Anfang an – in einer sehr schlauen Form – nicht richtig sind, dann wird es einfach nicht funktionieren." Und genau das sei bei den Eco-Schemes, wie sie der Reformvorschlag der EU-Minister vorsieht, der Fall. Die Folgen: Biodiversitätsverlust, Dürre, Klimawandel" Auch darunter würden am Ende die Landwirtinnen und Landwirte leiden, so Peer.

Landwirtinnen und Landwirte abhängig von gesunder Umwelt

"Die Landwirte sind abhängig von Umweltaspekten. Sie brauchen Boden, sie brauchen Wasser. Wenn das Klima nicht passt – mit Klimawandel, mit Dürre und so weiter – können sie einfach nicht produzieren. Wir sprechen über ein echtes Problem, also der Sicherheit unserer Ernährung, aber das Problem liegt teilweise auch bei der Intensivierung von Landwirtschaft. Dafür brauche es eine komplett andere Agrarpolitik der Europäischen Union." Die Reformvorschläge von Ministerrat und EU-Parlament gehen laut Guy Peer daran vorbei.

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