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FanforschungFaszination Fußball: Wie wird man Fußballfan?

11. Juni 2021, 13:22 Uhr

Ob Sportschau, Fußball live im Radio, oder gleich ganz direkt dabei im Stadion: Warum können manche nicht ohne? Was macht die einen von uns zu Fußballfans, die anderen aber nicht? Und: Kann man Fußball lieben lernen?

von Angela Fischer

An ihren ersten Stadionbesuch erinnert sich Eva-Lotta Bohle noch genau: August 2003, zweite Bundesliga, Arminia Bielefeld gegen Rot-Weiß Oberhausen. Damals war Bohle fünf Jahre alt und ihr Vater nahm sie mit zum Spiel. Am Ende verlor Bielefeld 1:3. "Man ist ja kein echter Bielefeld-Fan, wenn man nicht mit einer Niederlage ins Fansein gestartet ist", lacht die heute 23-jährige Studentin. Noch immer schlägt ihr Herz für Arminia – mit allem was dazugehört: Dauerkarte, Bauchschmerzen am Spieltag und sogar einem eigenen Fußball-Podcast.

Vom Kind zum Fußballfan

Bei Eva-Lotta Bohle war es ihr Vater, der sie an den Fußball herangeführt hat. Der Klassiker, sagt Harald Lange, Professor für Sportwissenschaften an der Uni Würzburg: "Die Eltern, insbesondere die Väter bei der nachwachsenden Generation, tragen dafür Sorge, dass die Kinder dann irgendwann mal auch die 'richtigen' Vereinsfarben tragen." Die Basis für das Fansein wird also oft schon im Kindesalter gelegt, Lange zufolge meist im Grundschulalter.

Doch was ist, wenn der Zug dafür schon längst abgefahren ist? Kann man Fußball auch im Erwachsenenalter noch lieben lernen? "Ja, auf jeden Fall kann man dieses Fansein für sich entdecken", meint Fußballfan Eva-Lotta Bohle, "man muss dabei nur im Hinterkopf behalten, dass man sich nicht für alle Teile dieses Spiels und dieser Sportart interessieren kann." Nach dem Motto: Bin ich ein rationaler Typ, interessiert mich besonders die Taktik. Emotionale Menschen dagegen interessieren sich möglicherweise eher für die Geschichten hinter dem Spiel.

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Was Fans am Fußball so begeistert

Auch Fanforscher Harald Lange sagt: "Jeder hat mögliche Anker für sein Fansein. Und dieser Anker läuft meistens darauf hinaus, wenn ich eine Projektionsfläche für mich finde." Um Fußballfan einer Mannschaft zu werden, müsse man etwas finden, womit man sich identifizieren kann. "Das kann ein cooler Trainer, ein verrückter Vorstand oder aber auch die Struktur eines Vereins sein", so Lange.

Ein ähnliches Bild zeichnet auch eine Online-Befragung von Fußballfans der Universität Münster von 2019. Auf die Frage, warum sie Fans ihres Vereins geworden seien, führten die Befragten mitunter Heimatnähe, Familienmitglieder, die Fanszene oder das Vereinsimage als Grund an. Bei Eva-Lotta Bohle waren es die Fans, die sie begeistert haben, als sie mit fünf das erste Mal im Stadion saß.

Ich wusste nicht, was das bedeutet, dass es da Tausende von Menschen mit Fahnen und Flaggen und Trikots gab. Aber ich weiß, dass es mich fasziniert hat. Ich glaube, ich habe größtenteils eher die Tribünen beobachtet als das Spiel.

Eva-Lotta Bohle, Fußball-Fan

Erfolgsrezept Fußball: Einfach und telegen

Dem Institut für Demoskopie Allensbach zufolge interessieren sich mehr als 48 Millionen Menschen hierzulande für Fußball. So viele Menschen gaben an, dass sie einen bestimmten Verein mögen und auch seine Spiele verfolgen – womöglich aus den angeführten Gründen. Aber warum ausgerechnet Fußball? Warum versammelt sich halb Deutschland zur Fußball-EM vor dem Fernseher und guckt nicht etwa rhythmische Sportgymnastik?

Nils Havemann, Historiker an der Universität Stuttgart, nennt dafür zwei simple Gründe. Erstens: Fußball ist einfach. Es braucht nicht viel, um das Ganze zu verstehen oder selbst zu spielen. Laufen, Ball treten, wer ein Tor schießt, kriegt einen Punkt – fertig. Und zweitens: Fußball ist "telegen", so Havemann. "Schauen Sie sich mal an, wie heutzutage die Champions-League-Spiele präsentiert werden: mit Fanfare am Anfang und mit dem Einlauf der Mannschaften. Und man kann auf dem Feld genau beobachten, was passiert. Wenn Sie das mal vergleichen, zum Beispiel mit Tischtennis, wenn man das im Fernsehen überträgt, das ist viel zu schnell. Das ist fürs Auge kaum nachvollziehbar. Das ist im Fußball nicht der Fall."

Fußball bedient klassische Erzählmuster

Eine andere These lautet: Im Fußball stecken viele klassische Narrative drin, auf die wir alle anspringen – Freund und Feind, Helden, Erfolg und Tragödie. "Das ist eine fiktive Welt", bestätigt Sportwissenschaftler Harald Lange, "letztlich auch wie ein Spiel, auf das ich mich einlasse".

Und in dieser anderen Welt funktioniere alles vergleichsweise leicht, oder aber vergleichsweise schwer. "Wenn ich jetzt Fan von Schalke 04 bin, ist es mir in diesem Jahr extrem schlecht ergangen. Und da kann ich mich dann in solchen Phasen aber auch persönlich total auf die Probe stellen: Wenn ich am Ende des Jahres immer noch dabei bin und mich jetzt auf die zweite Liga freue, dann bin ich wahrhafter Fan, dann habe ich Treue bewiesen, dann habe ich all die Werte bewiesen, die ansonsten oft in unserer Gesellschaft fehlen."

Das Fußballspiel also als eine Art Schauplatz zum Emotionen erleben und ausleben. Da ist was dran, meint auch Bielefeld-Fan Eva-Lotta Bohle. "Natürlich fiebere ich mit der Mannschaft mit. Aber ich bin 90 Minuten lang nicht für das verantwortlich, was da rauskommt. Ich bin nicht die Person, die da 90 Minuten auf dem Platz steht, an 34 Spieltagen in der Saison, sondern da kann ich mal für 90 Minuten meine Verantwortung zu Hause lassen." Vom klassischen Heldennarrativ über einfache Spielregeln bis hin zu frühkindlicher Prägung – es ist also ein Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren, was viele von uns so für den Fußball begeistert.

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