Ein gelb-schwarz-gefiederter Gelbnacken-Laubenvogel sitzt einem grau-brauen Weibchen gegenüber.
Der männliche Gelbnacken-Laubenvogel kommt etwas farbenprächtiger daher als das Weibchen. Bildrechte: imago/UIG

Evolutionsbiologie Das merkwürdige Überleben auffälliger Männchen zur Paarungszeit

04. Juni 2019, 19:00 Uhr

Gene sind egoistisch, sagt eine neue Hypothese. Die geht der Frage nach: Wie konnte es nur soweit kommen, dass knallbunte Tropenvögelmännchen leichte Beute für Fressfeinde und trotzdem erfolgreich bei den Frauen sind.

Die Balz wird bei Menschen vor allem von den extrovertierten Männchen dominiert: Also die, die potenzielle Partnerinnen im Club wagemutig umtänzeln, einen Drink spendieren oder ein aufregendes Gefieder tragen, einen Smoking etwa.

Der extrovertierte Gentleman hat einen betörenden Gesang (zumindest aber einen überzeugenden Redefluss) und strahlt vor Selbstbewusstsein über beide Stehkragenseiten hinaus. Der stille, unsichtbare Zeitgenosse hat weitaus geringere Chancen, wahrgenommen zu werden, obwohl man ihm nachsagen könnte, dass sich hinter der Zurückhaltung auch wohlüberlegtes Handeln und damit Alltagstauglichkeit verbirgt. Denn nicht die Zielscheibe zu sein, ist gut fürs Überleben.

Glänzender Fraß

Ganz ähnlich im Vogelreich: Der tropische Goldlaubenvogel aus Neuguinea bewirbt und betört Weibchen durch sein farbenprächtiges Federkleid. Nur, dass sich eine rot-gelb-leuchtende Färbung nicht gerade eignet, um im Regenwald gegenüber Fressfeinden möglichst unsichtbar unterwegs zu sein. Irgendwie müssen es die Leuchtvögel aber geschafft haben, zu überleben.

Dass Weibchen solche Männchen bevorzugen, sei ein großer Widerspruch, schreibt der Havard-Biologe Pavitra Muralidhar im Fachblatt Nature. Und hat sich eine neue Erklärung überlegt: Da es irgendetwas zu geben scheint, dass diese Männchen von anderen unterscheidet, sorgen die Weibchen dafür, dass deren Erbgut weiter gegeben wird. Auch wenn diese in freier Wildbahn nicht die besten Chancen haben, bei Fressfeinden davonzukommen. Und die Männchen können nichts dagegen tun, denn es läuft über ein Chromosomen im Erbgut, dass sie gar nicht besitzen.

Es gibt im Grunde zwei verschiedene Theorien, wie sich Präferzenzen für bestimmte Männchen im Laufe der Evolution durchsetzen. Zum einen die direkte Selektion: Wenn sich ein Männchen dadurch als ein guter Fang fürs Weibchen erweist, weil es in der Fürsorge für die Nachkommen punktet, wird sich das Weibchen – sofern es monogam unterwegs ist – den eher unauffälligen Konterpart auswählen. Denn ein Männchen, dass von Raubtieren gefressen wird taugt nichts, um Kinder großzuziehen. Schlussendlich kommen die Männchen durch, die diese Eigenschaften besitzen.

Gutes Immunsystem, schlechtes Gefieder?

Das funktioniert auch indirekt: Wenn ein Männchen Gene besitzt, die für ein starkes Immunsystem sorgen, aber diese Gene auch dazu führen, dass es besondere äußere Merkmale besitzt – zum Beispiel eine helle Farbe –, machen die Weibchen einen guten Fang, die auf die helle Farbe stehen: Sie sorgen für gesündere Nachfahren. Gleichzeitig geben sie die Präferenz für die helle Farbe mit. Restlos bewiesen ist das allerdings nicht.

Der große Auftritt des Laubenvogels:

Auf der einen Seite ist das äußerliche Merkmal also von Vorteil, weil was Tier ein größeres Talent hatte, zu überleben. Auf der anderen Seite kann es sich schlechter vor Raubtieren schützen. Evolutionär gesehen heißt das: Eine gute und eine schlechte Eigenschaft heben sich auf und am Ende ist sie für das Fortbestehen unerheblich. Wie also kann es sein, dass der männliche Goldlaubenvogel so herrlich leuchtet, obwohl das für ihn gefährlich ist?

Egoistische Spielchen

Weil Gene ganz schön egoistisch sein können, findet Pavitra Muralidhar. Schauen wir unser Erbgut an: Während bei Menschen Frauen zwei X-Chromosome haben und Männer ein X- und ein Y-Chromosom, ist es bei Vögeln umgekehrt. Die unterschiedlichen Chromosomen sind dort W und Z. Von denen haben Weibchen jeweils eins, Männchen dafür zwei Zs. Wenn sich ein Gen, das die Partnerwahl beeinflusst, auf einem W-Chromosomen befindet, dann wird dieses Gen auch stets nur an die Weibchen weitergegeben. Männchen und deren Evolutionsgeschichte können nichts tun, auch wenn sich die grelle Farbe für sie als gar nicht so vorteilhaft herausstellt. Besonders dieses W-Chromosom soll für diese egozentrische Nummer geeignet sein.

Auch bei anderen Arten gibt es Hinweise darauf, dass Gene die Paarungsvorzüge beeinflussen. Bewiesen ist allerdings nichts und noch sind viele Fragen offen. Zum Beispiel, dass bei der Wahl eines Männchens mit nicht ganz so schönem Gefieder immerhin die Überlebenschancen für die Nachkommen größer sind.

Und so ist's ja auch bei den Menschen: Die feine Laberbacke im Smoking hat unterm Strich die gleichen Überlebenschancen wie der introvertierte Eckensitzer. Kommt eben nur drauf an, auf welches Weibchen sie treffen.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | THÜRINGEN JOURNAL | 22. Juni 2018 | 19:00 Uhr