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Extrem-Expedition "MOSAIC""Polarstern" zur Eisreise aufgebrochen

21. September 2019, 08:39 Uhr

Angedockt an eine Eisscholle will der Eisbrecher "Polarstern" durch die Arktis driften. Exzellente Vorbereitung ist alles, denn das Forschungsschiff wird ein Jahr lang unterwegs sein. Material nachschicken zu lassen geht nicht: Die Route ist nicht planbar, der Motor wird abgestellt, "Kapitän Natur" übernimmt dann das Ruder.

Lief 1981 in Kiel vom Stapel und hat seither zahlreiche Expeditionen hinter sich: Das Forschungsschiff Polarstern. Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut/ Stefanie Arndt

Aufbruch in die größte Arktis-Expedition aller Zeiten: Der Forschungseisbrecher Polarstern ist am Freitag im norwegischen Tromsø in See gestochen und überwintert dann im Nordpolarmeer, angedockt, beziehungsweise eingeschlossen von einer Eisscholle, in der das Schiff dann durchs Nordmeer driftet. Mit an Bord sind auch Atmosphären-Forscher des Leipziger TROPOS-Instituts wie Professor Andres Macke. Er ist auf dem 4. Fahrtabschnitt Co-Fahrleiter und wird dann mit einem Partner zwei Monate lang das wissenschaftliche Arbeitsprogramm leiten.

Natur statt Normen - Abwägen statt Routinen

Wo genau ans Eis angedockt wird, entscheidet das Expeditionsteam erst unterwegs. Auf der Eisscholle werden feste Messungsstationen eingerichtet, an denen Daten gesammelt werden. Nicht jede Eisscholle eignet sich dafür, theoretisch müsste zum Beispiel ihr Eis mindestens 1,20 Meter dick sein. Forschungsleiter Markus Rex bezweifelt, dass man diese optimalen Bedingungen tatsächlich vorfinden wird - Satellitenbilder lassen vermuten, dass das Eis derzeit nur 80 cm dick ist: "Dann müssen wir einen Kompromiss eingehen", sagt der Forscher.

Die Polarstern hat etliche Expeditionen hinter sich, aber keine so extreme wie die "MOSAIC" Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks

Das ist Teil einer solchen Expedition. Weg von Routinen-Abläufen im sicheren Hafendock hin zu dem, was die Expedition ausmacht, zum Beispiel die Anpassung an die Bedingungen der Natur vor Ort: Schneestürme, minus 45 Grad, die monatelange Polarnacht. Ob dann zum Beispiel das Eis exakt so dick ist wie erhofft oder die Landebahn für die Versorgungsflugzeuge die optimalen 1.100 Meter lang ist, wird sich zeigen - und auch, welche Abstriche die Forscher machen, auf welche Einfälle der Natur sie reagieren müssen.

Wonach genau suchen die Forscher der "Polarstern"?

Anhand der Daten, die während der Eisreise zusammentragen werden, sollen die Auswirkungen des Klimawandels genauer erklärt und abschätzbar werden. So wissen wir zwar, dass die Eisdecke der Arktis jedes Jahrzehnt um 2,8 Prozent schmilzt. Aber welche Austauschprozesse gibt es eigentlich zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre?

Meereis-Physiker sammeln Daten während einer früheren Expedition Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut/Stefan Hendricks
Forscher Markus Rex auf einer früheren Expedition Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut

Ganz konkret rückt das Forschungsteam die Physik des Meereises und der Schneeauflage, Prozessen in der Atmosphäre und im Ozean, sowie biogeochemischen Kreisläufen und dem Ökosystem der Arktis auf den Pelz. Expeditionsleiter Markus Rex sagt, das, was in der Arktis passiere, bleibe nicht im hohen Norden: "Die Klimaentwicklung bei uns hängt entscheidend vom Wettergeschehen in der Arktis ab."

Ist "Mosaic" die erste Drift-Expedition?

Fridtjof Nansen Bildrechte: imago/Leemage

Die "Polarstern" mit der Mission "MOSAIC" ist nicht das erste Schiff, das mit dem Eis der Arktis driften will. Schon die Norweger Frijdjof Nansen und Roald Amundsen hatten zwischen 1893 bis 1896 ihr Schiff "Fram" an einer Eisscholle angedockt. Ihre Expedition wurde damals von einem britischen Süßwarenfabrikant mit Nahrungsmitteln für die Fahrt durch das Meereis zum Nordpol unterstützt. Die Firma versorgte die Forscher mit 680.389 kg Proviant - und warb mit Fotos von Nansen für einen dampfend-heißen Kakaotrunk.

Die aktuelle Arktisexpedition ist da ganz anders aufgestellt: Die Kosten für das 120-Millionen-Euro-Projekt trägt das Bundesforschungsministerium. Insgesamt sind 600 Menschen aus 17 Nationen beteiligt, im Schnitt sind immer etwa 100 Personen auf dem Schiff. Keiner an Bord muss einen Schiffskoller fürchten, denn das Personal wird unterwegs ausgetauscht, ein Chirurg ist mit an Bord und selbst im schlimmsten Fall dauert es höchstens vier Tage, bis jemand in eine Klinik geflogen werden kann.

Service:

Dieses Thema im Programm:MDR aktuell | Radio | 20. September 2019 | 12:00 Uhr