HADES-Experiment Neutronensterne verschmelzen bei 800 Milliarden Grad

24. August 2019, 05:00 Uhr

Kollisionen von Neutronensternen gehören wohl zu den spektakulärsten Ereignissen im Universum. Stoßen sie zusammen, entstehen extreme Zustände. Wie extrem, zeigen Ergebnisse des Langzeit-Experiments HADES: Die Temperatur des Systems, das bei so einer Kollision entsteht, liegt demnach bei unglaublichen 800 Milliarden Grad Celsius. Damit zeigt das HADES-Team, dass diese Fusionsvorgänge offenbar wirklich die kosmischen Küchen für das Verschmelzen schwerer Kerne sind.

Es kommt extrem selten vor, dass zwei Neutronensterne kollidieren. Wenn doch, können chemische Elemente entstehen, Gold zum Beispiel. Direkt beobachten lässt sich sowas nicht, es ist Schätzungen zufolge in unserer Galaxie - also der Milchstraße - noch nicht einmal vorgekommen. Dennoch konnte ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der TU München erstmals die Temperatur berechnen, die bei so einer Sternenkollision herrscht.

Dafür haben sie die entstehende thermische elektromagnetische Strahlung im Labor gemessen - die sogenannte Schwarzkörperstrahlung. Die Untersuchung war Teil des Langzeit-Experiments HADES, bei dem seit 1994 mehr als 110 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kosmische Materieformen untersuchen. Ihre Ergebnisse haben die Forscher im Fachmagazin Nature Physics veröffentlicht.

Simulation der elektromagnetischen Strahlung

Aber wie kann man die Temperatur eines Vorgangs messen, den man gar nicht beobachten kann?

Der HADES-Detektor von Innen: Das Innere einer technischen Anlage mit vielen Leuchten und Kabeln. Ein Mann im blauen T-Shirt schraubt etwas daran.
Der HADES-Detektor am GSI von Innen. Bildrechte: J. Hosan/GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung GmbH

Dazu haben sich die Forscher die Tatsache zunutze gemacht, dass Dichte und Temperatur der Fusionsprozesse von Neutronensternen denen bei der Reaktion von Schwerionen entsprechen. Im Schwerionenbeschleuniger des Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt haben sie die Bedingungen einer Sternenkollision dann einfach auf mikroskopischer Ebene nachgestellt.

Beim Zusammenstoß von Neutronensternen - wie auch bei Schwerionen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen - entsteht elektromagnetische Strahlung. Die besteht unter anderem aus sogenannten virtuellen Photonen, die nach einem kurzen Moment wieder zerfallen, so die Forscher. Bei den Experimenten mit den Schwerionen sei es allerdings eine Herausforderung gewesen, die zu erzeugen. Sie entstünden einfach sehr selten.

Wir mussten etwa drei Milliarden Kollisionen aufzeichnen und analysieren, um schließlich 20.000 messbare virtuelle Photonen zu rekonstruieren.

Dr. Jürgen Friese, Technische Universität München

HADES-Experiment Das HADES-Experiment ist ein Langzeit-Experiment. Es dient der Erforschung von Atomkernen und ihren Bausteinen. Um der Quantenphysik einige ihrer Geheimnisse zu entlocken, sollen Eigenschaften der Kernbausteine - der Nukleonen - aufgespürt werden.

Den Forschern der TU München macht es Messungen an sogenannten Seltsamen Teilchen möglich, die Hypothesen zufolge nur im Kern von Neutronensternen vorkommen.

Kleine Teilchen - riesige Digitalkamera

Und dann mussten die kurzlebigen Protonen ja auch noch aufgespürt werden. Dazu haben die Forscher extra eine eineinhalb Quadratmeter große Digitalkamera entwickelt. Damit haben sie schließlich die Kollisionszone beobachtet. Die Kamera zeichnet den sogenannten Tscherenkow-Effekt auf, so die Forscher. Demnach erzeugen die Zerfallsprodukte der virtuellen Photonen bestimmte Lichtmuster.

Das Innere einer technischen Anlage mit vielen Leuchten und Kabeln - an der Seite blickt ein Man mit rotem Helm hinein.
Mit einer speziellen Digitalkamera ermöglicht das HADES-Detektorsystem die Untersuchung von Atomkernen unter hohem Druck, so wie er auch bei einer Supernova entsteht. Bildrechte: Thomas Ernsting / GSI

Das Licht sei jedoch extrem schwach. "Die Kunst bei unserem Experiment lag also darin, die Lichtmuster zu finden", sagt Friese. Da man sie mit bloßem Auge ohnehin nicht erkennen könne, hätten sie ein Verfahren zur Mustererkennung entwickelt. Das rastert ein Foto aus 30.000 Pixeln in wenigen Mikrosekunden ab, erläutert Friese. "Ergänzend nutzen wir neuronale Netze und Künstliche Intelligenz." So ist es ihnen schließlich gelungen, die Wärmestrahlung komprimierter Materie im Labor zu rekonstruieren und zu analysieren.

Die Wissenschaftler konnten nun ausrechnen, wie hoch die Temperatur eines neuen Systems ist, das bei einer Sternenkollision entsteht. Und die klingt ziemlich unglaublich: 800 Milliarden Grad heiß wird es bei einer Neutronenstern-Verschmelzung. Damit will das HADES-Team auch gezeigt haben, dass diese Fusionsvorgänge tatsächlich die kosmischen Küchen sind, in denen schwere Kerne miteinander verschmelzen können.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 20. Januar 2019 | 22:20 Uhr