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Ein Faktencheck gegen Fakenews bei Facebook: Bilder und Fakenews von umstrittenen Quellen werden vom Betreiber jetzt von unabhängigen Faktenprüfern geprüft bevor man sich das Foto ansehen kann. Eine Studie aus Jena zeigt, dass solche Maßnahmen gut wirken, wenn sie frühzeitig umgesetzt werden. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO / MiS

Covid-19 und TwitterFakenews-Pandemie: Fakt-Checking besser als Löschen

16. August 2021, 16:24 Uhr

Jenaer Forscher haben die Verbreitung einer Falschnachricht über Covid-19 im Frühjahr 2020 bei Twitter untersucht und festgestellt: Die Ausbreitung verläuft nach ähnlichen Mustern wie die Verbreitung von Sars-CoV-2.

von Clemens Haug

  • Jenaer Forscher haben die Verbreitung einer Falschnachricht über Corona bei Twitter mit einem Modell zur Ausbreitung von Infektionskrankheiten nachgestellt.
  • Ergebnis: Das Modell der Epidemie kann gut vorhersagen, wie stark sich das Gerücht verbreiten wird und wann es wieder verschwindet.
  • Die Forscher haben auch die Wirkung zweier Gegenmaßnahmen simuliert.
  • Aufklärung durch Faktenchecks wirkten demnach sehr stark, aber nur zu Beginn der Ausbreitung.
  • Löschen wirkte nur moderat, allerdings auch noch zum Höhepunkt der Verbreitung.

Angeblich sei die Corona-Pandemie durch den Ausbau der 5G-Mobilfunknetze ausgelöst worden – diese Behauptung, zu der es keinerlei wissenschaftlich nachprüfbare Belege oder Grundlagen gibt, verbreitete sich ab Januar 2020 im sozialen Netzwerk von Twitter, erreichte im April 2020 die maximale Verbreitung und verschwand dann im Juni 2020 wieder.

Forscher aus Jena haben die Ausbreitung der Falschnachricht mit einem epidemiologischen Modell zur Ausbreitung von Infektionen nachgebildet und den Effekt von Gegenmaßnahmen untersucht. Ergebnis: Gegeninformationen in der Form von Fakten-Checks hätten die Ausbreitung der Falschnachrichten in der Frühphase stoppen können, wurden später aber immer wirkungsloser. Tweets zu löschen hingegen hatte nur einen moderaten Effekt, funktionierte aber während der gesamten Verbreitung, berichtet das Team um die Psychologen Julian Kauk und Helene Kreysa im Journal Plos One.

Falschnachricht zog echte Zerstörung nach sich

Die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist nach Überzeugung vieler Forscher zu einem ersten Problem für die Menschheit geworden. Die WHO beklagt im Zusammenhang mit Fakenews über das Coronavirus und seine Ausbreitung eine Infodemie. Zwar gebe es noch keine Studien zu dem Schaden, den Falschnachrichten im Lauf der Pandemie angerichtet hätten. Die Autoren halten es aber für plausibel, dass Falschnachrichten die Eindämmung des Virus erschwert haben.

Im Fall des Gerüchts, 5G sei verantwortlich für die Ausbreitung des Coronavirus, kam es zu tatsächlichen Schäden. Über 70 Mobilfunkstationen seien im Vereinigten Königreich zerstört worden, nachdem die Falschnachricht den Höhepunkt ihrer Verbreitung erreicht habe, schreiben Kauk und Kreysa in ihrer Studie.

Von Falschnachrichten durch Vergessen geheilt

Um die tatsächliche Verbreitung des Gerüchts nachzuvollziehen, simulierten die Autoren die Weitergabe mit einem angepassten SIR-Modell aus der Epidemiologie. Solche Modelle teilen die Bevölkerung in die drei Gruppen ein, 'Empfänglich für eine Ansteckung', 'Infiziert' und 'Nicht mehr ansteckbar durch Immunität oder Tod' und berechnen dann, wie die Verbreitung von beispielsweise Viren verläuft.

Kauk und Kreysa passten ihr Modell an, wobei sie davon ausgingen, dass eine "Immunität" gegen die Falschnachricht entweder entstehen kann, wenn sie weitergegeben, dann aber das Interesse verloren und die News vergessen wurde. Oder, dass richtige Informationen Empfänger "impfen" können, wobei auch berücksichtigt werden müsse, dass nicht alle Nutzer für eine solche Aufklärung empfänglich seien.

Höhepunkt der tatsächlichen Ausbreitung stärker, als vom Modell vorhergesagt

Danach analysierten die Psychologen den Ausbreitungsverlauf der Falschnachricht mit Hilfe einer Datenbank, die regelmäßig die Verbreitung von Hashtags auf Twitter verfolgt und speichert. Auf diese Weise konnte zwar nicht jeder einzelne Tweet zu 5GCorona berücksichtigt werden. Es sei aber anzunehmen, dass die Dynamik der Verbreitung korrekt abgebildet werde.

Es zeigte sich, dass das SIR-Modell die tatsächlich beobachtete Ausbreitungsdynamik relativ zuverlässig abbildete. Zwar sei der extreme Höhepunkt im April nicht vorhergesagt worden und auch verschiedene beobachtete wiederholte Ausbrüche seien erklärungsbedürftig und verlangten eine weitere Verbesserung des Modells. Aber grundsätzlich habe die epidemiologische Rechnung die Verbreitung der Falschnachricht korrekt abgebildet.

Nicht alle Nutzer nehmen Aufklärung an

Die Autoren verglichen dann zwei Eingriffe und ihre Effekte auf die Ausbreitungsdynamik und auch die Kombination beider Ansätze. Im Fall von Faktenchecks nahmen die Forscher an, dass Nutzer durch das vorherige Informieren über die nachweisbaren Fakten immunisiert werden können, beispielsweise, dass die beobachtete Ausbreitung des Virus anders erklärbar ist oder dass Wissenschaftler Hinweise auf einen Zusammenhang zu 5G geprüft hätten, aber keine Belege finden konnten. Dabei gingen die Forscher davon aus, dass nicht alle Nutzer solche Gegeninformationen glauben und dass auch nicht alle Nutzer rechtzeitig davon erreicht werden können. Bei Löschungen würden Moderatoren immer wieder Tweets aus der Verbreitungskette herausnehmen.

Im Ergebnis zeigte sich, dass vor allem Gegenaufklärung sehr effektiv war, je früher damit begonnen wurde. Löschen hingegen hatte nur einen moderaten Effekt, verlor diesen aber nicht bei einem späteren Einsatz. Angesichts der Schwierigkeit, die Verbreitung von Falschnachrichten frühzeitig zu bemerken, sei in der Wirklichkeit wahrscheinlich eine Kombination beider Ansätze notwendig, schreiben die Forscher.

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