Vom Uniprojekt zur App Das Bild hängt schief: Nun kann man es auch hören

16. September 2021, 15:05 Uhr

Ein schiefes Bild kann einen ganz schön stören. Man sieht es und will es geraderücken. Dasselbe bei einem schräg angebrachten Wandregal. Master-Studierende der Universität Bremen haben nun eine digitale Wasserwaage entwickelt, mit der man die Schieflage nicht nur sehen, sondern auch hören kann. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei Parkassistenten im Auto.

Spätestens seit Loriot wissen wir: Ein schiefes Bild stört uns so sehr, dass wir es geraderücken müssen. Doch Loriot wäre nicht Loriot gewesen, wenn er dadurch nicht mehr Chaos angerichtet hätte. Master-Studierende der Universität Bremen haben nun eine App entwickelt, mit der man schiefe Bilder auch akustisch messen kann: Ob ein Bild oder Objekt schief ist, ist also nicht nur zu sehen, sondern auch zu hören. (Nicht auszudenken, wie der Sketch dann ausgegangen wäre!)

Ein wenig erinnert das an Situationen, die wir alle kennen. Stellen Sie sich vor, ein Regal an die Wand zu halten und jemand steht dabei auf einer Leiter und legt eine Wasserwaage auf das Regal. Nun müssen Sie dessen Worten folgen, doch wie oft ist es bereits passiert, dass man links ein wenig höher halten soll und dann doch zu hoch hält? "Höher. Noch höher. Zu hoch. Noch ein bisschen", so könnte die Gesprächssituation ablaufen.

Mann arbeitet mit Wasserwaage
Mit einer klassischen Wasserwaage kann man Dinge nur visuell vermessen. Eine neue App von Studieren bietet nun eine akustische Wahrnehmung der Schieflage. Bildrechte: IMAGO / Panthermedia

Eine akustische Wasserwege für das Smartphone

Stattdessen legen Sie ihr Smartphone einfach auf das Regal und hören in Echtzeit, wo sie nachjustieren müssen. Dabei nutzt die App "Tiltification" die Techniken, die ohnehin schon im Smartphone verbaut sind, erläutert der Projektleiter Dr. Tim Ziemer vom "Bremen Spatial Cognition Center" (BSCC, engl. Bremer Zentrum für räumliche Kognition) der Universität:

Neben einer grafischen Darstellung teilt Tiltification die beiden Winkel des Handys auch per Klang mit!

Tim Ziemer, Projektleiter

Die verwendete Methode wird "psychoakustische Sonifikation" genannt und beschreibt die Darstellung von Information in Klängen und nicht visuell. Wobei die App beides leistet. Eine solche Informationsvermittlung kennen Sie selbst bestimmt auch aus ihrem Privatleben:

Eine primitive Form der Sonifikation kennt man vielleicht aus dem akustischen Parkassistenten des Autos, der mitteilt, wie weit das nächste Hindernis entfernt ist.

Tim Ziemer, Projektleiter

Dass die psychoakustische Sonifikation nicht nur eine Spielerei sein soll, zeigt Ziemer anhand der möglichen Anwendung für beispielsweise die Chirurgie. Die Sound-Informationen könnten dabei helfen, Chirurgen durch minimalinvasive Operationen zu navigieren. Doch zurück zur App.

Der Selbsttest

Nicht nur visuell, sondern auch akustisch die Dinge „geraderücken“: Studierende der Universität Bremen haben die App "Tiltification" entwickelt, die auf die psychoakustische Sonifikation setzt.
Tiltification - die App zeigt, dass Dinge schief sind und macht das auch akustisch klar. Bildrechte: Varun Raval / Universität Bremen

Im Selbsttest zeigt sich, dass die App schnell gefunden und sowohl für Android- als auch iOS-Geräte verfügbar ist. Den App-Store aufrufen, Name eingeben, draufklicken und downloaden. Die Anwendung ist knapp 25 Megabyte groß. Nach dem Öffnen der App gibt es noch ein paar Hinweise, dann öffnet sich der Anwendungsbildschirm. Hier erscheint zunächst eine visuelle Darstellung. Mein Schreibtisch ist um ein bis zwei Grad schief. Doch es gibt keinen Sound.

Links unten ist das Soundsymbol durchgestrichen. Ein Klick und ein piepsender und rauschender Sound ertönt. Nicht gerade angenehm. Nun nehme ich mein Smartphone in die Hand und wende es ein wenig. Je nachdem, wie ich es halte, erklingt ein anderer Sound. Eigentlich recht intuitiv. "Man muss es", wie Ziemer erklärt "nur zulassen und seine Ohren nicht davor verschließen."

Und tatsächlich: Irgendwie gewöhnt man sich an die psychoakustische Sonifikation der App. Um die Löcher für das nächste Regal in die Wand einzuzeichnen, brauche ich auf keine andere Person mehr warten – zumindest aus pragmatischen Gründen. Auf den gemeinsamen Kaffee und Schnack möchte ich dennoch nicht verzichten.