Astronomie "Vertriebener Asteroid" am Rande des Sonnensystems entdeckt

14. Mai 2019, 15:27 Uhr

Er enthält Kohlenstoff, der Asteroid 2004 EW95. Was das so besonders macht: Er ist der erste nachgewiesene kohlenstoffhaltige Asteriod im Kuipergürtel und damit offenbar ein Relikt aus der Frühzeit unseres Sonnensystems.

Am Anfang - vor 4,5 Milliarden Jahren - ging es in unserem Sonnensystem ziemlich chaotisch zu. Die Sonne bildete sich, die Planeten wurden geformt - und auch kleinere Objekte wie Asteroiden und Kometen. Diese haben sich in Asteroidengürteln wie dem zwischen Mars und Jupiter versammelt und im Kuipergürtel, benannt nach dem US-amerikanischen Astronomen Gerard Peter Kuiper. Das ist ein flacher Ring, der von der Sonne aus gesehen hinter dem Neptun liegt und geschätzt 70.000 Objekte enthält, deren Durchmesser größer als 100 km sind. Wie viele kleinere noch dazukommen, weiß niemand genau.

Und in diesem Kuddelmuddel an interstellaren Objekten ist den Mitgliedern eines international besetzten Forscherteams einer besonders aufgefallen: Asteroid 2004 EW95. Bei Routinebeobachtungen mit dem NASA/ESA Hubble Space Telescope, die der britische Astronom Tom Seccull durchführte, fiel auf: Der Asteroid reflektierte andere Anteile des Lichts als seine Nachbarn, was auf eine andere chemische Zusammensetzungen hinwies.

Das Reflexionsspektrum von 2004 EW95 unterschied sich deutlich von den anderen beobachteten Objekten des äußeren Sonnensystems. Es sah so seltsam aus, dass wir es uns unbedingt genauer ansehen mussten.

Tom Seccull, University Belfast

Mit dem Very Large Telescope gingen die Forscher aus Großbritannien, Deutschland, den USA und Chile dann auf die Suche. Das Ergebnis: Asteroid 2004 EW95 enthält Eisenoxid - das, was den Rost rot macht- und Phyllosilikate, Mineralien, wie sie auch in der Erdkruste vorkommen. Außerdem weist der Asteroid eine schwarze Oberfläche auf, was auf Kohlenstoff schließen lässt. Das Vorhandensein dieser Materialien war so noch nie zuvor in einem so weit entfernten Objekt des Kuipergürtels bestätigt worden. Es legt nahe, dass sich 2004 EW95 im inneren Sonnensystem gebildet hat - wahrscheinlich im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter. Laut Tom Seccull erklärt die heutige Lage von 2004 EW95 in den eisigen Außenbereichen des Sonnensystems, dass er in der Frühzeit des Sonnensystems von einem migrierenden Planeten in seine gegenwärtige Umlaufbahn geschleudert wurde.

Bestätigung für chaotische Zeiten

Der Fund ist deshalb bedeutsam, weil er die aktuellen Modelle belegt, die Forscher über die Entstehung des Sonnensystem entwickelt haben. So besagen die sogenannte Grand-Tack-Hypothese und das Modell von Nizza, dass in der chaotischen Frühzeit unseres Systems die vier Gasriesen (Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun) zuerst nach innen Richtung Sonne und dann nach außen gewandert sind. Dabei haben sie Objekte aus dem inneren Sonnensystem gestört und verstreut - und 2004 EW95 in den Kuipergürtel geschleudert. Dass uns der Asteroid gefährlich werden könnte, wie zuletzt "Bennu", brauchen wir nicht zu fürchten: 2004 EW95 zieht laut der Forscher gemächlich in etwa vier Milliarden Kilometern Entfernung seine Bahnen am Rande unseres Sonnensystems.

Dieses Thema im Programm: MDR SPUTNIK | SPUTNIK Tagesupdate | 19. März 2018 | 18:50 Uhr