Auf Kollisionskurs zur Erde Raketen-Hammer gegen Mega-Asteroiden

24. März 2018, 06:30 Uhr

Sie haben die Dinosaurier ausgerottet, das Klima verändert und gewaltige Krater hinterlassen: Asteroiden. 1.885 "potentiell gefährliche Objekte" kennen Astronomen aktuell. Weltweit suchen Forscher nach Abwehrstrategien. Die Zeit drängt. Ein 500-Meter-Brocken namens "Bennu" bereitet besondere Sorgen. Raketen und Impactoren sollen die Menschheit schützen. Und sogar die nukleare Explosion gilt als Option.

Er misst 500 Meter im Durchmesser, wiegt 79 Millionen Tonnen und rast mit über 100.000 Kilometern in der Stunde auf die Erde zu. "Bennu" ist das, was Experten ein PHO nennen, ein "potentially hazardous object", also ein potentiell gefährliches Objekt. Der Asteroid fliegt unterhalb der zwanzigfachen Erde-Mond-Entfernung an uns vorbei und ist derartig groß, dass er im Falle einer Kollision auf der Erde einen nachhaltig schweren Schaden anrichten kann.

80.000 Hiroshima-Bomben

Dort, wo "Bennu" in die Erdoberfläche kracht, wird auf einen Schlag die kinetische Energie von 80.000 Hiroshima-Bomben freigesetzt.

Was dabei geschieht, kann man sich anhand der Geschichte des Barringer-Kraters in Flagstaff/Arizona zusammenreimen. Dort schlug vor 50.000 Jahren ein Asteroid ein, der gerade mal ein Zehntel des Durchmessers von "Bennu" hatte, lediglich 300.000 Tonnen wog und mit "nur" 40.000 Kilometern pro Stunde in die Erdoberfläche krachte. Das reichte immerhin, um 175 Millionen Tonnen Gestein wegzuschleudern, ein Erdbeben auszulösen, im Umkreis von vier Kilometern sofort jede Form von Leben auszulöschen, einen zehn Kilometer dicken Feuerball und eine Druckwelle zu erzeugen, die im Umkreis von über 20 Kilometern alles verwüstete und noch in 40 Kilometern als Hurrikan daherkam.

Entfernung geringer als zum Mond

Welche katastrophalen Folgen es hätte, wenn der zehnmal so dicke, 263-mal so schwere und mehr als doppelt so schnelle "Bennu" in die Erdkruste einschlägt, kann man sich leicht ausmalen.

Die gute Nachricht ist aber: "Bennu" wird uns nach den Berechnungen der Asteroiden-Forscher erst am 25. September 2135 gefährlich nahekommen, also erst in über 100 Jahren. Zudem liegt die Wahrscheinlichkeit einer Kollision mit der Erde derzeit lediglich bei 1:2700. Allerdings würde der Asteroid nach aktueller Lage immer noch näher an unserem Planten vorbeifliegen als unser eigener Mond. Also in einer Entfernung von weniger als 350.000 bis 370.000 Kilometern, was für astronomische Verhältnisse sehr, sehr nah ist. US-Astronomen hatten deshalb bereits vor zwei Jahren die Befürchtung geäußert, der knappe Vorbeiflug könnte die Flugbahn des Riesen-Brocken derart verändern, dass er im späteren Verlauf des 22. Jahrhunderts endgültig mit der Erde kollidieren würde.

1.885 potentiell gefährliche Objekte

Noch viel Zeit, um seine Rente zu verprassen, könnte man meinen. Doch "Bennu" ist zwar noch fern, aber er ist nicht allein. Mehr als eine halbe Million Asteroiden sind innerhalb unseres Sonnensystems bekannt. Die meisten ziehen im Asteroiden-Gürtel zwischen Mars und Jupiter ihre Bahnen. Doch auch in Erdnähe wurden nach Angaben des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) bereits mehr als 9.000 Asteroiden mit Durchmessern größer als 100 Meter nachgewiesen. Jährlich kommen mehr als 500 weitere dazu.

Nach Angaben der NASA waren im Januar dieses Jahres 1.885 potentiell gefährliche Asteroiden bekannt. Hinzu kommen zahlreiche Objekte, die so klein sind, dass sie noch gar nicht entdeckt wurden. Doch auch die können es in sich haben. So wurden im Februar 2013 bei der Explosion eines etwa 20 Meter dicken Asteroiden über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk im Süd-Ural rund 7.000 Gebäude beschädigt und etwa 1.500 Menschen verletzt. Und solche Einschläge gibt es immer wieder. Für Asteroiden-Forscher sind Objekte von bis zu zehn Metern Durchmesser dennoch eher uninteressant. Je kleiner die Asteroiden sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Vorbeiflug von der Erde abgelenkt werden oder bei einem Eintritt in die Atmosphäre verglühen.

"Besser, etwas in der Schublade zu haben"

Aber auch zu Einschlägen größerer Objekte kann es immer wieder kommen, weiß Prof. Dr. Alan Harris, vom Institut für Planetenforschung beim DLR in Berlin. Einschläge von 100-, 200- oder 300-Meter-Objekten habe man zwar allenfalls in Abständen von tausenden, zehntausenden oder gar hunderttausenden Jahren, sagt der Asteroiden-Forscher dem MDR: "Aber das ist nur statistisch. Es kann auch schneller kommen als man denkt. Und dann ist es immer besser, schon etwas in der Schublade zu haben - eine Abwehrmöglichkeit, die man schon studiert hat, der man vertrauen kann -, als von einem Objekt überrascht zu werden und gänzlich unvorbereitet zu sein."

Um das zu verhindern, erforschen weltweit tausende Wissenschaftler wie Harris Flugbahn und Beschaffenheit erdnaher Asteroiden. Es geht ihnen dabei vor allem um solche potentiell gefährlichen Objekte wie "Bennu" oder den 270 Meter breiten und 27 Millionen Tonnen schweren Asteroiden "Apophis", der bereits 2004 an der Erde vorbei schrammte und 2029 und 2036 unserem Planeten noch zwei weitere Male gefährlich nahekommen wird. Bei einer Kollision würde "Apophis", der nur halb so groß wie "Bennu" ist, immer noch eine kinetische Energie freisetzen, die der Sprengkraft von 25.000 Hiroshima-Bomben entspricht. Das würde ausreichen, um beim Einschlag über dicht besiedeltem Gebiet auf einen Schlag Millionen Menschenleben auszulöschen. Und selbst bei einem Einschlag über einem Ozean könnte immer noch ein so gigantischer Tsunami entstehen, dass in Küstengebieten schwerste Schäden und gewaltige Opferzahlen zu erwarten wären.

"Bei großen Objekten auf der sicheren Seite"

Allerdings haben die großen und deshalb besonders gefährlichen Asteroiden auch einen großen Vorteil: Sie lassen sich viel besser beobachten als ihre kleineren Pendants. Mit der heutigen Technologie könne man über Jahrzehnte vorher die Umlaufbahn von Asteroiden genau ermitteln, erklärt Asteroiden-Experte Harris: "Bei großen Objekten haben wir deshalb relativ viel Vorwarnzeit. Dort sind wir auf der sicheren Seite." Über längere Zeiträume seien aber gerade diese "potentially hazardous objects" für das Leben auf der Erde am bedrohlichsten. Deshalb sei es wichtig, so früh wie möglich vertraute Technologien zur Asteroiden-Abwehr zu besitzen.

Das DLR zum Beispiel nimmt seit über fünf Jahren an einer internationalen Kooperation teil, in der Forschung und Industrie gemeinsam Strategien zur Asteroiden-Abwehr entwickeln. Projektleiter Alan Harris hat auch schon etwas "im Angebot", um im Ernstfall ein mehrere hundert Meter großes Objekt wie "Bennu" von seinem Kollisionskurs zur Erde abzubringen. In diesem Fall, erklärt der Professor, würde man einen kinetischen Impactor starten, eine Sonde mit relativ viel Masse, die man mit dem Asteroiden kollidieren lassen würde: "Und die Übertragung des Impulses, der durch die Kollision zustande kommt, würde dann eine Änderung der Umlaufbahn des Asteroiden verursachen, sodass er hoffentlich an der Erde vorbeifliegen würde." Bei einem sehr großen Objekt oder relativ kurzen Vorwarnzeiten müsste man allerdings vielleicht mehrere solcher Missionen starten, um bei Fehlschlägen noch weitere Chancen zu besitzen, räumt Harris ein. Generell gelte aber, je eher man die Gefahr entdecke und je schneller man handle, desto besser seien die Erfolgsaussichten.

HAMMER soll "Bennu" aus seiner Bahn drücken

Das sieht man auch bei der NASA so. Um den Problem-Asteroiden "Bennu" loszuwerden, hat die US-Raumfahrtbehörde gemeinsam mit dem Kerwaffenlabor Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL) das Projekt "Hypervelocity Asteroid Mitigation Mission for Emergency Response vehicle", kurz HAMMER, gestartet. Nach den Plänen der US-Forscher soll eine Delta IV Heavy-Rakete einen neun Meter hohen und 8,8 Tonnen schweren Flugkörper als kinetischen Impactor auf "Bennu" einschlagen lassen, wodurch dieser von seiner für die Erde gefährlichen Umlaufbahn gebracht werden soll.

Auch hier gilt: Je eher die Mission startet, desto geringer der Aufwand. So rechneten die US-Forscher aus, dass sie 25 Jahre vor einer Kollision lediglich sieben bis elf Raketen abschießen müssten, um "Bennu" auf einen anderen Kurs zu bringen, während bei einer Vorlaufzeit von lediglich zehn Jahren bis zu 53 Raketenstarts nötig wären. In so einem Falle kommen die LLNL-Wissenschaftler allerdings zu dem Schluss, dass wohl nur noch Nuklearsprengköpfe zum Erfolg führen würden, die man allerdings in einiger Entfernung zu "Bennu" zu zünden empfiehlt. Dadurch, so die Hoffnung, könnten Oberflächenschichten verdampft werden, was wiederum einen "raketenartigen" Schub des Asteroiden zur Folge hätte.

"Situation der Verzweiflung"

DLR-Asteroiden-Abwehr-Experte Harris könnte sich den Einsatz eines nuklearen Sprengsatzes allerdings nur im allergrößten Notfall, in einer "Situation der Verzweiflung", vorstellen. Erst dann, wenn Millionen Menschenleben in Gefahr sind, könnte man es mit einer nuklearen Explosion versuchen: "Allerdings sind die politischen Probleme mit nuklearen Sprengsätzen im Weltall sehr, sehr schwierig und wir wissen nicht, wie das ablaufen würde. Und es gibt keine internationalen Regelungen, die so einen Fall decken."

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP | 09. Februar 2018 | 18:45 Uhr