Hand einer Person, die auf Laptop schreibt.
Energiesparen: bei der Software-Entwicklung könnte es anfangen Bildrechte: imago/Panthermedia

Unsichtbares Energiesparen Blauer Engel für Software

13. Januar 2020, 12:22 Uhr

Seit langem kennen wir das Umweltzeichen "Blauer Engel", das besonders umwelt- und klimafreundliche Produkte auszeichnet, zum Beispiel Recycling-Klopapier, Kühlschränken oder Waschmaschinen. Seit Beginn 2020 gibt es auch einen Blauen Engel für Software. Wie kam es dazu?

Der neue Blaue Engel für Software wurde Ende 2019 auf dem alljährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs in Leipzig erstmals einer großen Öffentlichkeit vorgestellt. Warum wird der "Umweltengel" jetzt auch an Programme vergeben, die eigentlich immateriell sind und nur aus Nullen und Einsen bestehen? Stefan Naumann, Professor für Informatik am Umweltcampus Birkenfeld, verdeutlicht: Letztlich verbraucht die Hardware die Energie, Prozessor und der Speicher. Aber dafür, dass diese Energie verbraucht wird, sorgt die Software. Und an der Stelle kann man ansetzen, meint der Wissenschaftler:

Mit einer Software, die millionenfach installiert ist, fünf oder zehn Prozent einsparen, ist ein relevanter Beitrag zum Klimaschutz wie in anderen Branchen auch.

Stefan Naumann, Hochschule Trier

Der wäre auch dringend nötig: Ganze fünf Milliarden Menschen besitzen heute bereits ein Smartphone oder Handy. Hinzu kommen eine Milliarde verkaufter PCs in nur vier Jahren und immer mehr intelligente Sensoren in Autos, Waschmaschinen und Kühlschränken. Diese Flut vernetzter Geräte schluckt immer mehr Energie und bewirkt, dass sich unser globales Datenvolumen alle drei Jahre verdoppelt. Damit wächst auch der Energieverbrauch von Mobilfunknetzen und Rechenzentren rasant. Experten zufolge verursacht das Internet deswegen heute bereits mehr CO2-Emissionen als der weltweite Flugverkehr. Naumann führt aus:

Natürlich sorgt auch Software dafür: Mache ich irgendwelche Updates, Duplikationen, Backups. Was lege ich in Cloudspeichern ab? Das heißt, wir müssen sehr genau schauen: Ist es wirklich nötig, diese Datenmengen zu übertragen? Ist es nötig, irgendetwas in höchster Qualität abzuspielen?

Stefan Naumann

Wie Software genau den Energie- und Ressourcenverbrauch beeinflusst, hat Naumann vier Jahre lang zusammen mit dem Öko-Institut und der Universität Zürich untersucht. Pionierforschung, meint Informatikerin Marina Köhn vom Umweltbundesamt, das die Studie beauftragt hat:

Finden wir überhaupt Kriterien, die eine Software auszeichnen, energieeffizienter zu sein als eine andere? Am Anfang hatten wir viele Skeptiker.

Marina Köhn, UBA

Zuerst entwickelten die Forscher ein Prüfsystem, mit dem sich der Energieverbrauch und die Datenströme eines PCs messen lassen. Dann erstellten sie sogenannte Standardnutzungs-Szenarien:

Mann mit Brille
Professor Stefan Naumann Bildrechte: Hochschule Trier

Nehmen Sie mal eine Textverarbeitung: Da wird ein Text geschrieben, eine Überschrift formatiert, eine Rechtschreibprüfung durchgeführt. Alles was man so als normaler Nutzer macht. Das muss systematisiert werden.

Stefan Naumann

Anschließend wurde das Prüfverfahren auf eine Auswahl gängiger Textverarbeitungsprogramme, Internetbrowser und Datenbanksysteme angewendet. Die Ergebnisse lassen aufhorchen:

Bei der Textverarbeitung hat das eine Textverarbeitungssystem vier mal so viel Energie verbraucht wie das andere, bei gleicher Nutzung.

Marina Köhn

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Reporterin Daniela Schmidt ist eine junge Frau, die an einem Laptop sitzt und arbeitet. 32 min
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Bei den Internet-Browsern beanspruchte eine Software bereits im Leerlauf ganze zwölf Prozent des Hauptprozessors, während die Vergleichsprodukte nur ein Prozent benötigten. Bei Content Management-Systemen, mit denen Webseiten verwaltet werden, stellten die Forscher fest, dass eine Anwendung aufgrund fehlender Datenkomprimierung sechs mal mehr Datenverkehr als die Konkurrenz produzierte – und damit auch einen höheren Energieverbrauch.

Da konnten wir nachweisen, dass sich da acht Prozent sparen lassen.

Stefan Naumann

Aus dem Forschungsprojekt wurde ein Katalog mit mehr als zwanzig Anforderungen für den neuen Blauen Engel für Software entwickelt. Dazu gehört, dass Software den Energiesparmodus des Computers unterstützen muss: 

Wann sollen Computer in den Ruhemodus? Das kann aber Software zunichte machen.

Marina Köhn

Zudem sollen die Software werbefrei sein, um Datenmüll zu verhindern und sie soll die Autonomie des Nutzers wahren: 

Der Nutzer soll selber entscheiden, welche Module einer Software er installiert. Er möchte auch die Software mal komplett löschen.

Marina Köhn

Die unsichtbaren Kosten

Außerdem soll der Blaue Engel die sogenannte "Obsoleszenz durch Software" verhindern, also dass Hardware schneller unbrauchbar wird als nötig, zum Beispiel durch Software-Updates. Ein Beispiel dafür: Hätten 2007 alle Windows-User ihr Betriebssystem auf das neue Windows-Vista umgestellt, hätten laut Umweltorganisation Greenpeace weltweit 50 Prozent der Rechner ausgetauscht werden müssen. In PCs, Laptops, Smartphones & Co. schlummern aber große Mengen seltener Erden und wertvoller Mineralien wie Gold oder Koltan, die oft in Krisenregionen unter menschenunwürdigen Bedingen abgebaut werden.

Zudem ist es auch aus Klima-Sicht nicht vertretbar, dass eigentlich noch funktionsfähige Hardware auf dem Müll landet. Der Betrieb eines Laptops verursacht pro Jahr rund 25 Kilogramm CO2, bei seiner Produktion fallen aber ganze 250 Kilogramm an.

Wir haben das beim 'Blauen Engel' so gelöst, dass ein Softwareprodukt rückwärts kompatibel sein muss, das heißt mit einer älteren Hardware noch laufen muss.

Stefan Naumann

Was das Umweltsiegel bewirkt und wo es nach hapert

Zudem müssen die Hersteller dafür sorgen, dass die Software auch in den nächsten fünf Jahren mit Sicherheitsupdates versorgt wird. Bei zwei Punkten mussten die Forscher aber Abstriche machen: Zum einen gilt der neue Blaue Engel erst einmal nur für Desktop-Software, zum anderen gibt es noch keine Grenzwerte für den Energieverbrauch. Aber Naumann blickt nach vorne:

Ziel wäre in fünf Jahren: 'Blauer Engel' ist bekannt und ist auch für andere Produkte erhältlich – im Bereich Client-Server, Internet der Dinge, und so weiter.

Stefan Naumann
Das Gütesiegel Blauer Engel für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen. 5 min
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5 min

Bislang gibt es das Umweltzeichen "Blauer Engel" für besonders umwelt- und klimafreundliche Produkte. Jetzt gibt es den "Umweltengel" auch für Software. Was kann der bewirken?

MDR AKTUELL So 12.01.2020 05:20Uhr 04:59 min

https://www.mdr.de/wissen/umwelt-klima/blauer-engel-fuer-software100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 12. Januar 2020 | 05:20 Uhr

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