Hörerfrage Was wurde aus dem 2-Liter-Auto?

23. September 2019, 16:11 Uhr

1989 warb Audi mit einer großen Aktion für den sparsamsten Motor aller Zeiten: Gerade mal 1,76 Liter pro Hundert Kilometer habe ein Audi 100 auf seiner Fahr quer durch Europa verbraucht. Was wurde aus dem Wundermotor?

Quer durch Europa mit einem Durchschnittsverbrauch von 1,76 Litern Diesel - und zwar mit einem Audi 100: Das hat tatsächlich unter Aufsicht des TÜVs 1989 stattgefunden. Im ZDF-Fernsehbeitrag heißt es: "Man fuhr von Holland durch Belgien, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien und wieder Frankreich. Insgesamt 4818 km mit nur einer Tankfüllung."

Ungläubig fragte der Reporter damals den Audi-Technikvorstand Jürgen Stockmar: "Und dieses Auto kommt auch wirklich auf den Markt?" Der antwortete: "Da sind wir fest entschlossen. Wir werden wahrscheinlich Ende Januar 1990 dieses Auto den Medien vorstellen."

Was ist mit dem 1,76-Liter-Auto passiert?

Unsere Recherchen beim TÜV Rheinland und TÜV Süd verliefen erfolglos. Der Vorgang sei zu lange her, heißt es. Auffindbar ist aber Audi-Vorstand Jürgen Stockmar. Er ist 30 Jahre später als Honorarprofessor an der Universität Wien tätig. An ihn also die Frage: Was ist aus dem Versprechen geworden? Wo ist das Auto, wo ist der Motor hin?

Ich konnte damals mit Bestimmtheit sagen: Wir werden diese Technologie im nächsten Jahr auf den Markt bringen. Denn 1990 haben wir die in dem Audi 100 C3 exakt mit diesem Motor, 2,5 Liter TDI, 115 PS angeboten.

Jürgen Stockmar, früherer im Vorstand von Audi

Geringer Verbrauch war nur durch Tricks möglich

Obwohl exakt dieser Turbodiesel seitdem in millionenfacher Stückzahl verbaut wurde, fuhr und fährt niemand mit nur einer Tankfüllung quer durch Europa. Woran liegt das? Jürgen Stockmar sagt, man habe alles Menschenmögliche getan, um Diesel zu sparen: Es wurde eine Strecke mit wenig Verkehr gesucht, die kaum bergauf ging. Ein Rückspiegel wurde abgeschraubt und die Reifen voll aufgepumpt.

Das Auto hatte Reifen, die eine Vorwegnahme der sogenannten Leichtlaufreifen waren. Wir haben geschaut, dass keine zusätzlichen elektrischen Verbraucher im Auto waren, wie Radio und ähnliches. Wir sind tagsüber gefahren, damit wir wenig Licht gebraucht haben. Das Auto hatte keine Klimaanlage. Fahrer und TÜV-Prüfer waren der sogenannte Standardmensch: 75 Kilogram, 1,75 Meter groß.

Jürgen Stockmar, früherer im Vorstand von Audi

Das Auto fuhr nur 60 Kilometer pro Stunde

Die Durchschnittsgeschwindigkeit betrug 60 Stundenkilometer. Damit ist klar, dass niemand unter Normalbedingungen 1,76 Liter im Schnitt verbrauchen kann. "Wenn das Auto durch Städte fährt, sind diese Verbräuche gar nicht erreichbar", sagt Stockmar.

Auf diese außergewöhnlichen Bedingungen weist auch Professor Günther Prokop, Fahrzeug-Experte der TU Dresden hin. "Wenn Sie dann die Klimaanalage einschalten, dann sind Sie von 1,7 Liter sofort weg in Richtung drei Liter."

Audi führte die Kunden in die Irre

Insofern waren und sind die 1,76 Liter für die Kunden schon sehr irreführend. Jürgen Stockmar war sich dessen bewusst. "Darüber haben wir uns mit den Marketingleuten viele Gedanken gemacht. Es ging darum, eine neue Technologie in den Markt einzuführen und das war sozusagen die Vorbereitung dafür."

Nicht verwunderlich ist deshalb auch, dass manche Leute tatsächlich glauben, die Erdöl- und die Auto-Lobby hätten die Produktion dieses millionenfach verbauten Motors erfolgreich verhindert.

Auto verbraucht mehr als im Prospekt angegeben

Bis heute wundern sich Autokäufer, warum ihr Auto mehr verbraucht, als eigentlich im Hochglanzprospekt angegeben wird. Da gibt es nach wie vor einen Unterschied, gibt Jürgen Stockmar zu, der bei verschiedenen Autobauern die Technikabteilungen geleitet hat.

Wenn Sie heute die Verbrauchswerte betrachten, die bei den verschiedenen Tests gemacht werden, dann erreichen Sie auch Werte, die der normale Fahrer nicht erreichen kann. Deshalb gibt es ja jetzt gerade den Umschwung in neue Testverfahren. Damit versucht man mit den Ergebnissen etwas dichter an den Normalalltag heranzukommen.

Jürgen Stockmar, früherer im Vorstand von Audi

Volkswagen hat das 1-Liter-Auto gebaut

Vier bis acht Liter verbrauchen moderne Diesel je nach Motorisierung, Ausstattung, Gewicht und Fahrweise. Und trotzdem ist immer wieder von ein-, zwei- oder drei-Liter Dieselautos die Rede. Immer wieder sieht man in Autozeitschriften entsprechende Pilotstudien. Ja, sagt Professor Prokop, diese Prototypen gibt es, aber es ist niemals der Motor allein, der so ein Fahrzeug ausmacht:

Grundsätzlich muss man wissen, dass der Verbrauch eines Fahrzeugs ein Gesamtfahrzeugthema ist. Das bedeutet, es hat mit allen Bauteilen und Komponenten im Fahrzeug zu tun. Wenn überhaupt, dann gibt es ein Ein-Liter-Auto und wie das aussieht, wissen wir auch. Volkswagen hat mal ein Experiment gemacht. Es ist sehr spartanisch: Das Fahrzeug ist, glaube ich, weniger als einen Meter hoch. Ich würde vermuten, der Einstieg ist sehr, sehr mühsam und der Ausstieg auch. Das ist nicht das, was Sie jeden Tag fahren wollen.

Professor Günther Prokop, TU Dresden

Drei-Liter-Auto wäre möglich

Natürlich wird weiter geforscht, um die Verbräuche zu minimieren. Bei Alltagsfahrzeugen mit Radio, Klimaanalage und bequemem Einstieg sieht Günther Prokop noch ein Potential 20 bis 30 Prozent Ersparnis beim Treibstoff-Verbrauch. "Das bedeutet nicht, dass man das heute schon in der Schublade hätte. Das ist einfach die Abschätzung aus heutiger Sicht, wo man mit den Technologien, die man jetzt gerade in den Vorentwicklungen hat, landen würde." Wenn es denn so käme, wären wir beim 3 Liter Auto unter ganz alltäglichen Bedingungen.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 29. März 2019 | 17:50 Uhr