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Forschung in DresdenNachgefragt: Wann kommt der neue Super-Akku?

13. Januar 2020, 09:53 Uhr

Ein Akku für 1.000 Kilometer. Australische Forscher haben mit dieser Ankündigung für viel Aufregung gesorgt. Aber wie realistisch ist das? Wir haben die Forscher besucht, die den Prototyp gebaut haben – in Dresden.

von Annegret Faber

Es war die Top-Meldung in der Welt der Batterie-Technik und Elektromobilität. Der Lithium-Schwefel-Akku, den australische Forscher entwickelt und am 3. Januar 2020 präsentiert haben. Fünf Tage Energie für ein Smartphone oder 1.000 Kilometer Reichweite für ein E-Auto. Zusammengebaut und getestet wurde er am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (IWS) in Dresden.

Von der Meldung kalt erwischt

Holger Althues steigt in einen Fahrstuhl und fährt in die zweite Etage des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik – da, wo die Labore sind. Er ist hier für die Batterieentwicklung zuständig. Neben ihm der Pressesprecher des Instituts, Markus Forytta. Er sagt, die Meldung vom 1.000-Kilometer-Akku hätte ihn überrascht. Auf Medienanfragen war er gar nicht vorbereitet.

Deswegen überraschend, weil wir im Gebiet der Lithium-Schwefel-Technologie schon lange aktiv sind und auch viele Forschungsgegenstände erzeugt haben. Es ist also kein neues Thema.

Markus Forytta, Fraunhofer IWS

Großes Potential

Lithium-Schwefel-Batterien hätten viel Potential. Sie könnten, auf das Gewicht bezogen, die doppelte Menge Energie speichern, verglichen mit herkömmlichen Batterien. Die beiden steigen aus dem Fahrstuhl und bleiben nach ein paar Metern in einem hell beleuchteten Gang stehen.

Wir sind jetzt hier in so einer begehbaren Lithium-Schwefel-Batterie. An der wollen wir zeigen, wie die Steps sind, wie so eine Batterie aufgebaut ist und wie wir zu so einem System kommen.

Holger Althues, Fraunhofer IWS

Hinter ihm geben große Fensterscheiben die Sicht auf die Labore frei, in denen die Batterien entwickelt werden. In Bauchhöhe, unter den Fenstern, sind  hell beleuchtete, schmale Glaskästen angebracht, zwei bis drei Meter lang. Darin sind die Materialien der Akkus ausgestellt. Holger Althues zeigt auf zwei Glaskolben. Sie stehen gleich am Anfang.

Was hier zu sehen ist, ist der Schwefel, der elementare Schwefel, das gelbe Pulver, was mit dem schwarzen Pulver vermischt wird, und in einem Prozess-Schritt wird der Schwefel eingeschmolzen in das Kohlenstoff-Material.

Holger Althues

Das Fraunhofer IWS übertrug die vielversprechende Kathodenentwicklung für Lithium-Schwefel-Batterien der Monash University in Prototypzellen und wies daran auch die Funktion nach. Bildrechte: Fraunhofer IWS Dresden

Dieses Pulver wird auf eine der beiden Elektroden aufgebracht, die positive Kathode - zu sehen im nächsten Glaskasten. Das ist eine silberne Folie, auf der das schwarze Pulver fixiert wurde. Diese Flüssigkeit, also das Bindesystem mit dem der Schwefel-Kohlenstoff-Mix zusammengehalten wird, sei entscheidend für die Lebensdauer des Akkus. Bisher sei es zu spröde gewesen. Beim Laden und Entladen entstehen feine Risse, mit dem Resultat, dass der Akku nach wenigen Ladezyklen kaputt geht.

Fest und trotzdem porös

Und hier, so Holger Althues, haben die australischen Kollegen angesetzt, die positive Elektrode der Batteriezelle neu entwickelt. Die neue Rezeptur der Komponenten Kohlenstoff, Schwefel und des Bindesystems ergaben zum einen eine stabile Struktur und blieben trotzdem porös.

Diese Porosität ist nötig, um Elektrolyt aufzunehmen und Volumenschwankungen, die beim Lade- und Endladeschritt passieren, zu kompensieren.

Holger Althues

Das Trägermaterial für die Kohle-Schwefel-Partikel muss also fest sein und trotzdem porös bleiben, sonst klappt es nicht mit dem Energiefluss. Dafür nutzen die australischen Forscher nun einen Kunststoff, der zum Beispiel in Waschmittelpulver, aber auch in Tapetenkleister genutzt wird und Partikel zusammen hält.

Bei Lithium-Schwefel-Batterien spielt das Bindemittel - hier im Fläschchen - eine große Rolle. Bildrechte: Fraunhofer IWS Dresden

Problem Ladezyklen

Und mit diesem Mittel schafften die Forscher im Labor 200 Ladezyklen. Das ist aber immer noch viel zu wenig. Um in der Praxis bestehen zu können, sollten es 1.000 Zyklen sein. Ist die Entwicklung trotzdem ein Baustein  auf dem Weg zum 1.000 Kilometer Akku? Prof. Ulrich Schubert ist Batterieexperte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena – er unterrichtet dort Organische und Makromolekulare Chemie und bestätigt: Ja, das Potential ist da. Wenn man "perfekt entwickelt", so Schubert, haben  Lithium- Schwefel-Batterien eine drei bis fünf Mal höhere Energiedichte als heutige Akkus, die 300 bis 500 Kilometer schaffen.

Also ist es im  Prinzip realistisch, dass solche Autos, mit solchen Batterien, auch 1.000 Kilometer schaffen können.

Ulrich Schubert, Uni Jena

Der Akku sei außerdem umweltfreundlicher. Statt Kobalt und Nickel kommen Schwefel und Kohlenstoff zum Einsatz. Dieses Gemisch macht es möglich, die doppelte Energiemenge bei gleichem Gewicht zu speichern, verglichen mit einem herkömmlichen Akkus. Batterieentwickler Holger Althues nennt einen weiteren Vorteil.

Die Zellen sind, bei gleichem Energie-Inhalt, leichter als die heutigen Lithium-Ionen-Zellen, und zwar deutlich, bis zum Faktor zwei leichter.

Holger Althues

Einsatz in der Luft

Davon profitieren heute schon Anwendungen in der Luftfahrt, so Althues. Er nennt zum Beispiel sogenannte Pseudo-Satelliten, die diese Zellen nutzen. Das sind Drohnen, die wochenlang in der Stratosphäre fliegen und ihre Energie aus Solarzellen beziehen. Hier sind die leichten Li-S-Akkus bereits im Einsatz. Denn der Schwachpunkt der Li-S-Akkus, das immer noch große Volumen, wird durch das geringe Gewicht aufgewogen. Und in der Luft sieht Althues noch mehr Potential der leichten Akkus, etwa in Elektroflugzeugen, an deren Entwicklung schon gearbeitet wird. Ob es dann allerdings vollelektrische Passagierflugzeuge sein werden, kann der Forscher nicht realistisch einschätzen.

Und was bedeutet das nun für das das E-Auto mit 1.000 Kilometer Reichweite? Das Potential ist da. Den 1.000-Kilometer-Akku fürs Auto könnte es geben, sagt Althues. Nur nicht gleich morgen. Mindestens zehn Jahre wird das nach seiner Einschätzung noch dauern.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 12. Januar 2020 | 09:20 Uhr

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