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Mit dieser Beobachtung hat das Hubble-Weltraumteleskop einen außergewöhnlichen neuen Rekord aufgestellt: Es hat das Licht eines Sterns entdeckt, der innerhalb der ersten Milliarde Jahre nach dem Urknall existierte - der am weitesten entfernte einzelne Stern, der je gesehen wurde. Er wurde auf den Namen Earendel getauft. Bildrechte: NASA, ESA, B. Welch (JHU), D. Coe (STScI), A. Pagan (STScI)

WeltraumteleskopImmer näher ran an den Urknall: 12,9 Milliarden Jahre alter Stern entdeckt

Auf seine "alten" Tage hat das Weltraumteleskop Hubble nochmal einen neuen Rekord aufgestellt. Es hat den am weitesten entfernten einzelnen Stern entdeckt, der je gesehen wurde. Dieser Stern "Earendel" stammt aus einer Zeit, als das Universum gewissermaßen noch in den Kinderschuhen steckte und noch nicht einmal sieben Prozent seines heutigen Alters erreicht hatte.

Die Wahl des Namens "Earendel" für den neu entdeckten Stern ist passend. Denn es ist der altenglische Begriff für Morgenstern. Wenn man die bisherigen 13,8 Milliarden Jahre, die das Universum gemäß Urknalltheorie besteht, als nur einen Tag aus 24 Stunden ansehen würde, dann hätte Earendel sein Licht, das nun eingefangen wurde, etwa um 1:34 Uhr ausgesandt.
Zum Vergleich: Unser Sonnensystem mit Sonne und Erde wäre in diesem Szenario etwa um 16:00 Uhr entstanden, erstes Leben auf der Erde gegen 17:30, die ersten Menschen kurz vor Mitternacht.

Mit anderen Worten: Earendel ist wirklich sehr, sehr alt – etwa 3,1 Milliarden Jahre älter als der bisherige Rekordhalter in der Kategorie "am weitesten entfernter Einzelstern", der im Jahr 2018 ebenfalls von Hubble entdeckt wurde.

Weltraumteleskop Hubble in seiner Umlaufbahn ca. 600 Kilometer über der Erde Bildrechte: NASA/ESA

Ungläubiges Staunen

Earendel (hier mit einem Pfeil gekennzeichnet) befindet sich entlang einer Welle in der Raumzeit, die ihm eine extreme Vergrößerung verleiht und es ihm ermöglicht, sich von seiner Wirtsgalaxie abzusetzen, die als roter Fleck am Himmel erscheint. Bildrechte: NASA, ESA, B. Welch (JHU), D. Coe (STScI), A. Pagan (STScI)

"Wir konnten es zuerst kaum glauben", sagte Astronom Brian Welch von der Johns Hopkins University in Baltimore, Hauptautor der in der Fachzeitschrift Nature erschienenen Studie, die die Entdeckung beschreibt. "Normalerweise sehen in diesen Entfernungen ganze Galaxien wie kleine Flecken aus, in denen sich das Licht von Millionen von Sternen vermischt. Die Galaxie, die diesen Stern beherbergt, wurde durch Gravitationslinsen vergrößert."

Das Forscherteam schätzt, dass Earendel mindestens die 50-fache Masse unserer Sonne hat und millionenfach heller ist als die massivsten bekannten Sterne. Aber selbst ein so hell strahlender, massereicher Stern wäre in dieser Entfernung ohne die natürliche Vergrößerung durch einen riesigen Galaxienhaufen, in diesem Fall WHL0137-08, der sich zwischen uns und Earendel befindet, nicht zu sehen. Die Masse des Galaxienhaufens verformt den Raum und schafft so ein starkes natürliches Vergrößerungsglas, das das Licht von fernen Objekten dahinter verzerrt und stark verstärkt.

Der Effekt ist vergleichbar mit der gewellten Oberfläche eines Schwimmbeckens, die an einem sonnigen Tag helle Lichtmuster auf dem Boden des Beckens erzeugt. Die Wellen auf der Oberfläche wirken wie Linsen und bündeln das Sonnenlicht auf dem Beckenboden zu maximaler Helligkeit.

Bildrechte: NASA, ESA, Brian Welch (JHU), Dan Coe (STScI), Alyssa Pagan (STScI)

Blick zum Anfang des Universums

Ob Earendel noch heute existiert, weiß man natürlich nicht. Klar ist nur, dass er vor 12,9 Milliarden Jahren existiert hat. Und deshalb ist gut möglich, dass er nicht aus den gleichen Stoffen besteht wie die Sterne, die uns heute umgeben. "Es gibt eine seit langem bestehende theoretische Vorhersage, dass Sterne, die sich ausschließlich aus den Elementen bilden, die kurz nach dem Urknall geschmiedet wurden – Wasserstoff, Helium und Spuren von Lithium – massereicher sein sollten als die Sterne, die sich heute bilden", erklärt Erik Zackrisson von der Universität Uppsala in Schweden, der Mitautor der Studie ist. "Diese Ursterne, die als Sterne der Population III bekannt sind, haben sich bisher den Beobachtern entzogen, könnten aber entdeckt werden, wenn sie durch Gravitationslinsen sehr stark vergrößert werden, wie im Fall des Earendel-Objekts".

Es ist, als würden wir ein wirklich interessantes Buch lesen, hätten aber mit dem zweiten Kapitel begonnen.

Brian Welch, Astronom und Hauptautor der Studie

Astronom Brian Welch glaubt, dass die nun folgenden weiteren Untersuchungen von Earendel ein Fenster zu einer Ära des Universums seien, "die wir nicht kennen, die aber zu allem geführt hat, was wir wissen. Es ist, als würden wir ein wirklich interessantes Buch lesen, hätten aber mit dem zweiten Kapitel begonnen. Jetzt haben wir die Chance zu sehen, wie alles angefangen hat."

Nach Hubble darf sich James Webb versuchen

Die Astronomen gehen davon aus, dass Earendel noch über Jahre hinweg stark vergrößert bleiben wird. Das neue leistungsstärkere James-Webb-Weltraumteleskop wird ihn im Laufe des Jahres 2022 beobachten. Sollten Folgestudien ergeben, dass Earendel nur aus ursprünglichem Wasserstoff und Helium besteht, wäre dies der erste Beweis für die legendären Sterne der "Population III", von denen man annimmt, dass sie die allerersten Sterne waren, die nach dem Urknall entstanden.

Gegenüberstellung der beiden Weltraumteleskope Hubble und James Webb und Vergleich ihrer Spiegelgrößen. Hubbles (links) Spiegeldurchmesser beträgt 2,40 Meter, der faltbare Spiegel von James Webb (rechts) hat einen Durchmesser von 6,50 Metern. Bildrechte: NASA/ESA

"Mit Webb werden wir vielleicht auch Sterne sehen, die noch weiter entfernt sind als Earendel, was unglaublich spannend wäre", sagt Brian Welch. "Wir werden so weit zurückgehen, wie wir können. Ich würde mich freuen, wenn Webb den Rekord von Earendel brechen würde."

Link zur Studie

Die Studie "A highly magnified star at redshift 6.2" ist im Magazin "Nature" erschienen.

(rr)