Medizinforschung Hallenser erforschen Gele aus Protein des menschlichen Bluts

08. März 2018, 18:36 Uhr

Tägliche Spritzen oder immer an die Tabletten denken: Wer regelmäßig Medikamente nehmen muss, ist eingeschränkt. Wie schön wäre es da manchmal, einfach nur ein einziges Mal einen Stoff in den Körper zu injizieren, das nach und nach die Wirkstoffe des Medikaments freigibt – so wie ein zähflüssiges Gel zum Beispiel. Das ist die Vision von Forschern der Universität Halle. Dazu haben sie ein Eiweiß aus unserem Blut unter die Lupe genommen – und geschaut, wie es zu Gel wird.

Die Kollegen aus der Biochemie finden Albumin wahrscheinlich ziemlich langweilig, scherzt Chemie-Professor Dariush Hinderberger. Denn Albumin ist das Transport-Protein, was wir alle in sehr hoher Konzentration im Blut haben: Rund 50 Gramm sind in einem Liter Blut. Dort macht das Protein genau das, was es auch in einer späteren medizinischen Anwendung einmal tun soll: Es transportiert kleinere Moleküle und kann die Zellmembranen durchdringen. Chemiker Hinderberger forscht schon seit Jahren an Albumin. Doch Gele zu machen, war eigentlich nie beabsichtigt, erzählt er:

Diese Gele sind bei uns in der Forschung tatsächlich eher als lästiges Randprodukt aufgefallen mit unseren Methoden, wenn wir mal etwas höher konzentrierte Proben genommen haben oder die auch mal thermisch behandelt, also erwärmt haben. (…) Und so sind wir überhaupt in dieses Thema reingekommen.

Prof. Dariush Hinderberger / Universität Halle

Die Hallenser haben geschaut, wie eigentlich der Forschungsstand zum Albumin-Gel war. Gefunden haben sie allerdings nicht allzu viel. Deshalb haben sie sich selbst genauer angeschaut, wie Albumin zum Gel wird: Sie untersuchten systematisch, was genau mit den Proteinteilchen und ihrer Struktur passiert, wenn sie bestimmte Eigenschaften verändern. Also zum Beispiel: "Wie hängt die Molekülstruktur der einzelnen Albumin-Moleküle ab von den Bedingungen, unter denen Sie die Gele herstellen: also ob Sie das Ganze sauer machen oder basisch machen oder ob Sie die Temperatur erhöhen und den PH-Wert im Neutralen lassen", sagt Hinderberger. "Das ergibt ganz unterschiedliche Gele, sowohl von den mechanischen Eigenschaften als auch auf der Molekülebene."

Temperatur, pH-Wert, Zeit: All das hat Einfluss auf das Gel – also darauf, ob es dickflüssig wie Honig oder klar und dünnflüssig wird. Grundlagenarbeit also. Und die sieht Hinderberger als Türöffner für eine ganz praktische Anwendung - und zwar in der Medizin. Denn so ein Gel eignet sich dank seiner Zähflüssigkeit als hoch präzises Wirkstoffimplantat und Medikamentendepot, erklärt der Professor für Physikalische Chemie.

Diese Gele sind sehr interessant für sehr lokale Anwendungen: Also stellen Sie sich vor, Sie können so ein Gel unter die Haut spritzen als kleines Depot und das löst sich so nach und nach auf und gibt ganz in einer sehr definierten Art und Weise, die wir vorher verstanden haben, eben diesen Wirkstoff frei. Zukunftsmusik, ja – Zukunftsmusik, aber das kann sein im Ohr oder im Auge oder irgendwo anders, wo Sie vielleicht sonst nicht so hinkommen.

Auch die Anwendungen im Gehirn wäre theoretisch möglich, spekuliert der Chemiker. Im Fachbereich Pharmazie ist er mit den Albumin-Gelen jedenfalls auf offene Ohren gestoßen: Es sei bereits ein konkretes Projekt geplant, um herauszufinden, ob und wie die Gele zum Medikamententräger werden können. Prinzipiell bietet Albumin sich dafür an, sagt Hinderberger.

Diese große Verfügbarkeit von dem Albumin, die ist halt etwas, die das überhaupt – sagen wir mal – in die Nähe von Anwendbarkeit bringt, denn wenn Sie mit der pharmazeutischen Industrie reden: Die reden da über Kilo- bis Tonnenmaßstab, ja. Wenn Sie da mit irgendeinem Protein ankommen, das Sie zu ein paar Milligramm irgendwie mal extrahiert haben, dann hat das keine wirkliche technologische Zukunft.

Noch einen weiteren Vorteil könnte das Protein mitbringen: Als natürlicher Teil des menschlichen Bluts wäre ein Albumin-Gel für Patienten vermutlich sehr gut verträglich.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 08. März 2018 | 09:52 Uhr