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M-Pesa - das Zahlungssystem ist praktisch überall Bildrechte: Lia Behlert

KeniaIn Kenia wird das Handy zum Konto

30. Juni 2020, 05:00 Uhr

Geld zu sparen, ohne ein eigenes Konto zu haben, gestaltet sich bekanntlich schwierig. Daher erfreut sich das mobile Bankkonto namens M-Pesa in Kenia größter Beliebtheit. M steht dabei für mobil und Pesa ist Swahili für Geld.

von Thilko Gläßgen

Mit dem M-Pesa wird das eigene Handy zum Konto. Überall in Kenia können die Menschen dafür Geld bei sogenannten "Agents" auf ihr Handy ein- und auszahlen. So kann auch Geld von einem auf einen anderen Account verschickt werden. Das sorgt für viel Sicherheit, weiß Afrikanistik-Professorin Rose Marie Beck von der Universität Leipzig: "Früher hat man irgendeinem Kumpel Geld für die Oma auf dem Land mitgegeben, musste aber hoffen, dass das funktioniert - es war eine Vertrauenssache. Heute hat man dieses Vertrauen an die Technologie delegiert." Doch nicht nur das Vertrauen in Familie, Freundinnen und Freunde spielt eine entscheidende Rolle, sondern vor allem das Überfallrisiko bei Überlandfahrten mit dem Bus.

Prof. Dr. Rose Marie Beck forscht an der Universität Leipzig. Bildrechte: Swen Reichhold, Universität Leipzig

Mittlerweile zahlen viele Kenianerinnen und Kenianer Geld am Startbusbahnhof auf ihren Account ein und heben es am Zielort wieder ab. Wird der Bus ausgeraubt, gehen die Kriminellen leer aus. Neben der großen Sicherheit eröffnet das mobile Bankkonto auch sonst viele Möglichkeiten, erklärt Beck:

Man zahlt heute alles über M-Pesa, die Telefonrechnung, den Arztbesuch, die Taxifahrt, auch im Supermarkt kann man mit M-Pesa zahlen. Es ist ein omnipräsentes Zahlungsmittel geworden.

Rose Marie Beck

Omnipräsent, aber vor allem bargeldlos und das mit allen Handys. Denn anders als mobile appbasierte Zahlungen wie etwa in China läuft M-Pesa per SMS. Statt des neusten Smartphones genügt somit auch ein altes Handy. Wie auch in Deutschland ist die Netzabdeckung im ostafrikanischen Land noch nicht vollständig, so dass insbesondere in ländlichen Gebiete keine mobilen Daten zur Verfügung stehen. Gebraucht wird somit nur die Handynummer des Empfängers. Binnen Sekunden ist das Geld überwiesen und das Geld auf dem anderen Handy angekommen.

Demokratie: Handykonto für alle

Der M-Pesa hat deshalb auch eine hohe integrative Funktion, meint Beck: "Menschen, die keinen Zugang zu einer Bank haben, weil sie nicht genug verdienen, haben trotzdem Zugang zu Geldströmen und das ist das Wichtige an M-Pesa." So nutzen auch weniger technikaffine Menschen M-Pesa. Auch für Menschen, denen der Zugang zu einem klassischen Konto verwehrt bleibt, ist das Handy-Konto eine bequeme Lösung. Mittlerweile ist M-Pesa in sechs andere afrikanische Länder expandiert, sodass es insgesamt 37 Millionen Nutzende gibt. Diese sorgen für fast eine Milliarde Transaktionen pro Monat. Auch die Beschäftigung kurbelt der M-Pesa an, so sind länderübergreifend fast 400.000 Agents für das mobile Bezahlsystem im Einsatz.

Rose Marie Beck stellt sogar fest, dass sich das Verhalten der Kenianerinnen und Kenianer verändert hat. Gerade bei Tagelöhnerinnen und Tagelöhnern, die vorher keinen Zugang zum Bankensystem hatten: "Sie sind durch den M-Pesa, überhaupt erst in der Lage zu sparen und wenn es nur winzige Beträge sind." Anstatt das verdiente Geld direkt auszugeben oder es sprichwörtlich im eigenen Kopfkissen aufzubewahren, wird es jetzt eingezahlt oder an die Familie versendet. Für Beck ein großer Erfolg, der auch darauf zurückzuführen ist, dass Menschen in Kenia weniger Bedenken bezüglich Datenschutz haben: "Deutsche Nutzer haben noch ein viel höheres Sicherheitsbedürfnis." Kenia ist Deutschland voraus, mobiles Zahlen ist hier für alle Alltag.

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