Weltraumteleskop feiert Geburtstag 30 Jahre Weltraum-Bilder: Hubbles dramatische Erfolgsgeschichte

25. April 2020, 07:38 Uhr

Vermutlich haben wir alle sie schon einmal gesehen. Einige nutzen sie als Hintergrundbild auf dem PC oder haben sie als Kalender an der Wand hängen: Weltraumbilder voller bunter Staubwolken und Planeten. Zu verdanken haben wir diese Fotos überwiegend dem Weltraumteleskop Hubble. Zu seinem 30. Jahrestag gibt es sieben Fakten und jede Menge Bilder.

Wandteppich der lodernden Sternengeburt
So feiert das Weltraumteleskop Hubble seinen 30. Geburtstag: Mit diesem Weltraumbild einer lodernden Sternengeburt. Es zeigt den riesigen Nebel NGC 2014 und seinen Nachbarn NGC 2020. Gemeinsam sind sie Teil einer riesigen Sternentstehungsregion, eines Geburtsbeckens in der Großen Magellanschen Wolke – einer Satellitengalaxie der Milchstraße, die ungefähr 163.000 Lichtjahre entfernt ist. Bildrechte: NASA, ESA, and STScI

Es ist der 24. April 1990. In der DDR findet ein Prozess zur Rehabilitierung von führenden Wissenschaftlern und Schriftstellern statt. In den USA wird mit dem Hubble-Weltraumteleskop Weltgeschichte geschrieben.

Fakt 1: Die Geburtsstunde war ein riesen Flop

Doch das Fenster zum Universum stellte sich als Fehlschlag heraus. Die ersten Bilder des Milliarden-Projektes waren verschwommen. Selbst von der Erde aus konnte man schärfer ins All blicken. Der damalige Leiter der europäischen Hubble-Koordinierungsstelle in Garching, Rudolf Albrecht, erklärte: "Im Teleskop war alles einstellbar. Was nicht einstellbar war, war die Form des Hauptspiegels."

Man hatte den Hauptspiegel nahezu perfekt geschliffen, leider aber nach der falschen Formel. Vakuum und Schwerelosigkeit lassen sich auf der Erde schlecht nachstellen. Deswegen wurden nicht alle Teile des Teleskops ausreichend getestet. Man vertraute auf bekannte Methoden: "Spiegel geschliffen hat schon der Galileo, und daher hat man gesagt, den Spiegel zu schleifen, das ist eine derart gesicherte Technologie, da testen wir nur bis zu einem gewissen Grad." Ein fataler Fehler.

Wer wissen möchte, was das Weltraumteleskop Hubble an seinem Geburtstag aufgenommen hat, kann dieses Tool von der NASA nutzen. Die Raumfahrtbehörde hat es zum 30. Geburtag von Hubble gebastelt.

Fakt 2: Hubbles zweite Geburt verändert die Welt

Glücklicherweise waren alle fünf Jahre Serviceeinsätze von Astronauten eingeplant. Dabei sollten sie das Weltraumteleskop anfliegen, neue Kameras einsetzen und es technisch überholen. Die amerikanische Weltraumbehörde NASA setzte einen solchen Einsatz bereits 1993 um.

Roger Doxsey, damals Chef des Hubble Mission Office in Baltimore, erinnert sich: "Als wir nach der ersten Servicemission sahen, wie die allerersten Aufnahmen in den Kontrollraum kamen, war sofort klar: Der Fehler ist behoben. Das ließ sich unmittelbar in den Bildern erkennen." Eine Erleichterung, die für Dogsay der schönste Moment in seinem Berufsleben war. "Von da an machte Hubble exzellente Wissenschaft."

Hubble-Kalender 12 Monate - 12 faszinerende Bilder

Für den 30. Geburtstag des Hubble-Teleskops haben sich ESA und NASA etwas Besonderes ausgedacht. Sie haben unter den tausenden von Aufnahmen nach unbekannten Schätzen gesucht. Zwölf Bilder als Kalender - zum Download.

Ein Blick auf 10.000 Galaxien
Januar: 2014 führten Astronomen eine Studie mit dem Titel Ultraviolette Abdeckung des Hubble Ultra Deep Field-Projekts durch. Dieses Bild ist das Ergebnis von 841 Umlaufbahnen der Beobachtungszeit des Teleskops und enthält ungefähr 10.000 Galaxien. Bildrechte: ESA/Hubble
Ein Blick auf 10.000 Galaxien
Januar: 2014 führten Astronomen eine Studie mit dem Titel Ultraviolette Abdeckung des Hubble Ultra Deep Field-Projekts durch. Dieses Bild ist das Ergebnis von 841 Umlaufbahnen der Beobachtungszeit des Teleskops und enthält ungefähr 10.000 Galaxien. Bildrechte: ESA/Hubble
Der Schleiernebel
Februar: Ein farbenfrohes Bild aus dem Jahr 2015 zeigt einen kleinen Ausschnitt des Schleiernebels, bekannt als NGC 6960. Diese hell gefärbte Wolke aus glühenden Trümmern befindet sich ungefähr 2.100 Lichtjahre von der Erde entfernt und erstreckt sich über ungefähr 110 Lichtjahre. Bildrechte: ESA/Hubble
Bild eines jungen Sterns
März: Ein spezielles Bild von IRAS 14568-6304 zeigt einen jungen Stern, der in einen Dunst aus goldenem Gas und Staub gehüllt ist. Er scheint eingebettet zu sein in einen faszinierenden Swoosh aus dunklem Himmel, der sich durch das Bild krümmt und den Himmel dahinter verdeckt. Bildrechte: ESA/Hubble
Der Sternhaufen Trumpler
April: Eine der größten Ansammlungen heißer, massereicher und heller Sterne in der Milchstraße ist der Sternhaufen Trumpler 14. Ein Hubble-Bild aus dem Jahr 2016 hat den Sternhaufen eingefangen, in dem sich einige der leuchtendsten Sterne unserer Galaxie befinden. Bildrechte: ESA/Hubble
Spiralstruktur im Sternbild Triangulum
Mai: Ein Schnappschuss von 2011 zeigt das feine Detail und die außergewöhnlich perfekte Spiralstruktur von NGC 634, die sich 250 Millionen Lichtjahre entfernt im Sternbild Triangulum - Dreieck - befindet. Bildrechte: ESA/Hubble
Sternbild Schwan
Juni: Das 2011 zusammengesetzte Bild von Sh 2-106 zeigt eine kompakte Sternentstehungsregion im Sternbild Cygnus (Schwan), die zwei im Infrarotlicht aufgenommene Bilder kombiniert und eines, das auf eine bestimmte Wellenlänge des von angeregtem Wasserstoffgas emittierten sichtbaren Lichts abgestimmt ist. Bildrechte: ESA/Hubble
Der Saturn
Juli: Ein 2018 zusammengesetztes Bild des Planeten Saturn wird mit sechs seiner 82 bekannten Monde dargestellt: Dione, Enceladus, Tethys, Janus, Epimetheus und Mimas. Bildrechte: ESA/Hubble
Struktur eines Sternausbruchs
August: Die in NGC 5189 sichtbare Struktur ist besonders dramatisch, und ein Hubble-Bild von 2012 enthüllte neue Details des Objekts. Die komplizierte Struktur des Sternausbruchs sieht aus wie ein riesiges und buntes Band im All. Bildrechte: ESA/Hubble
Die Milchstraße in Richtung Sternbild Schütze
September: Eine farbenfrohe und mit Sternen übersäte Ansicht der Milchstraße wurde 2016 aufgenommen, als Hubble seine Kameras auf das Sternbild Schütze richtete. Bildrechte: ESA/Hubble
Sternexplosion im Sternbild Einhorn
Oktober: Im Januar 2002 wurde ein mäßig dunkler Stern namens V838 Monocerotis im Sternbild Monoceros - Einhorn - plötzlich 600.000-mal heller als unsere Sonne. Ein Hubble-Schnappschuss zeigt bemerkenswerte Details in den Staubschalen, die sich während des Ausbruchs des Titansterns entwickelten. Bildrechte: ESA/Hubble
Der Tarantula-Nebel
November: Hubble hat 2011 eine atemberaubende Nahaufnahme eines Teils des Tarantula-Nebels aufgenommen. Dies ist eine sternförmige Region, die reich an ionisiertem Wasserstoffgas in der großen Magellanschen Wolke ist, einer kleinen Galaxie, die an die Milchstraße angrenzt. Bildrechte: ESA/Hubble
Ein symmetrischer Planetennebel
Dezember: Das Hubble-Teleskop enthüllte einen Regenbogen von Farben im sterbenden Stern IC 4406 in einem schönen Bild von 2002. IC 4406 weist wie viele andere Planetennebel ein hohes Maß an Symmetrie auf. Die linke und rechte Hälfte des Nebels sind fast spiegelbildlich zueinander. Bildrechte: ESA/Hubble
Alle (12) Bilder anzeigen

Das Aufblühen des Internetzeitalters verbreitete die Hubble-Bilder in Windeseile. Fotos mussten nicht erst in Zeitungen oder Büchern gedruckt werden. "Die Aufnahmen waren perfekt scharf und bunt – sie haben die Wahrnehmung des Universums für die breite Öffentlichkeit massiv verändert", sagt Ray Villard. Er ist seit 34 Jahren der Leiter für Kommunikation bei Hubble.

Fakt 3: "Für die Öffentlichkeit ist Hubble heilig"

Hubble - diese blecherne Libelle am Nachthimmel. Mit seinen circa 13 Metern Länge und den rund viereinhalb Metern im Durchmesser bringt dieses weitsichtige Insekt der Wissenschaft stolze 11.600 Kilogramm auf die Waage – fast so schwer wie zwei ausgewachsene afrikanische Elefantenbullen und etwas länger als ein Bus. Während seine Linse ins Dunkle starrt, wird es von zwei flügelartigen, an beiden Seiten angebrachten Solarpanels mit Sonnenenergie versorgt. In 500 Kilometern Entfernung – einer Autobahnstrecke von Leipzig nach Köln – schwebt das Teleskop über unseren Köpfen hinweg.

Doch sollte man Hubble jemals abschalten, gebe es einen Aufschrei, als wenn man sein Haustier erschießt.

Ray Villard, Space Telescope Science Institute

Das milliardenschwere Projekt verschlingt mehr Geld als alle Teleskope auf der Erde zusammen. Und dennoch: "Für die Öffentlichkeit ist Hubble heilig. Die NASA kann es niemals abschalten. Klar, irgendwann wird es kaputt gehen. Doch sollte man es jemals abschalten, gebe es einen Aufschrei, als wenn man sein Haustier erschießt", so Villard. "Oft scheinen Wissenschaft und Religion kaum vereinbar, aber bei Hubble ist das nie ein Problem. Seine Bilder tauchen auch in vielen religiösen Schriften auf. Es gibt keine politischen oder kulturellen Grenzen. Die ganze Welt mag Hubble."

Fakt 4: Von dunklen Flecken und bunten Bildern – Hubble ist ein Geschichtsbuch

Hubble Deep Field 1994
"Deep Field"-Aufnahme vom Weltraumteleskop Hubble von 1994. Bildrechte: R. Williams (STScI) / Hubble Deep Field Team / NASA

Doch warum ist das so? Hubble bringt Licht ins Dunkel, wo keins sein dürfte – buchstäblich. Ende 1994 fokussierte Hubble zwei Wochen lang denselben dunklen Fleck im Sternbild Großer Bär. Der Kosmologe Garth Illingworth schwärmt regelrecht von dieser Aufnahme: "Wissenschaftlich ist das Hubble Deep Field herausragend. Dieses 'tiefe Feld' macht einen einfach sprachlos. Vorher war da nichts zu sehen. Die lang belichtete Aufnahme Hubbles zeigte Tausende von Galaxien – eine riesige Großstadt von Sternen, verteilt wie Konfetti im Weltraum."

Hubble ist ein Fernrohr in die Vergangenheit und lässt uns 13,4 Milliarden Jahre zurückblicken. 400 Millionen Jahre zuvor fand der Urknall statt. Uns Menschen gibt es dagegen vermutlich erst seit 300.000 Jahren.

Fakt 5: Das Columbia-Unglück bringt die Mission in Gefahr

2003 stand das Weltraumteleskop kurz vor dem Aus. Ursache war das Unglück des Columbia-Spaceshuttles. Beim Wiedereintritt in die Atmosphäre verglühte die Columbia zusammen mit ihren sieben Crew-Mitgliedern. Die Raumfähre sollte ausrangiert werden. Lediglich die Fertigstellung der Internationalen Raumstation ISS hielt das Projekt bis 2011 am Leben.

Für Hubble war dies keine gute Nachricht. Wartungsarbeiten konnten nicht mehr direkt erfolgen. Eigentlich sollte das Spaceshuttle an das Weltraumteleskop heranfliegen. Doch für einen schnellen Einsatz war es zu weit von der ISS entfernt und die Gefahr war zu groß, um bei einem erneuten Unglück helfen zu können.

Fakt 6: Die Öffentlichkeit rettet Hubble

Für die Chefwissenschaftlerin von Hubble waren dies besonders unruhige Zeiten. Jennifer Wiseman und ihre Kollegen wussten nicht, wie lange die Mission noch weiter gehen würde. Hubble stand vor der Stillschaltung. Doch dann ereignete sich etwas weltweit Einzigartiges:

Die Öffentlichkeit hat weltweit ihre Stimme erhoben und sich für das Weltraumteleskop stark gemacht. Uns hat das sehr geholfen klarzumachen, dass Hubble nicht einfach irgendeine Wissenschaftsmission ist. Es ist das himmlische Auge der Welt.

Jennifer Wiseman, NASA

Selbst Politiker machten sich für das Weltraumteleskop stark – auch, wenn es teilweise für ihren Wahlkampf war. Nach einem langen Vortrag vor der NASA-Mitarbeiterversammlung sagte ihr damaliger Chef Michael Griffin die entscheidenden Worte: "Nach Abwägung aller Risiken könnte die Antwort ja sein – und sie ist ja." Hubble lebt weiter.

Gestützt wurde das Vorhaben von einem Notfallplan: Bei einem Hubble-Einsatz sollte eine zweite Raumfähre auf einer anderen Startrampe bereitstehen. Im Notfall hätte diese die gestrandete Crew innerhalb von zwei Wochen zurück zur Erde bringen können.

Fakt 7: "Vermutlich das erfolgreichste wissenschaftliche Experiment aller Zeiten"

"Hubble ist vermutlich das erfolgreichste wissenschaftliche Experiment aller Zeiten. Ich meine nicht nur in der Astronomie, sondern ganz allgemein", schlussfolgert Mario Livio. Er ist Astronom am Hubble-Institut im amerikanischen Baltimore und hat damit vermutlich recht: Kein anderes wissenschaftliches Projekt verschlingt zehn Milliarden US-Dollar und wird von der Öffentlichkeit so akzeptiert wie Hubble.

"Hubble ist ein Drama aus Wissenschaft, Reisen durch Raum und Zeit und dem Einsatz von Astronauten", so Villard. Und dennoch hat das Hubble-Teleskop den Blick auf das Universum geweitet und selbst für Menschen, die nichts mit Astronomie zu tun haben, den Weltraum verständlich gemacht. Ohne Hubble wäre die Entdeckung der Dunklen Energie nicht möglich gewesen, man könnte nicht so weit in den Orbit schauen und die Atmosphäre eines fernen Planeten messen. Hubble hat der Menschheit eine Welt voll ferner Galaxien und explodierender Sterne geliefert.

Hubbles Zukunft und sein Nachfolger

Dabei sollte das Teleskop nur zehn Jahre im Weltall verbringen. Etliche Reparaturen und Modernisierungen haben das neue Fenster ins Universum möglich gemacht. Am Leben gehalten wurde Hubble aber von dem Wunsch und Willen der breiten Öffentlichkeit.

Sein Nachfolger, das James-Webb-Weltraumteleskop, steht bereits seit 2014 in den Startlöchern. Doch auch hier gab es Probleme, die einen Start unmöglich machten. Seitdem wird der Nachfolger verbessert und modifiziert. In einem Jahr soll es dann in die Fußstapfen von Hubble treten. Der Launch ist für den 30. März 2021 angesetzt. Hubble wird 2024 im hohen Satelliten-Alter von 34 Jahren außer Betrieb genommen. Es wird dann in die Atmosphäre geleitet und dort zu Asche verfallen. Doch eins ist sicher: Die Weltbühne wird ihren himmlischen Star in Erinnerung behalten.

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