eine Hand greift auf den Brustkorb eines Roboters
Wissenschaftler der TU München haben eine sensible, künstliche Haut für Roboter entwickelt. Bildrechte: Astrid Eckert /TUM

Humanoiden mit "Körpergefühl" Künstliche Haut für Roboter

11. Oktober 2019, 12:31 Uhr

Münchner Wissenschaftler haben eine sensible, künstliche Haut für Roboter entwickelt. Sie verleiht den Humanoiden ein völlig neues "Körpergefühl", auch an den Fußsohlen. Roboter in Pflegeberufen werden nun immer realer.

Roboter werden immer leistungsstärker. Aus der Industrie sind die Hochleistungsmaschinen mit ihrer künstlichen Intelligenz schon lange nicht mehr wegzudenken. Humanoide, also dem Menschen ähnliche Roboter, sollen in der Zukunft auch im Pflege-Bereich eingesetzt werden. Allerdings können die Maschinen Kräfte ausüben, die Menschen schwer verletzen können. Was Robotern bislang fehlte, war ein "Körpergefühl", das die Maschinen zum behutsamen Umgang mit Menschen befähigt.

Umwelt detailliert wahrnehmen

Ein Mann sitzt, hinter ihm steht ein Roboter.
Prof. Gordon Cheng vor dem von ihm und seinem Team mit einer künstlichen Haut ausgestatteten Humanoiden H-1. Bildrechte: Astrid Eckert /TUM

Wissenschaftlern der Technischen Universität München (TUM) unter der Leitung von Prof. Gordon Cheng ist es nun gelungen, eine sensible künstliche Haut zu entwickeln. Durch sie ist es Robotern möglich, ihre Umwelt viel detaillierter und feinfühliger als bisher wahrzunehmen. Das hilft den Maschinen nicht nur dabei, sich selbst viel perfekter zu bewegen. Auch im Umgang mit Menschen können sie dadurch sicherer agieren und Unfälle vermeiden.

"Haut"-Zellen mit Sensoren

Ein Mann hält seine Hand auf den Brustkorb eines Roboters.
H-1 verfügt über 1.260 Zellen mit mehr als 13.000 Sensoren. Bildrechte: Astrid Eckert /TUM

Basis des von biologischen Vorbildern inspirierten Systems aus künstlicher Haut und Steuerungsalgorithmen sind sechseckige "Haut"-Zellen in der Größe einer Zwei-Euro-Münze. Jede ist mit einem Mikroprozessor und Sensoren ausgestattet, die Berührung, Beschleunigung, Annäherung und Temperatur messen. Cheng, Professor für Kognitive Systeme an der TUM, hat die Zellen bereits vor rund zehn Jahren entwickelt. Ihr volles Potenzial zeigt diese Erfindung aber erst als Teil eines raffinierten Systems, das jetzt im Fachmagazin "Proceedings of the IEEE" vorgestellt wurde.

Rechenaufwand entscheidend minimiert

Das Entscheidende dabei ist, dass es Cheng und seinem Forscherteam gelang, den Rechenaufwand für die Verarbeitung der Daten aus den Sensoren um bis zu 90 Prozent zu reduzieren. Ein ereignisbasiertes System sorgt dafür, dass die einzelnen "Haut"-Zellen nicht permanent überwacht werden, sondern die Informationen ihrer Sensoren nur dann weitergeben, wenn sich Messwerte ändern. Unser menschliches Nervensystem arbeitet übrigens ähnlich. Es konzentriert sich auf Eindrücke, auf die der Körper reagieren muss, und nicht auf solche, bei denen eine Reaktion unnötig ist.

Roboter mit sensiblen Fußsohlen

Am Lehrstuhl für Kognitive Systeme der technischen Universität München entwickelt Prof. Gordon Cheng künstliche Haut für humanoide Roboter und menschenähnliche Maschinen, die taktile Rückmeldung bei Annäherung und Berührung gibt.
Mit seinen "Haut"-Zellen kann H-1 am Oberkörper, an Armen, Beinen und sogar auf den Fußsohlen "fühlen". Bildrechte: Astrid Eckert /TUM

Durch den ereignisbasierten Ansatz war es erstmals möglich, einen menschengroßen, nicht auf externe Rechenleistung angewiesenen autonomen Roboter mit künstlicher Haut auszustatten. Der von Cheng und seinem Team konditionierte Roboter H-1 verfügt über 1.260 Zellen mit mehr als 13.000 Sensoren an Oberkörper, Armen, Beinen und sogar auf den Fußsohlen. Sie sorgen bei dem Humanoiden für ein völlig neues Körpergefühl. Beispielsweise hilft die Haut auf den Fußsohlen H-1 dabei, auf Unebenheiten im Boden zu reagieren und sogar auf einem Bein zu balancieren.

Sichere Umarmung möglich

Ein Labor: im Vordergrund mehrere Menschen an Computern, im vorderen Bildbereich steht ein Roboter, und zwei Männer rechts und links neben ihm haben ihre Hände auf seinem Körper.
Durch ein ereignisbasiertes System kommt H-1 ohne Rechenleistung von außen aus. Bildrechte: Astrid Eckert /TUM

Durch seine künstliche Haut ist H-1 in der Lage, einen Menschen sicher zu umarmen, ohne diesen zu verletzen. Bei Umarmungen hat ein Roboter an vielen verschiedenen Punkten Kontakt mit einer Person und muss aus diesen komplexen Informationen sehr schnell die richtigen Bewegungen und den passenden Kraftaufwand berechnen. "In der Industrie mag das weniger wichtig sein, aber in Bereichen wie der Pflege müssen Roboter auf einen sehr engen Kontakt mit Menschen ausgerichtet sein", erklärt Gordon Cheng.

Roboterhaut: Viele Zellen machen sie flexibel

Chengs System ist im Übrigen besonders robust und variabel. Dadurch, dass die Roboter-Haut nicht aus einem Stück, sondern aus vielen Zellen besteht, bleibt die Funktionsfähigkeit erhalten, wenn einzelne Zellen ausfallen. Diese können übrigens auch gewechselt werden. Das System sei zudem darauf ausgerichtet, problemlos und schnell mit allen möglichen Robotertypen zu funktionieren, so Cheng. Und: "Jetzt arbeiten wir daran, kleinere Hautzellen zu entwerfen, die in Zukunft in größeren Mengen hergestellt werden können."

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | LexiTV | 19. Februar 2015 | 15:00 Uhr