#autofrei Magdeburg: Autonomes Lastenfahrrad soll straßentauglich werden

06. August 2020, 14:42 Uhr

Weltweit arbeiten Forscher und Firmen an autonomen Autos. Die Lösung für die Stadt könnte aber viel einfacher sein: Das autonome Fahrrad. Entwickelt wird es in Magdeburg. Und nicht nur dort soll es schon in wenigen Jahren durch die Stadt rollen.

Autonomes Fahrrad 4 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Nicht mit dem Auto, sondern dem Fahrrad Taschen, Baumaterial, den Umzug oder Einkauf transportieren – das geht mit einem Lastenfahrrad. Und das erlebt seit einigen Jahr einen echten Boom. Verleiher und Händler in Stadt und Land bieten sie an. Doch die Räder - vor allem mit Elektroantrieb - sind teuer, kosten oft mehrere tausend Euro. Abhilfe schaffen sollen Sharing-Konzepte, bei denen verschiedene Nutzer sich ein Fahrrad teilen oder gegen eine Gebühr leihen. Doch wie kommt das Lastenfahrrad von Nutzer zu Nutzer? Am besten ganz allein, autonom, mit einem Klick.

Forscher der Otto-von-Guericke Uni haben so ein selbstfahrendes Lastenfahrrad entwickelt. Wissenschaftler und Studierende der Studiengänge Informatik, Mechatronik, Maschinenbau und Elektromobilität basteln seit 2016 an dem autonomen Rad. Noch rollt es über das Testgelände am Magdeburger Hafen. Nach derzeitigem Entwicklungsstand könnte es vielleicht Ende 2022 auf die Straße kommen.

Autonomes Fahrrad soll allein zum nächsten Nutzer fahren

"Der PKW  ist aufwendig und teuer. Für eine kleinere oder mittelgroße Universität wie hier in Magdeburg musste es ein einfacherer Versuchsträger sein. Dann haben wir überlegt, man könnte das Ganze ja am Fahrrad ausprobieren", erklärt Dr. Stephan Schmidt, der Projektleiter "Autonomes Fahrrad" die Idee. Ziel sei, ein Rad zu bauen, das viele Menschen zusammen nutzen können. Im Rahmen von Sharing-Projekten könnten sich die Nutzer das Rad teilen und für ihre benötigte Zeit buchen. Am Ziel kann das Gepäck entladen und das Rad "entlassen" werden. Das Lastenfahrrad fährt dann autonom zurück ins Depot oder zum nächsten Nutzer.

GPS-Antenne für die Position, Notschalter für die Sicherheit

Doch wie soll das gelingen? Mit einer GPS-Antenne am Fahrrad wollen die Wissenschaftler die Position des Fahrrads orten, ein Lenkmotor automatisiert die Richtungswechsel. In einer Box ist die gesamte Rechnertechnik mit verbaut. "Am Hafen sind wir auf einem abgeschlossenen Werksgelände. Hier brauchen wir keine Zulassung, weil wir uns außerhalb der STVO bewegen und können viel experimentieren", erklärt Schmidt. Um Hindernisse wahrzunehmen, sei das Fahrrad mit einem Laserscanner sowie mit einer Kamera ausgestattet. Zur Sicherheit gibt es einen Funk-Notschalter.

"Falls das System außer Kontrolle gerät, können immer zwei Menschen den Notschalter betätigen", sagt Schmidt. "Wir wollen ja die Sicherheit gewährleisten und niemanden verletzen."

Lastenfahrrad an der Rufsäule oder am Handy bestellen

Wie gut ist das Lastenfahrrad steuerbar? Funktionieren die Abläufe? Devina Manoeva, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt "Autonomes Fahrrad" testet die Verbindung zum Fahrrad. An einer Rufsäule bestellt sie das Lastenfahrrad. Dieses ortet die Säule und kommt tatsächlich direkt dorthin gefahren. Nachdem es angekommen ist, schwingt sich Devina selbsttätig auf den Sattel und tritt in die Pedale, ein Elektromotor unterstützt sie dabei. Später soll es sogar möglich sein, das Fahrrad mit dem Handy zu bestellen.

Kommt ein autonomes Fahrrad sicher durch den Verkehr?

Doch wie kann ein Fahrrad autonom und sicher durch die Gegend fahren? Erkennen Sensoren Risiken, können sie das Rad schnell ausweichen lassen oder stoppen. "An unserem System zur Umgebungswahrnehmung müssen wir noch weiter arbeiten", erklärt Stephan. Bewegung im Straßenverkehr sei komplex. Das System müsse nicht nur mit Ampeln interagieren, sondern auch Verkehrszeichen erkennen, Straßen und Fußwege trennen, Linienführung erfassen und vor allem Menschen wahrnehmen.

Bald schon will Forscher Schmidt diese Probleme gelöst haben, mit Hochdruck arbeitet er mit seinen Mitarbeitern für eine Zulassung im Straßenverkehr. Wenn alles klappt, könnt man vielleicht schon in ein paar Jahren in Magdeburg nach dem Einkauf ein Lastenfahrrad bestellen. Damit ließe sich der Wochenendeinkauf spielerisch und umweltfreundlich nach Hause fahren.

(as/kt)

2 Kommentare

nilux am 06.08.2020

Zitat: "Der PKW ist aufwendig und teuer"
Das hat aber auch "gute" Gründe. Jahrelang wurde im Automobilbereich an der Verbesserung der passiven Sicherheit der Fahrer geforscht, lange wurde über die Gurtpflicht diskutiert oder Bremsassistenten etabliert.
Ganz ehrlich, ich halte ein autonomes Lastenrad vom Gefährdungspotential her für äußerst bedenklich. Das Abbremsen einer Zuladung von 100 kg (darunter wäre ja sinnlos) muss man technisch bei einem solch filigranem Gefährt erstmal beherrschen, bevor man dies auf die Allgemeinheit loslässt. Vorher sollte dies auf keinen Fall eine Zulassung bekommen.

part am 05.08.2020

Eine Voraussetzung für Autonomes Fahren ist ein funktionieendes Funknetz mit Netzabdeckung. Die BRD liegt dabei in ihrer Entwicklung im unteren Mittelfeld, selbst bestimmte Balkanländer haben eine bessere Infrastruktur. In Erfurt bekommt es die Stadtverwaltung nicht mal gebacken zyklische Störungen im Verkehrssignalsystem im Stadtteil Rieth endlich zu beseitigen. Ständig nur Chaos durch Transpondersysteme von Bahnen und Bussen. Ich wünsche mir deshalb keine autonomen Drahtesel sondern das einige E... endlich ihre hoch honorierten Aufgaben wahrnehmen.