Chemnitzer Forschung Schneemangel? Die Pisten von morgen sind aus Kunststoff

13. Januar 2021, 12:17 Uhr

Es ist Essig mit dem Wintersport, wenn der Schnee fehlt. Wer Skigebiete betreibt, muss sich also etwas einfallen lassen. Das könnten spezielle Matten aus Kunststoff sein, auf denen sich genauso gut Ski laufen lässt wie auf echtem Schneebelag. Ein Startup-Unternehmen aus Chemnitz will solche Matten jetzt in großem Stil auf den Markt bringen. Aber ist das wirklich eine Alternative, um dem Klimawandel ein Schnippchen schlagen?

Normalerweise sollten die Wälder Ende Januar tief verschneit sein und die Pisten perfekt präpariert. Doch statt weißer Pracht gibt es vielerorts nur trostloses Braun, von Winter kaum eine Spur. Das allerdings ist nicht das erste Mal, sagt Diana Weise, Meteorologin im MDR-Wetterstudio:

Im Februar 2019 gab es ein Monatsmittel von 1 Grad plus auf dem Brocken und auf dem Fichtelberg 0 Grad. Seit den 90er-Jahren ist die Anzahl der Tage mit Schneedecke im Durchschnitt gesunken. Im Dezember 2000 gab es auf dem Fichtelberg nur 18 Tage mit einer Schneedecke. 1994 waren es im Dezember nur 15 Tage, die eine Schneedecke aufweisen konnten.

Diana Weise, MDR Wetterstudio

Klimaforscher beobachten dieses Phänomen schon länger und weisen darauf hin, dass die Schneesicherheit in den Gebirgen stetig abnimmt. In diese Lücke stößt das Chemnitzer Unternehmen Mr. Snow, das aus einem Projekt der TU Chemnitz hervorgegangen ist. Die Firma produziert Kunststoffmatten, die überall ausgelegt werden können. Sie sind einfach zu montieren und sollen trotz fehlenden Schnees Wintersport möglich machen. Für Geschäftsführer Jens Reindl spielt auch ein ökologischer Faktor mit:

Was wir unterstützen wollen, ist, dass man nicht noch weiter weg fährt und in noch höhere Lagen und noch mehr Gletscher ausbeutet. Sondern, dass man regional Ski fahren kann, vielleicht auch mal nach Feierabend. Vielleicht kann man auch mit der Straßenbahn oder der S-Bahn hinfahren.

Jens Reindl

Die Matten bestehen aus einem speziellen Kunststoff, der zu einer langen Faser verarbeitet wird. Aus dieser Faser formt eine Webmaschine Schlaufen, die in regelmäßigen Abständen auf den mehrschichtigen und luftdurchlässigen Matten aufgetragen werden. So entsteht ein robuster Teppich, erklärt der technische Leiter der Firma, Felix Neubert. Darauf könne der Ski fast genauso gut gleiten wie auf echtem Schnee - allerdings braucht es dafür ein wenig Übung:

Man braucht immer ein paar Fahrten, um sich an das Material zu gewöhnen. Aber dann hat man sowohl im Langlauf als auch im alpinen Bereich Eigenschaften, die komplett dem entsprechen, was ich auch im Schnee gewohnt bin.

Felix Neubert

Wintersportvergnügen ohne Schnee

Skimatten aus speziellen Fasern - ist das die Zukunft des Wintersports? Eine Chemnitzer Firma vertreibt den gewebten Schneeersatz.

Eine Berglandschaft mit zerklüfteten Felsen. Über die grüne Wiese zieht sich eine weiß ausgelegte Kunstfaser-Piste
Eine schmale Piste auf der Tschentenalp im Berner Oberland - ist das die Skiarena von morgen? Bildrechte: Mr. Snow
Eine Berglandschaft mit zerklüfteten Felsen. Über die grüne Wiese zieht sich eine weiß ausgelegte Kunstfaser-Piste
Eine schmale Piste auf der Tschentenalp im Berner Oberland - ist das die Skiarena von morgen? Bildrechte: Mr. Snow
Auf einer grünen Bergwiese liegt eine riesige weiße Bodenmatte. Darauf fahren zahlreiche Skifahrer den Hang runter.
Es geht auch die breite Fläche, wie hier auf einer Piste der Skischule Maria Alm. Bildrechte: Mr. Snow
Ein Berghang, mit grüner Wiese. Darauf zwei weiße Streifen, ein Skilift.
Und genau wie im Schnee muss man bei der Abfahrt auf der Matte das richtige Gefühl in den Beinen haben. Bildrechte: Mr. Snow
Auf einem Bergabhang liegt eine künstliche Matte. Ein Snowboardfahrer mit Knieschützern springt über eine Rampe. Auf der Wiese daneben stehen Leute und schauen zu. Es ist Sommer, die Sonne scheint.
Im Sommer Snowboarden: Macht dicke Skiklamotten überflüssig - wobei die an sich auch gegen Schrammen und Schürfwunden schützt. Bildrechte: Mr. Snow
Wintersportler im Sommer: Link sim Bild fahren Langläufer über einer weißen Matte auf einer Wiese, rechts fahren Skifahrer.
Langlauf oder Abfahrt geht auf der Synthetikmatte auch im Sommer. Bildrechte: Mr. Snow
Eine Rodelbahn im Sommer - die Bahn besteht aus einer synthetischen Faser. Ein Mädchen in Sommerkleidung sitzt in einem Reifen und fährt den Berg hinunter.
Auch Reifenrodeln kann man auf den Matten. Bildrechte: Mr. Snow
Blick von oeben auf eine Rodelbahn aus Kunstfaser. Ein Kind fährt in einem Reifen den Hang hinunter.
Ein Spaß, für den man keine Skikenntnisse braucht. Bildrechte: Mr. Snow
Nachtaufnahme vor dem Potsdamer Bahnhof: Eine Rodelbahn auf Kunstfaser lädt zum Wintervergnügen ein. Im Hintergrund beleuchtete Hochhäuser.
Und man muss dafür nicht mal auf einen Berg fahren. Bildrechte: Mr. Snow
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Fahrgefühl ähnelt dem auf nassem Frühjahrsschnee

Mr. Snow arbeitet mit synthetischen Stoffen, die strapazierfähig und langlebig sind. Damit es gut gleitet, müssen Anzahl und Dichte der Schlaufen stimmen, sowie deren Höhe, denn die Kontaktfläche zwischen Ski und Belag ist klein. Fühlt sich das dann wirklich an wie richtiger Schnee?

Die Gleitreibung entspricht ungefähr nassem Frühjahrsschnee. Es ist nicht das perfekte Pulver. Aber wir haben hier einen Gleitwert, der auch in der Realität im Schnee auftritt.

Felix Neubert

An der richtigen Kunststoff-Rezeptur wurde lange geforscht. Allerdings gilt Kunststoff als nicht besonders umweltfreundlich. Wie passt dann so eine Matte in die Natur? Firmengründer Jens Reindl ist sich bewusst, dass sein Produkt hier eine Schwachstelle hat. Er erklärt, warum natürliche Rohstoffe bei der Verarbeitung ausscheiden:

Nehmen wir Baumwolle, dann ist sie der Umwelt ausgesetzt, dann regnet es regelmäßig drauf und die Sonne scheint drauf, Pilze setzen sich an.

Jens Reindl

Schneematte statt Schneekanone?

Solche Prozesse garantieren keine stabile Fahrqualität. Reindl zufolge würde die Firma gern mehr nachwachsende Rohstoffe verarbeiten, wenn sich die Rohstoffe nicht zu schnell zersetzen würden. Die Matten könnten, wenn es nach Reindl ginge, auch die umstrittenen Schneekanonen überflüssig machen.

Theoretisch könnte man zehn Jahre lang die Schneekanone abschalten, das würde keinerlei Energie und Wasser mehr verbrauchen. Außerdem muss man den Schnee nicht mehr breit fahren und präparieren. Und trotzdem hat man eine super Trainingsfläche.

Jens Reindl

Und das nicht nur im Winter. Kunststoffmatten sind vielleicht der Schnee von morgen - man kann sie auch im Sommer befahren.

Dieses Thema im Programm: MDR aktuell | Radio | 02. Februar 2020 | 09:20 Uhr

3 Kommentare

MDR-Team am 03.02.2020

Lieber Nutzer,
der Hersteller ist sich bewusst, dass dieses Problem besteht und begründet, warum natürliche Rohstoffe bei der Verarbeitung ausscheiden. Gleichzeitig hebt er aber positive ökologische Effekte hervor: "Was wir unterstützen wollen, ist, dass man nicht noch weiter weg fährt und in noch höhere Lagen und noch mehr Gletscher ausbeutet." Und weiter: "Theoretisch könnte man zehn Jahre lang die Schneekanone abschalten, das würde keinerlei Energie und Wasser mehr verbrauchen".
Es gibt also Vor- und Nachteile bei dem Produkt.
Freundliche Grüße aus der MDR-Wissen-Redaktion

part am 02.02.2020

Applaus, applaus denn das Rad wird neu erfunden und auch die Berichterstattung darüber. Viele kennen noch die DDR- Faltboot- Haut aus PVC, die auch bei Faltbooten aus anderen Staaten zum Einsatz kam. Eben diese PVC- Art wurde verwendet um mit etwas Wasser im Fluß eine Sommer- Sprungschanze zu kreiren, da auch vor über 30 Jahren der Winter nicht immer sicher war und Trainingspausen keine Höchstleistungen hervorbringen. Mit etwas natürlichen Algenbesatz ließ sich sogar die Gleitwirkung noch erhöhen. Trotzdem schön das nun andere oder ähnliche Alternativen Einzug halten in Sportarten zum Gleiten auf Untergrund.

Wir sind Steimle. am 02.02.2020

Genau, noch mehr Müll produzieren. Die Menschen haben nichts kapiert.