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Künstlerisches Konzept von Solarscheiben auf einem elektrisch betriebenen Weltraumschlepper, der die Paneels von der erdnahen Umlaufbahn (LEO) zur geostationären Umlaufbahn (GEO) befördert. Bildrechte: NASA

SonnenenergieExtrem dünne Leichtbau-Solarzellen für Energie aus dem Weltall

06. Juni 2023, 17:00 Uhr

Wer auf Weltraumreise gehen will, braucht Energie – am besten erneuerbare Energie. Was es in unserem Sonnensystem in rauen Mengen gibt, ist Sonnenenergie. Doch Solarzellen sind heute immer noch recht schwer – zumindest, wenn man bedenkt, dass jedes Kilogramm an Fracht für den Transport in den Weltraum mehrere Tausend Euro kostet. Eine ultradünne Leichtbau-Solarzellen-Technologie könnte hier Abhilfe schaffen. Und wie die Energie zur Erde gelangt, wissen Forschende ebenfalls.

von Patrick Klapetz

Der Weltraum wird immer voller und alles, was dort oben an menschgemachten Geräten herumfliegt, benötigt auch Energie. Für kleine Satelliten reicht meist der mitgeführte Treibstoff aus. Für Raumsonden und Weltraumstationen muss die Energie jedoch länger halten. Mehr Treibstoff ist dabei kaum eine Lösung, denn dieser müsste auch in den Weltraum gelangen. Doch jedes Kilogramm, das wir ins All schicken, kostet mehrere Tausend Euro. 

Erneuerbare Energien wären da eine Lösung. Solarpaneele sind in der Raumfahrt eine gängige Alternative, sei es für Raumsonden oder die Internationale Raumstation ISS. Diese wird voraussichtlich im Jahr 2031 in Rente gehen und zum Verglühen in die Erdumlaufbahn gelenkt. In der Zwischenzeit sollen die ersten kommerziellen Raumstationen in den Orbit gebracht werden.  

Die Internationale Raumstation ISS mit ihren Solarzellen. Bildrechte: NASA

Um hier noch einmal Kosten und damit Gewicht zu sparen, könnte die Entwicklung von neuen Leichtbau-Solarzellen für die Raumfahrt ein Gewinn sein. Denn wenn es um die Energieversorgung für die Weltraumforschung und -besiedlung geht, sind die gängigen Solarzellen aus Silizium oder Galliumarsenid noch zu schwer, um mit einer Rakete transportiert zu werden.

Ultradünne Solarzellen-Schichten: Ein Haar ist tausendmal dicker

Ein Forschungsteam der Universität von Pennsylvania schlägt nun ein Design für eine neue Solarzellen-Technologie vor: 2D-Übergangsmetalldichalcogenid-Solarzellen (2D-TMDC; Transition-metal dichalcogenide). Was für ein komplizierter Name! Dahinter stecken atomar dünne Halbleiter, die aus einem Übergangsmetallatom und einem Chalcogenatom bestehen – wobei sich die Schicht des Übergangsmetallatoms zwischen jeweils einer Schicht von Chalcogenatomen befindet. Der Begriff 2D soll dabei ihre außerordentliche Dünnheit unterstreichen.  

Keine Angst, wir tauchen jetzt nicht noch tiefer in die Physik der Materialwissenschaft ein. Was wichtig ist: Diese neuartigen Solarzellen sind sehr dünn und damit leicht. Eine einzige Schicht ist mehr als tausendmal dünner als ein menschliches Haar und somit nur wenige Atome dick. 

"Ich denke, dass die Menschen langsam erkennen, dass 2D-TMDCs ausgezeichnete photovoltaische Materialien sind, wenn auch nicht für terrestrische Anwendungen, sondern für Anwendungen, die mobil und flexibler sind wie bei weltraumgestützte Anwendungen", erklärt Deep Jariwala, der Hauptautor der Studie. "Eine hohe spezifische Leistung ist eigentlich eines der wichtigsten Ziele jeder weltraumgestützten Technologie zur Lichtsammlung oder Energiegewinnung. Das ist nicht nur für Satelliten oder Raumstationen wichtig, sondern auch, wenn man eine wirklich nutzbare Solarenergie im Weltraum will."

Die Solaranlage fürs Weltall

Denn eine Möglichkeit, den weltweiten Strombedarf in Zukunft zu decken, ist die Errichtung eines riesigen Satellitennetzwerkes aus Solaranlagen. Jedoch wäre die Anzahl der Solarzellen, die man in den Weltraum transportieren müsste, zu groß für jedes derzeitiges Raumfahrzeug, schlussfolgert Jariwala. Vor allem aber wäre dieses Unterfangen wirtschaftlich gesehen viel zu teuer. Die Lösung wäre, "auf leichtere Zellen zurückgreift, die eine viel spezifischere Leistung liefern", so der Wissenschaftler. 

Dieses künstlerisches Konzept aus dem Jahr 1976 zeigt einen Solarstrom-Satelliten im Einsatz. Gezeigt wird die Anordnung einer Mikrowellenübertragungsantenne. Der Solarstromsatellit sollte sich in einer geosynchronen Umlaufbahn befinden, die fast 36.000 Kilometer über der Erdoberfläche liegt. Bildrechte: NASA

Die 2D-TMDC-Solarzellen würden dieses Problem lösen. Zwar sind sie weniger effizient als handelsübliche Silizium-Solarzellen. Dafür stehen sie noch am Anfang ihrer Entwicklung und sind ultradünn und leicht. Ihr Gewicht ist sogar "100-Mal geringer als das von Silizium- oder Galliumarsenid-Solarzellen", erklärt Jariwala. Damit ist die neue Technik perfekt für den Einsatz im Weltraum geeignet. Jetzt gibt es aber zwei Herausforderungen. 

Herausforderung 1: Die Solarzellen haben einen geringen Wirkungsgrad

Die neuen ultradünnen Solarzellen haben nur einen Wirkungsgrad von fünf Prozent. Das Forschungsteam hat jedoch herausgefunden, dass sich dieser durch ein besseres Design erhöhen lässt. Ein Wirkungsgrad von zwölf Prozent wäre möglich – jedoch nur nach Modellen. Aber was bedeutet überhaupt Wirkungsgrad? 

Bei einer Solarzelle beschreibt der Wirkungsgrad, wie viel Prozent der auf die Zelle fallenden Sonnenenergie in Strom umgewandelt wird. Bei einer Photovoltaikanlage wird dabei auch der Verluste berücksichtigt, der bei der technischen Nutzung des erzeugten Solarstroms anfällt. Ein Wirkungsgrad von fünf Prozent ist damit wirklich nicht allzu viel, jedoch ist dieser Wert auch bei guten Anlagen aus physikalischen Gründen auf 30 bis 40 Prozent begrenzt. An der ersten Herausforderung lässt sich somit weiter arbeiten.

Herausforderung 2: Wie kommt der gespeicherte Strom vom Weltraum zur Erde?

Komplizierter wird es mit der Übermittlung des Stroms zur Erde. Eine Trasse lässt sich nicht bauen, denn für so etwas wie einem Weltraumaufzug fehlt uns definitiv noch die notwendige Technologie und das nötige Know-how. Der Energieaufwand wäre dafür viel zu hoch und das dafür notwendige Seil müsste mindestens doppelt so lang sein wie die Strecke von den Satelliten zur Erde ist – ähnlich wie bei einem Aufzug auf der Erde. 

Die Energie könnte aber beispielsweise in Landekapseln gespeichert werden. Wenn der Energiespeicher voll ist, werden diese zur Erde fliegen. Dabei müssen sie natürlich mit einem Hitzeschild ausgestattet sein, sonst würden sie in der Erdatmosphäre vermutlich explodieren. Denn das, was von dort oben herunterkommt ist quasi eine große und hitzeempfindliche Batterie. 

Falls diese tatsächlich explodieren sollte, dürfte dies nicht über Land passieren. Der Transport würde dann vermutlich mit Frachtschiffen in den Ozean erfolgen. Doch dann müssten auch wieder neue Speicherzellen in den Weltraum gebracht werden. Ansonsten würde ein Solaranlagen-Netzwerk im Orbit wenig Sinn machen. Klingt also sehr aufwendig.

Mikrowellen könnten gespeicherte Sonnenenergie zur Erde bringen

Jedoch gibt es die Möglichkeit, den Solarstrom mit Mikrowellen zur Erde zu schicken. Ein solcher Versuch ist einem Forschungsteam am Caltech (California Institute of Technology) vor Kurzem in ihrem Maple-Experiment gelungen. Maple steht für Mikrowellen-Empfangs- oder Sendeantennen für Leistungsübertragung in niedriger Umlaufbahn Experiment (Microwave Array for Power-transfer Low-orbit Experiment). Dieses hat das Forschungsteam am 3. Januar 2023 in den Orbit geschickt und bis jetzt ist alles nach Plan verlaufen. 

"Durch die bisher durchgeführten Experimente haben wir die Bestätigung erhalten, dass Maple erfolgreich Energie an Empfänger im Weltraum übertragen kann", sagt Ali Hajimir. Er ist der Leiter des Experiments und Professor für Elektrotechnik und Medizintechnik. Das Experiment verfügt über zwei separate Empfänger-Antennen. Diese sind etwa einen Meter vom Sender entfernt.

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Um die vollständige Abfolge der drahtlosen Energieübertragung über eine Entfernung im Weltraum zu demonstrieren, musste das Experiment mehrere Phasen durchlaufen. Zunächst musste die entsandte Energie empfangen werden, dann in Gleichstrom umgewandelt werden, damit diese schließlich ein LED-Paar zum Leuchten bringt. Das Experiment ist nicht versiegelt und damit den rauen Bedingungen des Weltraums ausgesetzt gewesen. Dazu gehören die Sonneneinstrahlung und die damit verbundenen starken Temperaturschwankungen.

Dennoch ist es dem Team gelungen, jede LED einzeln zum Leuchten zu bringen und zwischen ihnen hin- und her zu schalten. "Wir waren auch in der Lage, das Array so zu programmieren, dass es seine Energie auf die Erde richtet, was wir hier am Caltech festgestellt haben." Diese gesendete Energie wurde von einem Empfänger auf dem Dach des Gordon and Betty Moore Laboratory of Engineering auf dem Caltech-Campus in Pasadena erfasst.

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"So wie das Internet den Zugang zu Informationen demokratisiert hat, hoffen wir, dass die drahtlose Energieübertragung den Zugang zu Energie demokratisiert. Es wird keine Energieübertragungsinfrastruktur vor Ort benötigt, um diese Energie zu empfangen", sagt Hajimiri. Abgelegene Regionen und Gebiete haben somit Zugang zur grünen Energie – selbst wenn gerade eine Naturkatastrophe passiert ist oder ein Krieg herrscht.

Solarfarmen im Weltall

Der Vorteil einer Solarfarm im All ist, dass sie wesentlich mehr Sonnenenergie erfassen kann, als es unsere Solarfarmen auf der Erde könnten. Denn 50 bis 60 Prozent der Sonnenstrahlung geht durch Reflexionen und Absorptionen in der Erdatmosphäre verloren. Weltraumgestützte Solarenergie (SBSP, engl. space-based solar power) könnte somit ein weltweites Energieproblem lösen. 

Zudem würden die riesigen Quadratkilometer großen Satelliten die Erde in einer Entfernung von 36.000 Kilometern umrunden. Die Satelliten-Solaranlagen könnten rund um die Uhr laufen. Jahreszeiten und Bewölkung würden ebenfalls kein Problem mehr bei der Energiegewinnung darstellen. Es macht durchaus Sinn, eine Solarfarm im All zu platzieren und auch technisch wäre es möglich. Die europäische Raumfahrtbehörde Esa arbeitet beispielsweise an dem Projekt Solaris.

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Das Problem ist bloß, dass eine solche Anlage im Weltall mehrere Hunderte Megawatt bis einige Gigawatt an Strom liefern müsste. Ansonsten wäre es gegenüber den Kraftwerken auf dem Erdboden nicht konkurrenzfähig. Bis zum Solarkraftwerk im Erdorbit wird es also noch etwas dauern – die neue Solarzellen-Technik ist auf jeden Fall ein wichtiger Schritt dafür. 

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