Virtueller Einzelhandel Forschung in Leipzig: So bleiben Innenstädte attraktiv

Wie kaufen Sie am liebsten ein? Gehen Sie noch in Geschäfte oder shoppen Sie lieber von der Couch aus online durch ein riesiges Sortiment? Wie wäre es denn beides miteinander zu verknüpfen? Genau das ist der Ansatz eines Forschungsprojekts. Ausgerechnet im Karstadt-Gebäude in der Leipziger Innenstadt haben Forscher ein Reallabor aufgebaut und testen, wie die Zukunft des Einkaufens aussehen kann und wie sie bei den Kunden ankommt.

Integriertes Service System für den Crosschannel-Handel in der Zukunftsstadt.
Schaubild: Integriertes Service-System für den Crosschannel-Handel in der Zukunftsstadt. Bildrechte: SALT Solutions AG

Auf der Peterstraße in der Leipziger Innenstadt herrscht reger Trubel. So belebt wie hier sind nur noch wenige Innenstädte: Kleine Händler schließen, die Konkurrenz aus dem Internet ist zu groß. Nach ein paar Jahren der Schreckstarre, hat sich aber auch bei den Einzelhändlern die Erkenntnis durchgesetzt, dass es ohne das Internet nicht mehr geht, erklärt Dr. Tanja Korzer vom Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft der Universität Leipzig. Gemeinsam mit der Handelshochschule Leipzig (HHL) und der Kühne Logistics University aus Hamburg sucht sie deshalb im Projekt SURTRADE nach Lösungen. Denn das Problem zu erkennen, ist die eine Sache.

Aber viele schaffen das einfach aus eigener Kraft nicht. Sie haben nicht so viele personelle und finanzielle Ressourcen wie ein Filialist, der da sehr viel Geld investieren kann.

Dr. Tanja Korzer, Institut für Stadtentwicklung

Und wenn man es ernst meint und die Vielfalt, die die Innenstadt ausmacht, erhalten will, so Tanja Korzer, dann muss man die individuellen Einzelhändler unterstützen, ihnen beim Zugang helfen, ihnen "sozusagen die Einstiegsschwelle erleichtern."

Digitale Stadtkarte für Kunden

Dafür wollen die Forscher eine Art Baukasten an digitalen Werkzeugen und Service-Angeboten erarbeiten. Und der wird in einem Reallabor zum Anfassen und Ausprobieren erstmals getestet, erklärt Korzer: "Insofern ist uns wichtig, dass wir hier Produkte oder Tools zeigen, wo wir glauben, dass sie dem lokalen Händler entweder in der Beratung auf der Fläche helfen - also das heißt, über diese virtuellen Brillen die Regalfläche vergrößern. (…) Oder dann über unsere digitale Stadtkarte." Und diese digitale Karte wäre dann das Aushängeschild, so Konzer, das die Händler selbst gestalten können.

Ihr müsst zeigen, dass ihr eine gemeinsame attraktive Innenstadtlage seid mit ganz vielen verschiedenen Angeboten.

Dr. Tanja Korzer

Avatar übernimmt Anprobe

Mann mit Brille und erhobenem Zeigefinger
Werkstudent Marvin Sauer im Reallabor in Leipzig. Hier kann die Zukunft des Einkaufens getestet werden. Bildrechte: MDR/Kristin Kielon

Die digitale Stadtkarte soll den Kunden dabei helfen, sich besser zurecht zu finden und zeigt Informationen, die andere Navigationsdienste nicht unbedingt bieten - zum Beispiel wo es öffentliche Sitzbänke oder Toiletten gibt. Bei den Leipzigern seien aber die Anwendungen besonders beliebt, bei denen sie mit einer Brille in die Virtuelle Realität eintauchen können. Und die bietet viele Möglichkeiten, erklärt Korzer:

"Wenn wir davon ausgehen, wir wollen vorrangig kleine Händler unterstützen, dann kann die Brille eben einerseits das Sortiment erweitern: Man setzt die sich auf und man sieht das Kleidungsstück in ganz vielen verschiedenen Farben und dann hab ich einfach eine Vielfalt, die ich möglicherweise nicht im Laden darstellen kann." Und eine VR-Brille hat noch einen weiteren praktischen Vorteil, so Konzer. Denn damit muss die Kundin/der Kunde "nicht immer nach jedem Kleidungsstück die Sachen an- und ausziehen". Das lästige Anprobieren könnte also künftig ein Avatar für uns übernehmen, der genau unsere Maße hat.

Riesige Auswahl mit VR

Frau in Bekleidungsgeschäft
Kleidung könnte in der Zukunft auch mithilfe eines digitalen Avatars gekauft werden. Bildrechte: SALT Solutions AG

Mit der HoloLens-Brille können sich Kunden dagegen Dinge ansehen, die eigentlich gerade gar nicht da sind: Zum Beispiel wie der graue Sessel in einer anderen Farbe im eigenen Wohnzimmer aussieht. Doch die Technologie ist noch nicht ausgereift. Deshalb befragen die Forscher ihre Besucher des Reallabors nach ihren Erfahrungen, erklärt Eric Holdack - Doktorand an der HHL Leipzig. Zum Beispiel beim grauen Sessel:

"Da ist es im Augenblick noch so, dass die Textur noch nicht so hundertprozentig stimmt, dass die Haptik oft fehlt." Manche Dinge muss man eben fühlen können. Die Forscher versuchen also jetzt im direkten Kundenkontakt herauszufinden, wo es noch Probleme gibt, so Holdack.

Wo müssen wir weiterarbeiten? In welche Richtung? Um den Einzelhändlern wirklich ein Tool an die Hand zu geben, was hilft, diesem großen Wettbewerbsdruck Stand zu halten.

Eric Holdack, Handelshochschule Leipzig

Weiteres Testlabor geplant

Die ersten Ergebnisse sind jedenfalls vielversprechend: Im kommenden Jahr soll es noch ein zweites Reallabor in Hamburg geben. Und schon kurz darauf könnte die digitale Zukunft in den Innenstädten ankommen: Ob stationär, online oder mobil - alle Möglichkeiten werden dann miteinander kombiniert. Und im Zweifelsfall kann man sich auch alles nach Hause liefern lassen.