"Tiangong 1" Chinesische Raumstation stürzt Ostern auf die Erde

14. Mai 2019, 15:27 Uhr

Bereits seit 2016 kreist die chinesische Raumstation "Tiangong 1" unkontrolliert um die Erde und verliert dabei ständig an Höhe. Ab Karfreitag wird der Eintritt des "Himmelspalastes" in die Atmosphäre erwartet. Bis zu 3,5 Tonnen Weltraumschrott könnten auf die Erde niedergehen. Ein riesiges Gebiet kommt für den Einschlag in Frage. Auch Europa kann es treffen.

Die chinesische Raumstation "Tiangong 1" wird um die Osterzeit in Richtung Erde abstürzen. Weltraum-Experten erwarten den Eintritt des "Himmelspalastes" in die Atmosphäre ab Karfreitag. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA geht davon aus, dass Teile des Raumlabors zwischen dem 30. März und dem 6. April auf unseren Planeten aufschlagen werden. Der ESA-Problemanalytiker für Weltraumschrott, Holger Krag, sagte hinsichtlich des genauen Absturztermins: "Drei bis vier Tage vorher können wir den genauen Tag eingrenzen, am Tag selbst dann im besten Fall den Zeitpunkt bis auf einige Stunden bestimmen."

Auch Europa kann es treffen

Fest steht aber bereits, dass auch Europa von "Tiangong 1"-Trümmern getroffen werden kann. ESA-Experte Krag spricht von einem erdumspannenden Gürtel von 43 Grad südlich bis 43 Grad nördlich des Äquators, in dem Trümmer der zwölf Meter langen und 8,5 Tonnen schweren Raumstation in die Erdatmosphäre eintreten können.

Damit kann es praktisch alle Kontinente, außer der Antarktis, sowie alle Ozeane treffen. Auf dem 43. Grad nördlicher Breite liegen etwa das südfranzösische Marseille sowie das italienische Pisa. Auf dem 43. Grad südlicher Breite liegen etwa das australische Tasmanien oder Christchurch auf der Südinsel Neuseelands. Damit ist zugleich ausgeschlossen, dass Trümmer über Deutschland, Österreich oder der Schweiz niedergehen könnten.

Nicht vergleichbar mit Meteoriten-Einschlag

Aber auch für die riesige Fläche, die bislang als potentielles Absturzgebiet der chinesischen Raumstation angesehen werden muss, scheint Panikmache unangebracht. Der Wiedereintritt der Raumstation sei nicht vergleichbar mit einem Meteoriten-Einschlag, betonte Krag. Die Trümmer fielen ab 30 Kilometern Höhe mit der normalen Fallgeschwindigkeit. Daher werde es auch keine Krater geben. "Die Wahrscheinlichkeit von einem Trümmerteil verletzt zu werden, ist so hoch wie die Möglichkeit von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden."

Weil die mögliche Absturzregion zudem viel Wasser und Wüsten umfasse, sei es fraglich, ob sich nach dem Absturz überhaupt Teile des "Himmelspalasts" finden ließen, sagte Krag:

Es fällt auch nicht alles auf einen Fleck, sondern verteilt sich über eine Schleppe von 1.000 bis 1.200 Kilometern.

Holger Krag, ESA

Zudem würden allenfalls etwa 1,5 bis 3,5 Tonnen von "Tiangong 1" voraussichtlich den Eintritt in die Atmosphäre überstehen, so der ESA-Weltraumschrott-Experte. Wenn die Raumstation in ihrer Umlaufbahn auf etwa 100 Kilometer Höhe sinke, werde sie aufgrund der Dichte der Erdatmosphäre innerhalb kurzer Zeit abgebremst. Das Objekt zerfalle dabei. Der größte Teil des Schrotts verglühe durch die entstehende Reibungshitze. Nur einzelne Elemente aus Titan und Edelstahl blieben übrig.

Spektakuläre Abstürze aus dem All

Ungewöhnlich ist so ein Vorgang laut Krag keineswegs: "70 bis 80 Tonnen Raumfahrtschrott kommen durchschnittlich in einem ganzen Jahr unkontrolliert runter."

Tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder spektakuläre Abstürze von ausgedienten Raumstationen und Satelliten. So stürzten im März 2001 die Reste der einstigen sowjetischen und zuletzt russischen Raumstation "Mir" nach 15 Jahren im All und rund 86.300 Erdumrundungen in den Pazifik. Anders als bei "Tiangong 1" wurde "Mir" allerdings planmäßig zum Absturz gebracht. Dabei verglühten große Teile der 143-Tonnen-Anlage beim Eintritt in die Erdatmosphäre. Die restlichen Wrackteile stürzten fast punktgenau zwischen Australien und Chile in den Südpazifik.

Weniger gelungen verlief dagegen der Absturz der ersten und einzigen rein US-amerikanischen Raumstation "Skylab" im Juli 1978. Zwar versuchte die NASA die Gefahrenzone beim vier Jahre zu früh erfolgten Wiedereintritt des Raumlabors in die Erdatmosphäre auf den Atlantik und Indischen Ozean einzugrenzen. Doch "Skylab" zerbrach erst später als berechnet. Trümmer trafen daraufhin den Großraum um die  westaustralische Metropole Perth. Die Behörden der australischen Gemeinde Esperance Shire schickten der NASA daraufhin einen Bußgeldbescheid über 400 Dollar wegen unerlaubter Abfallentsorgung, den die NASA jedoch nie bezahlte. Das übernahm erst 2009 eine US-Radiostation.

Seit 2016 ohne Kontakt

Anders als "Mir" oder "Skylab" geht der chinesische "Himmelspalast" komplett ohne Kontrolle zur Erde. Seit Herbst 2016 besitzt die Bodenstation keinen Kontakt mehr zu "Tiangong 1". China hatte die Raumstation im September 2011 ins All geschossen, wo das Raumlabor über die Jahre sechs Kopplungsmanöver mit chinesischen Raumschiffen der "Shenzhou"-Reihe absolvierte.

Seit 2016 umkreist auch der Nachfolger der "Tiangong 1" die Erde. In dem neuen chinesischen Raumlabor "Tiangong 2" können zwei Astronauten länger als im Vorgängermodell leben. Zudem hat die Station eine höhere Ladekapazität und lässt sich erstmals auftanken. Die Labors dienen der Vorbereitung für den Bau und Betrieb einer eigenen chinesischen Raumstation, die um 2022 fertig werden soll.

Dieses Thema im Programm: MDR JUMP am Abend | 12. Januar 2018 | 21:40 Uhr