Forschungsprojekt ZO.RRO Energie und Industrie: Wie Thüringen CO2-frei werden will

16. Mai 2019, 10:31 Uhr

Wie kann die Energieversorgung sichergestellt werden, ohne Kohlenstoffdioxid auszustoßen? Das ist die Kernfrage des Verbundprojekts ZO.RRO (Zero Carbon Cross Energy System) der TU Ilmenau und sechs weiterer Projektpartner. Ziel ist es, ein Modell für Deutschland zu entwickeln am Beispiel von Thüringen. Aber wie kann das funktionieren?

CO2-freie Produktion in der Industrie

Die industrielle Produktion ist nach der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Stromproduktion, Heizung, Verkehr) der zweitgrößte CO2-Produzent in Deutschland. Das wollen die Ilmenauer Wissenschaftler ändern:

Ein Mann balanciert digitale Piktogramme erneuerbarer Energiequellen auf der Hand.
CO2-frei vom Anfang bis zum Ende der Produktionskette lautet das Projektziel. Bildrechte: iStockphoto/Leo Wolf

Sie wollen gemeinsam mit der Industrie die komplette Wertschöpfungsketten so optimieren, dass die Energieversorgung, die für die Produktion von Waren notwendig ist, weil zum Beispiel Maschinen betrieben werden müssen, nahezu frei von Kohlenstoffdioxid wird. Vielmehr soll der Prozess der Produktion sogar dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Gelingt es den Wissenschaftlern, die CO2-freie industrielle Produktion praktikabel zu machen, würden davon vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen im mittelständisch geprägten Thüringen profitieren, heißt es in der Mitteilung der TU Ilmenau. Im Wettbewerb würden sie sich mit der CO2-freien Produktion von Waren und Dienstleistungen deutlich von der Konkurrenz abheben.

Systemdienstleistungen der Energieversorger im Fokus

Um die Vision der CO2-freien Industrie Realität werden zu lassen, wollen die Wissenschaftler die Strom-, Wärme- und Gasnetze und den Mobilitätssektor gemeinsam betrachten. Experten nennen das eine "Sektorenkopplung" und sehen sie als eine Schlüsselenergie für die Energiewende, da mit dieser Kopplung Synergien geschaffen werden können. So könnte die Gasnetz-Infrastruktur beispielsweise als Speicher für Energie genutzt werden, der Engpässe auffängt, wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint.

Der TU Ilmenau zufolge hätten sich außerdem bisherige Vorhaben, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid im Stromsektor zu reduzieren, auf die Bereitstellung von Energie konzentriert. Doch Wechselwirkungen mit den sogenannten Systemdienstleistungen seien außen vor gelassen worden. Dabei handelt es sich um all die weiteren Dienstleistungen eines Energieversorgers oder Netzbetreibers, die notwendig sind, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten - also zum Beispiel das Halten von Frequenz und Spannung oder das Management des Stromnetzes vor allem bei Engpässen, damit immer alle Angeschlossenen stabil versorgt werden. Dabei werde gewissermaßen indirekt CO2 ausgestoßen. Eine optimale Interaktion zwischen Erzeuger und Verbraucher bietet ein enormes Potential für Einsparungen, so die TU Ilmenau-Forscher.

Thüringer Klimaziel bis 2040

Der Freistaat Thüringen fördert mit seiner Energiepolitik die Energiewende: Bis 2040 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Außerdem soll bis dahin der Energiebedarf in der Gesamtbilanz komplett von einem Erneuerbare Energien-Mix gedeckt sein. Dabei soll das ZO.RRO-Projekt auf Seiten der Industrie einen Beitrag leisten. Demenstprechend fördert neben dem Bundeswirtschaftsministerium auch das Land das Verbundprojekt.

Das Projekt ZO.RRO stellt sich mit seiner Ausrichtung und Zielsetzung den zentralen Herausforderungen der Energiewende. Das Projekt verbindet auf innovative Weise CO2-Freiheit, Flexibilität, Versorgungssicherheit, Preisstabilität und ein Plus an energetischer regionaler Wertschöpfung.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident Thüringen

Neben der TU Ilmenau sind unter anderem auch die Hochschule Nordhausen, das Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB, das Thüringer Erneuerbare Energien Netzwerk e. V. (ThEEN) am Projekt beteiligt sowie einige Partner aus der Industrie. ZO.RRO-Projektleiter Prof. Dirk Westermann zufolge eigne sich Thüringen besonders für diese Forschung, weil es in Bezug auf seine Energieversorgung, seine Wirtschaftsstruktur und die politischen Rahmenbedingungen im Vergleich zu anderen Bundesländern hervorsteche. So liege die Energieversorgung vollständig in kommunaler Hand und werde nicht von Großkraftwerken geliefert. Außerdem gebe es ein hohes Potenzial zum Ausbau der Energiespeicherung etwa in Form von Pump- und Gasspeichern.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 10. Mai 2019 | 21:45 Uhr