Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller

Fernkälte In Chemnitz kommt die Kühlung aus der Leitung

24. Juli 2019, 16:16 Uhr

Fernwärme ist bekannt. Hier wird Wärme aus Heizkraftwerken im Winter zum Heizen genutzt. Es gibt aber auch Fernkälte. Vor allem jetzt im Sommer kühlt sie Gebäude. Chemnitzer Forscher leisten da Wegweisendes. In der Stadt gibt es ein 4,5 km langes Kältenetz, das zum Beispiel auch das gläserne Kaufhaus kühlt und zwar mit Energie aus Fernwärme. Das klingt verwirrend, ist am Ende aber ganz logisch. Annegret Faber erklärt was Fernkälte ist.

Man nehme Fernwärme. Die gibt es jetzt im Sommer zur Genüge. Bis zu 140 Grad ist sie heiß und niemand braucht sie. Die schickt man in so genannte Absorptionskältemaschinen und am Ende kommt richtig kaltes Wasser raus, mit nur noch fünf Grad Celsius. Soweit die Kurzversion. Professor Thorsten Urbaneck von der Professur für Technische Thermodynamik in Chemnitz erklärt es so:

Wir haben in der Stadt eine große Erzeugerzentrale und die Kältekunden in der Stadt werden über Rohrleitungen versorgt.

Professor Thorsten Urbaneck

Das Chemnitzer Fernkältenetz versorgt das gläserne Kaufhaus, das Opernhaus, die Stadthalle und 15 weitere große Gebäude. Möglich wird das durch einen riesen Kältespeicher. 3.500 Kubikmeter Wasser haben darin Platz. Von da aus gehen dann über vier Kilometer Rohrleitungen in die ganze Stadt.

Fernkälte aus Chemnitz

Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Prof. Dr. Thorsten Urbaneck (r.), Bereichsleiter Thermische Energiespeicherung an der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz, und Ulf Uhlig, Abteilungsleiter bei der inetz GmbH in Chemnitz, untersuchen im Dachraum des Großkältespeichers den Zustand der Speicherhülle Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller
Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Prof. Dr. Thorsten Urbaneck (r.), Bereichsleiter Thermische Energiespeicherung an der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz, und Ulf Uhlig, Abteilungsleiter bei der inetz GmbH in Chemnitz, untersuchen im Dachraum des Großkältespeichers den Zustand der Speicherhülle Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller
Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Ungewohnter Blick auf das Be- und Entladesystem des Großkältespeichers, das in einer Höhe von etwa 17 Metern angebracht ist. Normalerweise ist dieser Raum mit etwa 3.500 Kubikmeter kaltem Wasser gefüllt. Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller
Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Professor Urbaneck prüft die in der Mitte des Großkältespeichers aufgestellte Temperaturmesslanze. Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller
Grosskaeltespeicher in Chemnitz
Prof. Dr. Thorsten Urbaneck (l.), Bereichsleiter Thermische Energiespeicherung an der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz, und Ulf Uhlig, Abteilungsleiter bei der inetz GmbH in Chemnitz, diskutieren die Datenpunktliste der Sensoren, die im Großkältespeicher angebracht sind. Bildrechte: Technische Universität Chemnitz, Foto: Jacob Müller
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Den Kältespeicher hatten wir vor elf Jahren in Betrieb genommen und wussten damals noch nicht, ob das Material durchhält. Jetzt haben wir ihn geöffnet und gesehen, da ist kaum Rost und soweit alles in Ordnung. Der wird noch viele Jahrzehnte halten. Das war für uns sehr wichtig. Diese Betriebserfahrung hat sonst keiner!

Professor Thorsten Urbaneck

Der Speicher besteht aus verschraubten Stahlplatten. Diese sind emailliert. Deswegen sieht der Speicher so gut aus. Von außen erinnert das Bauwerk an ein riesengroßes, weißes Korn-Silo. Darin wird die Kälte nicht nur am Tag, sondern auch nachts gespeichert.

Und zwar funktioniert das so, dass die Kältemaschinen in der Nacht wenig ausgelastet sind und so können wir in der Nacht die Kälte vorproduzieren für den nächsten Tag. Die lagern wir nachts in dem Speicher ein und nutzen sie dann am Folgetag zur Spitzenlastdeckung.

Professor Thorsten Urbaneck

Fernkälte gibt es schon seit einigen Jahrzehnten. Der Kurzzeit-Großkältespeicher hingegen ist ein Alleinstellungsmerkmal der Chemnitzer und macht die Kälteproduktion noch effizienter. Doch wie wird aus Fernwärme Fernkälte? Dafür nutzen die Chemnitzer Absorptionskältemaschinen.

Diese Kältemaschinen arbeiten mit einer Salz-Wasser-Lösung und zwar bei sehr niedrigen Drücken - fast Vakuum - und jetzt wird die Wärme dafür verwendet, um das Wasser aus der Salzlösung auszutreiben und dann kondensiert das Wasser, bei ganz niedrigem Druck, und entzieht bei der Verdampfung dem Fernkältemedium die Energie und wird dann wieder in dieser Salzlösung absorbiert.

Professor Thorsten Urbaneck

Letztlich wird das Wasser mit Hilfe der Energie aus der Fernwärme runtergekühlt, zu den Gebäuden geleitet und bedient dort Klimaanlagen. In diesen Klimaanlagen kann die Luft gekühlt oder geheizt, getrocknet oder befeuchtet werden. In Deutschland wird die Luft immer sechs Grad unter die aktuelle Temperatur gekühlt, so der Experte. Außerdem sorgen Filter für die Reinheit. Kältemaschinen vor Ort gibt es nicht. Damit kommen auch keine klimaschädlichen Kältemittel zum Einsatz. Die Kälte kommt unsichtbar - in unterirdischen Leitungen - zum Verbraucher und alle fühlen sich wohl.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Radio | 31. Mai 2018 | 06:20 Uhr