Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

Youtube und Co.Beratung im Internet: Fit und gesund dank Influencern?

31. Januar 2020, 15:00 Uhr

Mehr Sport treiben, fitter werden, sich gesünder ernähren – klassische Neujahrs-Vorsätze. Das Internet ist voller Übungen, Rezepte und Vorbilder. Doch helfen die beim Durchhalten – oder sorgen sie eher für Frustration?

von Daniela Schmidt

1,4 Milliarden Menschen weltweit bewegen sich zu wenig und riskieren dadurch ihre Gesundheit, warnt die Weltgesundheitsorganisation. Dass gesunde Ernährung und ausreichend Sport gut für den Körper sind, ist allgemein bekannt. Doch zwischen theoretischem Wissen und praktischer Umsetzung klafft offenbar ein Riss – das Phänomen kennt jeder, der schon mal zu Jahresbeginn hochmotiviert eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio abgeschlossen und dann nach ein paar Wochen doch wieder die Lust verloren hat. Auf dem Papier sind die Deutschen sportlich unterwegs: Mit rund elf Millionen Mitgliedern sind die Fitness-Studios so voll wie noch nie zuvor.

Sport – die Gesellschaft ist gespalten

Prof. Dr. Lars Donath, Leiter der Abteilung trainingswissenschaftliche Interventionsforschung an der DHS Köln. Bildrechte: Lars Donath

"Wenn man sich die Zahlen anschaut, machen erstaunlich viele Leute Sport und gehen zum Beispiel in Fitness-Studios. Die Zahlen gehen nach oben, aber das ist meistens nicht sehr nachhaltig", bestätigt der Trainingswissenschaftler Lars Donath von der Deutschen Sporthochschule Köln. Oft seien es eher junge, ambitionierte Menschen, die bei der Stange blieben. "Die Zahl derer, die inaktiv sind, steigt auf der anderen Seite auch. Man könnte sagen: Die Gesellschaft polarisiert sich stärker in die, die nichts machen und die, die auf der anderen Seite sehr auf ihren Körper achten."

Ein Extrem in dieser Polarisierung stellen Fitness-Influencer dar: Menschen, die in Online-Netzwerken wie YouTube, Instagram oder Facebook ihre Follower mit Tipps für gesunde Ernährung und sportlichen Übungen versorgen. Mit Titeln wie "Training für dünne Oberschenkel – Wirkung garantiert" oder "Full Body Workout – Fit in 15 Minuten" generieren sie Millionen von Klicks. Klar, wer hätte nicht gern ein Sixpack wie die Frau in dem Video oder einen Bizeps wie der Mann auf dem Foto? "Wir sind da oft mit Stereotypen konfrontiert, die sehr auf Stärke und Sexualität getrimmt sind", diagnostiziert Trainingswissenschaftler Donath. Genau dieser Perfektionismus könne aber gefährlich werden: "Es kann sein, dass die eigenen Ziele dadurch zu hoch gesteckt werden und man sich immer unzulänglicher fühlt."

Frustration statt Fitness-Motivation?

Also doch eher Frustration statt Fitness-Motivation? Studien legen diesen Effekt nahe. Eine Untersuchung der Macquarie University und der University of New South Wales mit 350 jungen Frauen belegt zum Beispiel, dass sich schon das kurzzeitige Betrachten von Posts solcher Fitness-Influencer negativ auf das Selbstwertgefühl der Betrachterin auswirken kann und die Neigung erhöht, den eigenen Körper als Objekt zu sehen, das optimiert werden muss.

Vermarktung steht vor fachlichem Hintergrund

Dr. rer. medic. Katharina Pilgrim, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Didaktik und Bildungsforschung im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke. Bildrechte: Jürgen Appelhans

Die Krux: Für gewöhnlich sind Fitness-Influencer keine ausgebildeten Ernährungswissenschaftlerinnen oder Fitnesstrainer. Oftmals ganz ohne wissenschaftlichen Hintergrund, teilen sie lediglich ihre eigenen Erfahrungen und Routinen – und das rechnet sich. "Man kann sagen, dass Accounts mit großer Follower-Zahl kein altruistisches Ziel haben, sondern da geht es hauptsächlich ums Geldverdienen und Vermarkten der eigenen Person und von Produkten", sagt Katharina Pilgrim.

Sie hat für ihre Doktorarbeit erforscht, wie Fitness-Influencer online mit jungen Rezipienten über gesundheitsbezogene Themen kommunizieren. Um ihre Follower an sich zu binden, werden ganz bewusst bestimmte Kommunikationsmechanismen genutzt, sagt Pilgrim: "Die massenmediale Kommunikation, die das ja eigentlich ist, verschwimmt mit der Peer-to-Peer-Kommunikation mit tatsächlichen Freunden. Zu jeder Zeit können User auf die Accounts zugreifen und tagebuchähnliche Nacherzählungen miterleben. Man wird auch persönlich angesprochen, mit 'Maus', 'Süße' oder auch mit Klarnamen. Definitiv ist es so, dass die Frauen, die große Follower-Zahlen haben, als Freundin wahrgenommen werden."

Sport muss nicht nur eine Qual sein

Dr. Thomas Ritthaler, Sportpsychologe aus der Nähe von München. Bildrechte: Thomas Ritthaler

Das widerspricht natürlich nicht der Möglichkeit, Fitness-Accounts zu nutzen, um sich Tipps für Ernährung und Sport zu holen. Ein nachhaltig gesundes Leben schafft man sich jedoch eher, indem man bei sich selbst anfängt, sagt der Sportpsychologe Thomas Ritthaler, der bereits Spitzensportler aus verschiedensten Bereichen gecoacht hat: "Ich muss mich auf den Weg machen und wirklich sortieren: Was kommt von innen? Und was wird von außen an mich herangetragen, wie ich sein soll? Also ein kleines bisschen auf die Suche zu gehen: Wo habe ich Freude, was geht mir auch leicht von der Hand? Es muss ja nicht unbedingt immer die Qual sein."

Anfällig für diese "Qual", beispielsweise Fitnessübungen durchzuexerzieren, an denen man keinerlei Spaß hat, seien in der heutigen Leistungsgesellschaft aber viele Menschen. Das hänge damit zusammen, dass das Selbstwertkonzept einer Person auf vier Säulen beruhe. Zwei davon seien "leistungsabhängiger Selbstwert" und "leistungsunabhängiger Selbstwert", also Selbstakzeptanz. "Wenn ich ein Selbstwertkonzept habe, das sehr leistungslastig ist, dann bin ich natürlich oft eingeladen, genau diese Leistung zu optimieren. Das sehe ich schon als Phänomen unserer Zeit", so Ritthaler. Und was, wenn man feststellt, dass man in einer Spirale aus mangelnder Selbstakzeptanz und Leistungsdruck gefangen ist? Ritthaler empfiehlt: Hinsetzen und sich bewusst machen, dass es viel mehr gibt, was einen als Mensch ausmacht. "Partnerschaft, Kinder, die Liebe zu den Eltern. Und da entdecken ganz viele Leute Dinge, wo sie merken: Aha, das funktioniert ja auch ohne Leistung."

"Lassen Sie Ihr Gehirn in Ruhe!“

Bleibt natürlich die Frage: Was bedeutet nun all das für ein gesundes Verhältnis zu Sport und Ernährung? Zum einen sind da natürlich die wissenschaftlichen Empfehlungen, an denen man sich orientieren kann: Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt 150 Minuten moderate Bewegung pro Woche, alternativ 75 Minuten "auspowern", um gesund zu bleiben. Wer sein Fitnesslevel erhöhen möchte, sollte das Pensum jeweils verdoppeln. Auch ganz alltägliche Dinge wie Treppensteigen oder Fahrradfahren zahlen dabei auf das Bewegungskonto ein.

Und auch Sportpsychologe Thomas Ritthaler hat noch einen Tipp: Die Selbstoptimierungs-Gedanken auch mal ausknipsen. "Lassen Sie Ihr Gehirn in Ruhe! Das weiß schon ziemlich gut, was gut für Sie ist. Also hören Sie mal genau zu, was es Ihnen sagt, und richten Sie sich danach. Ich glaube, wir sind bewegungsveranlagt. Wenn Sie aufpassen, was für Informationen Ihre Intuition Ihnen gibt, werden Sie schon eine Idee haben, wie Bewegung Teil Ihres Lebens sein könnte."

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen