In einer Petrischale liegt ein Zahn. Eine Hand hält eine Pinzette über der Schale.
Aus den sogenannten Pulpazellen gezogener Zähne werden im Labor durch eine spezielle Kultivierung die Zahnkeime generiert. Bildrechte: TU Berlin/PR/Tobias Rosenberg

Zahntechnik der Zukunft Berliner Forscher züchten nachwachsende Zähne

12. August 2019, 15:00 Uhr

Sind Zahn-Implantate und Zahn-Prothesen bald Geschichte? Ersetzen wir kaputte Zähne dann einfach durch neue Naturzähne. Forschern der TU Berlin ist es gelungen, Zahnkeime zu züchten, aus denen neue Zähne wachsen sollen.

"Und der Haifisch, der hat Zähne", beginnt Mackie Messer sein berühmtes Bänkellied in der "Dreigroschenoper". Und die trägt er nicht nur "im Gesicht", wie es dort weiter heißt, sondern auch ein Leben lang. Haie gehören nämlich - genau wie Krokodile oder Nagetiere - zu jenen Tieren, denen immer wieder Zähne nachwachsen.

Mensch bekommt meist nur zweimal Zähne

Uns Menschen wachsen in der Regel leider nur zweimal Zähne: Als Baby bekommen wir 20 Milchzähne. Und zwischen dem sechsten und dem zwölften Lebensjahr wird dieses Milchgebiss durch die 32 Zähne des bleibenden Gebisses ersetzt. Zwar gibt es auch Fälle, in denen Menschen auch ein drittes Mal Zähne oder sogar ganze Zahnsätze wachsen, aber das ist extrem selten. Wer seine zweiten Zähne durch schlechte Anlagen oder schlechte Pflege, durch Schlägereien oder Unfälle verliert, dem helfen letztlich nur noch Implantate oder die "Dritten".

Gewisse Voraussetzungen sind vorhanden

Dr. Jennifer Rosowski  nachwachsende Zähne
Dr. Jennifer Rosowski hat das Projekt nachwachsende Zähne im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Institut für medizinische Biotechnologie der TU Berlin entwickelt. Bildrechte: TU Berlin/PR/Tobias Rosenberg

Dabei hätte auch der Mensch theoretisch die Voraussetzung, immer wieder neue Zähne zu bekommen. "Grundsätzlich geht die Wissenschaft davon aus, dass auch der menschliche Kiefer lebenslang über die Informationen verfügt, die für das Wachstum neuer Zähne notwendig sind", erklärt Dr. Jennifer Rosowski, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Medizinische Biotechnologie der TU Berlin. Die Wissenschaftlerin weiß wovon sie spricht. Sie hat ihre Doktorarbeit dem Thema der nachwachsenden Zähne gewidmet.

Prozess der menschlichen Zahnbildung

Doch die entscheidende Frage ist: Wie bringt man den menschlichen Kiefer dazu, neue Zähne hervorzubringen? Ein Forschungsprojekt der TU Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Roland Lauster hat das untersucht. Dabei sind die Wissenschaftler dem Prozess der menschlichen Zahngenese nachgegangen: Wenn unsere Zähne entstehen, sammeln sich in unserem Kiefer unterhalb der äußeren Hautschicht bestimmte Vorläuferzellen. Diese Zellen kondensieren und bilden eine Art Zahnkeim. Über Botenstoffe interagiert dieser Keim mit dem Kiefer und beginnt, sich zum Zahn weiterzuentwickeln.

Differenzierung verschiedener Zelltypen

"Innerhalb der so gebildeten Zahnknospe kommt es zur Differenzierung verschiedener Zelltypen: dem Zahnschmelz-Organ, der Zahnpapille und der Zahnleiste. Diese Gewebe differenzieren nach und nach zu einem kompletten Zahn", erklärt Lausters Mitarbeiterin Rosowski den weiteren Prozess. Die Information, ob jetzt etwa ein Schneidezahn oder Backenzahn gebildet wird, kommt dabei aus dem umliegenden Kiefergewebe.

Beim Menschen werden die Milchzähne ab der sechsten bis achten Woche vor und die bleibenden Zähne in der zwanzigsten Woche nach der Geburt im Kiefer angelegt. Für ein weiteres Gebiss, welches die im Grundschulalter hervortretenden bleibenden Zähne später ersetzen könnte, fehlen im Normalfall die Anlagen.

Zahnkeim aus Zellen von Weisheitszähnen

Die Berliner Forscher greifen an dieser Stelle selbst ins Geschehen ein. Sie entnehmen aus dem Inneren eines extrahierten Weisheitszahns sogenannte dentale Pulpa-Zellen. Mithilfe einer speziellen Kultivierungsmethode werden diese Zellen später zu einem Zahnkeim verschmolzen. Die Entstehung dieses rund 200 bis 500 Mikrometer großen Zellballes dauert etwa 24 Stunden.

"Als einzige Gruppe weltweit konnten wir nachweisen, dass diese eigenständige mesenchymale Kondensation zu einem Zellball die Expression verschiedener Gene triggert und die Produktion von spezifischen Botenstoffen in Gang setzt. Diese Botenstoffe werden benötigt, um mit dem umliegenden Kiefergewebe zu interagieren", erklärt Rosowski.

Interagieren mit Zahnfleischzellen

Aber tut der künstlich geschaffene Zahnkeim das auch? Um das zu überprüfen, haben die TU-Wissenschaftler die Zahnkeime zusammen mit Zahnfleisch-Zellen ko-kultiviert. Bei der embryonalen Zahnentwicklung interagieren genau diese beiden Zelltypen, wodurch die menschliche Zahnbildung ausgelöst wird. Und in der Tat konnte das Berliner Forscherteam genau diese Interaktion nachweisen.

Ihr einmaliges Verfahren haben sich die Wissenschaftler um Prof. Lauster bereits weltweit patentieren lassen. Bis die ersten nachwachsenden Zähne tatsächlich Implantate und Zahnprothesen ablösen, dürfte aber noch etwas Zeit vergehen. Immerhin wurden alle in-vitro-Versuche mittlerweile erfolgreich abgeschlossen. Nun stehen die ersten präklinischen Tests mit Zahnkeimen an.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 11. Juli 2019 | 12:00 Uhr