Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung

WetterphänomenWirbelsturm-Forschung: Hurrikane aus dem Labor

23. Juni 2019, 05:00 Uhr

Von Juni bis November ist an Amerikas südöstlichen Küsten Hurrikan -Saison. Die Wetterphänomene lassen sich nicht abstellen. Aber Wissenschaftler können sie simulieren, um mehr über die Stürme herauszufinden, etwa im Hurrikan Lab der Universität von Miami.

von Guido Meyer

Brian Haus legt einen Schalter um, und es wird laut und windig in der Halle. Sie ist Teils des Hurrikan Labors der Rosenstiel-Schule für Meeres- und Atmosphärenwissenschaften. Das liegt auf Key Biscayne, einer kleinen Insel vor der Küste Miamis und es gehört zur Universität der Metropole. Brian Haus ist der Chef dieses Labors.

Wir blasen einen wirklich starken Wind über die Wasseroberfläche. Dazu nutzen wir einen gigantischen Ventilator. Er ist eigentlich mal gebaut worden, um Minenarbeiter unter Tage mit frischer Luft zu versorgen. Aber hier setzen wir ihn ein, um einen Hurrikan der Kategorie fünf zu erzeugen.

Brian Haus, Hurrikan-Labor Universität Miami

Schnittstelle zwischen Ozean und Atmosphäre

Über solche extremen Stürme wollen die Wissenschaftler mehr herausfinden. Kategorie fünf ist die stärkste, die ein Hurrikan annehmen kann. Hier im Labor dient ein Swimming Pool als Ozean und der Ventilator als Quelle der starken Winde. Sie erzeugen Wellen auf der Wasseroberfläche. "Außerdem sorgen zwölf versteckte Paddel unten im Becken dafür, dass auch tiefere Wasserschichten durchgewirbelt werden – eben wie bei einem richtigen Hurrikan ", sagt Haus. "Wir untersuchen, was an der Schnittstelle von Ozeanoberfläche und Atmosphäre passiert."

Haus startet die Maschine und ein schriller Pfeifton erklingt. "Das sagt uns, dass die zwölf Paddel jetzt ihre Position suchen. Um sie steuern zu können, muss der Computer erst einmal wissen, in welcher Stellung sie sich gerade befinden", erklärt der Forscher. Die Paddel und der Ventilator leisten ganze Arbeit. Schon nach wenigen Minuten ist der Pool aufgewühlt. Das Wasser schwappt an die Glaswände. Ein kleines Modellhaus an einem nachgebauten Strand wird von den Wellen fast weggespült.

Hitze nicht allein entscheident

Hurrikane bekommen ihren Nachschub von der Wasseroberfläche. In den Sommermonaten steigt das warme Wasser als Dampf auf. Gleichzeitig werden das Wachstum und die Kraft eines Wirbelsturms aber dadurch gebremst, dass er sich während seiner Vorwärtsbewegung an der Ozeanoberfläche reibt. Wir untersuchen hier, wie Wärme und Bewegung zwischen Atmosphäre und Ozean ausgetauscht werden. Das ist in unseren Vorhersagen immer noch nicht völlig verstanden. Unser Wissen hat noch eine Lücke, wenn es darum geht, die Intensität eines Hurrikans besser vorherzusagen.

Brian Haus, Hurrikan-Labor Universität Miami

Im Labor können die Forscher auch untersuchen, was bei einem Sturm unter der Wasseroberfläche passiert. Bildrechte: MDR/Guido Meyer

Viele Fragen zum Zusammenhang zwischen Klimawandel und Hurrikane seien nach wie vor offen, betont Brian Haus. Die Gleichung – je wärmer, desto mehr Wirbelstürme – treffe so einfach nicht zu. Gerade in der Hurrikan-Einflugsschneise Florida habe es in den vergangenen Jahren so wenig Hurrikans gegeben wie in nur wenigen Jahrzehnten zuvor. "Es gibt sehr viel warmes Wasser, das der Brennstoff für einen Hurrikan ist. Die Frage aber ist: Weht der Wind gerade so, dass er die Bildung eines Wirbelsturms begünstigt? Windstärke und Windrichtung sind nicht abhängig von der globalen Erwärmung. Deswegen ist unklar, ob steigende Temperaturen wirklich zu mehr Hurrikanen im Atlantik-Becken führen werden", fasst der Wissenschaftler zusammen.

Wie viel CO2 nehmen Meere auf?

Die Simulation von Wirbelstürmen ist sicherlich die spektakulärste Verwendung des Hurrikan Lab. Aber in Zeiten des Klimawandels lassen sich die Satelliten-Sensoren, die von der Decke der Anlage hinunter blicken aufs Wasser, auch für andere Versuche einsetzen. "Wir haben hier die Gelegenheit nachzumessen, wieviel Kohlendioxid aus der Atmosphäre von den Ozeanen aufgenommen wird. Da zwei Drittel der Erde von Wasser bedeckt sind, ist es wichtig, diese Rate zu kennen. Nur so können wir verlässlich Klimamodelle erstellen."

Und vielleicht können die Atmosphärenforscher dann doch irgendwann nachweisen, ob es einen Zusammenhang zwischen Klima und Hurrikanen gibt. Denn der nächste Wirbelsturm kommt bestimmt: Die diesjährige Hurrikan-Saison dauert noch bis Ende November.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Wissen | 23. Juni 2019 | 07:11 Uhr