Blick auf den Neuen Friedhof Mühlhausen
Der Neue Friedhof von Mühlhausen. Die alten Bäume und der Grüngürtel geben der Anlage einen waldähnlichen Charakter. Bildrechte: Stadt Mühlhausen

Abschied von Rhododendron, Stiefmütterchen und Co.? Nimmt der Klimawandel unseren Friedhöfen das Gesicht?

18. September 2022, 05:00 Uhr

Abgeholzte Rhododendren, zerfressene Buchshecken und umgestürzte Bäume: Das ist die Bilanz vieler Friedhöfe nach langanhaltender Trockenheit und Stürmen. Wie wird der Klimawandel das Gesicht dieser besonderen Orte verändern?

Dem Friedhof in Grimma sieht man die trockenen Sommer der Vergangenheit auf den ersten Blick nicht an. Das regenreichere vergangene Jahr habe dafür gesorgt, dass viele Pflanzen sich gut erholt und auch in diesem trockenen Sommer noch davon profitiert hätten, freut sich Friedhofsleiterin Silke Brück. Für eine endgültige Bilanz sei es jedoch noch zu früh. Wie es vor allem um die großen Gewächse stehe, könne man tatsächlich erst im nächsten Jahr sagen. Dennoch ist sie optimistisch: "Vieles konnten wir durch intensives Gießen abfangen. Das geht jedoch nicht dauerhaft, insbesondere für große Bäume."

Silke Brück
Silke Brück sorgt als Diplomgeografin mit Schwerpunkt Umweltgeografie gemeinsam mit ihren Mitarbeitern für eine zunkunftsfähige Friedhofsgestaltung in Grimma und im Muldental. Bildrechte: Kathleen Raschke-Maas

Diese Pflanzen leiden zuerst

Das gilt zum Beispiel auch für die Fichten, für die es viel zu trocken gewesen ist. Sie wurden leichte Beute für den Borkenkäfer und mussten schließlich gefällt werden. Ein menschengemachtes Problem, schätzt Silke Brück ein: „Für Fichten ist es bei uns im Leipziger Tiefland generell zu trocken und zu warm. Sie stammen ursprünglich aus der borealen Vegetationszone, also aus den Wäldern Alaskas, Kanadas, Skandinaviens und Sibiriens. Aber es war eben ein Modebaum in einer gewissen Zeit, und so kamen sie auf unseren Friedhof.“ Deshalb werden auch keine Fichten neu angepflanzt, sondern durch Laubbäume wie Linden ersetzt, die Trockenheit und Sturm viel besser verkraften. Grundsätzlich seien jedoch alle Baumarten anfälliger, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hätten, so die Friedhofsleiterin. Außerdem seien früher beim Ausheben der Gräber oftmals Wurzeln beschädigt worden, was den Bäumen ebenfalls zu schaffen macht. Heute sind sie in dieser Hinsicht besonders geschützt, im Umkreis von drei Metern um den Stamm darf nicht gegraben werden. Sorgen, dass der Friedhof sein Gesicht völlig verändert, macht sich Silke Brück zunächst noch nicht, zumindest nicht, so lange man noch ausreichend bewässern könne.

Das Mikroklima ist entscheidend

Wenn es gelingt, die traditionelle Friedhofsgestaltung beizubehalten und dafür zu sorgen, ein gutes Mikroklima zu schaffen, werden die meisten charakteristischen Pflanzen auch in Zukunft das Gesicht dieser besonderen Orte zeichnen: große Bäume, Rhododendren, Hecken, Efeu. "Da Zusammenspiel der Bepflanzung ist entscheidend. Laubbäume spenden Schatten, Sträucher und Hecken ebenfalls. So kann sich der Boden erst gar nicht so aufheizen. Außerdem bremsen sie den Wind ab und verringern so die Verdunstung am Boden. Wie auf vielen anderen Friedhöfen ist es inzwischen auch in Grimma nicht mehr erlaubt, Gräber mit Steinplatten und Kies abzudecken und Unkrautfolien einzuziehen. Auch das würde bei Sonneneinstrahlung den Boden zusätzlich erwärmen und ihn gegen Regenwasser versiegeln. Trotz all dieser Maßnahmen muss man weiterhin gießen, kann aber viele Arten erhalten.", so die Erfahrung von Silke Brück.

Friedhofsgärtnern 3 min
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Das Patentrezept heißt: Ausprobieren!

Wie sie künftig ihre Friedhöfe bepflanzen und pflegen wollen, das beschäftigt alle Kollegen und viele Gärtnereien, weiß Silke Brück aus Gesprächen und durch Besuche auf Fachveranstaltungen. Wenn es ein Patentrezept gäbe, dann hieße das: ausprobieren und sich austauschen. Denn jeder Standort bietet andere Möglichkeiten. Eine Pflanze, die auf sandigem Boden in der Dresdner Gegend gut gedeiht, muss sich nicht auch in Grimma unbedingt wohlfühlen. Und manchmal müsse man als Gärtner auch nachhelfen und den Boden so bereiten, damit die jeweilige Pflanze gut gedeiht.

Grabpflege mit Rosen und Lavendel

Gefragt nach Arten, die auch längere Trockenheit überstehen, empfiehlt Silke Brück je nach Standort zum Beispiel: Rosen, Lavendel, Waldsteinie, Sedum und natürlich Efeu. Auch auf Buchsbaum muss man nicht verzichten, wenn man auf Sorten wie den Buxus Microphylla "Herrenhausen" zurückgreift, der recht resistent ist gegen den Buchsbaumzünsler. Dieser hat besonders leichtes Spiel, wenn die Pflanze durch Dürre bereits geschwächt ist. Aber selbst dann kann man mit Urgesteinsmehl, Algenkalk oder Brennesselsud im Kampf gegen den Schädling unterstützen.

Die Friedhöfe können also auch in Zukunft das Gesicht wahren, das uns vertraut ist – gute Planung und liebevolle Pflege vorausgesetzt. In Grimma sind auf 3,75 Hektar täglich vier bis fünf Mitarbeiter in dieser Mission unterwegs. Und auf den 42 weiteren Friedhöfen des Kirchspiels Muldental, für die Silke Brück ebenfalls verantwortlich ist, noch viele mehr.

Immaterielles Kulturerbe - ein Titel verpflichtet

2020 wurden die Friedhöfe Deutschlands von der Unesco zum immateriellen Kulturerbe erklärt. Das verpflichtet, weiß Silke Brück. "Bei jeder Überlegung, wie wir Pflanzen ersetzen, Areale neu gestalten, spielt immer auch der Aspekt Denkmalschutz eine Rolle und das Bemühen, ihren besonderen Chrakter zu erhalten. Deshalb werden unsere Friedhöfe auch in Zeiten des Klimawandels ihr Gesicht bewahren." Deshalb wurden in Grimma zum Beispiel auch Birken wieder neu angepflanzt, obwohl sie als Flachwurzler vor allem das Oberflächenwasser abgreifen, dass dann den Pflanzen in der Nachbarschaft fehlt. "Aber die Birke sorgt mit ihrem hellen Stamm und den zarten Blättern für Helligkeit, für einen freundlichen Akzent." Denn auch das ist ja Teil unserer Erinnerungskultur: einerseits zu trauern, aber sich auch an schöne gemeinsame Momente zu erinnern.