Illustration - Covid-19 Coronavirus
Grafische Darstellung: Sars-Coronavirus-2 dockt mit seinem Spike-Protein an eine menschliche Zelle an. Bildrechte: imago images/Science Photo Library

Covid-19 Neue Corona Varianten: Wie gefährlich können Herbst- und Winterwelle werden?

08. Oktober 2022, 08:18 Uhr

BJ.1, BQ.1 und Co.: Aktuell werden neue Untervarianten von Omikron identifiziert, die neue Lücken in der menschlichen Immunität gefunden haben. Epidemiologen halten die Lage dennoch für entspannter als in den Vorjahren.

Seitdem Regen und kühlere Temperaturen viele Menschen nach drinnen locken, steigt in Deutschland die Zahl der Coronainfektionen wieder. Am Freitag lag die 7-Tage-Inzidenz bei 578,1 neuen Ansteckungen pro 100.000 Einwohner. Zugleich registriert das Robert Koch-Institut auch einen Anstieg anderer Atemwegsinfektionen.

Mit schätzungsweise 7,6 Millionen neuen Ansteckungen in der letzten Septemberwoche liege die Zahl der Erkältungen und grippalen Infekte aktuell deutlich über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie, heißt es im aktuellen Covid-19-Wochenbericht von Deutschlands nationaler Seuchenschutzbehörde. Neben Sars-CoV-2 dominieren Rhinoviren, die gewöhnlichen Schnupfenerreger, und Parainfluenzaviren das Geschehen.

Indoor-Veranstaltungen wieder gut besucht wie vor der Pandemie

Dennoch sehen Expertinnen und Experten aktuell keinen Grund für allzu große Beunruhigung. Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine akute Überlastung von Intensivstationen durch eine neue Coronawelle wesentlich geringer als in den vergangenen Jahren, sagt etwa Justin Lessler, Infektions-Epidemiologe an der University of Northern Carolina in Chapel Hill in den USA dem Magazin "nature".

Zwar schreite in den Vereinigten Staaten das Rollout der angepassten Booster-Impfstoffe langsamer voran als geplant. Auch sei die Zahl der Indoor-Veranstaltungen wieder etwa auf dem Niveau der Jahre vor der Pandemie, wodurch es wieder zu häufigeren Ansteckungen kommen könne. Aber inzwischen hätten viele Menschen eine stabile Immunität aufgebaut, die vor schweren Verläufen schützen könne. Neben den Impfungen hätten dazu auch die vielen Infektionen mit Omikron und seinen Subvarianten beigetragen.

Immunität durch Impfungen und Infektionen machen schwere Verläufe unwahrscheinlicher

Auch die Göttinger Forscherin Viola Priesemann und ihre Kolleginnen und Kollegen sehen die aktuelle Lage im Vergleich mit den beiden vergangenen Coronawintern "relativ optimistisch", wie sie im sozialen Netzwerk Twitter schreibt. Mehrere Arbeitsgruppen hatten mit jeweils unterschiedlichen Annahmen drei Szenarien simuliert, wie sich das Ansteckungsgeschehen im kommenden Winter entwickeln könnte. Die Ergebnisse darauf wurden jetzt vom Modellierungsnetz veröffentlicht, einem Zusammenschluss, der von der Universitätsmedizin Halle koordiniert wird.

Auch in Deutschland seien große Teile der Bevölkerung durch Impfungen und/oder Infektionen immunisiert worden. "Deshalb gehen wir von einem relativ guten Schutz gegen einen schweren Verlauf einer Corona-Infektion mit den aktuell in Deutschland verbreiteten Varianten aus", sagt Alexander Kuhlmann, Juniorprofessor an der Universitätsmedizin Halle.

Nur eine Corona Variante mit den Eigenschaften von Delta könnte wirklich gefährlich werden

Im ersten Szenario, in dem weiterhin nur die bereits bekannten Coronavarianten dominieren, zeige die Simulation, dass eine Infektionswelle auftrete, die zwar zu Personalengpässen in kritischen Infrastrukturen führen könne, nicht aber zu einer Überlastung der Kliniken. Eine neue Variante, die die aufgebaute Bevölkerungsimmunität teilweise umgehe, werde dagegen wahrscheinlich zu einer Belastung des Gesundheitssystems führen, die im Bereich dessen liege, was zum Höhepunkt der ersten Omikronwelle im vergangenen Winter beobachtet worden sei.

Wirklich gefährlich wird es nach Ansicht der Forscher nur, wenn eine völlig neue Virusvariante auftrete, die wieder die Gefährlichkeit der Deltavariante erreiche hinsichtlich schwerer Verläufe und Todesraten. Eine solche Variante ist derzeit allerdings nicht auf dem Schirm von Virologen.

B.Q.1, BA.2.75.2 – die meisten neuen Varianten haben ähnliche Mutationen am Spike

Entdeckt werden dagegen immer neue Subtypen der Omikronvariante, die Verbesserungen beim sogenannten Immune-Escape zeigen. Das bedeutet, dass die Viren den durch Impfungen oder Infektionen aufgebauten Antikörpern ausweichen können und dadurch wieder für leichte bis mittelschwere Atemwegserkrankungen sorgen können. Laut verschiedenen Studien erzielen deshalb etwa die Varianten BA.2.75.2 oder B.J.1 oder B.Q.1 Wachstumsvorteile gegenüber der aktuell dominanten BA.5 Variante.

Eine chinesische Forschergruppe um Yunlong Cao vom "Biomedical Pioneering Innovation Center" in Peking hat die Mutationen dieser neuen Varianten analysiert und miteinander verglichen. Dabei stellten sie fest, dass sich gerade die für die Immunabwehr relevanten Teile der Viren bei allen Varianten in eine ähnliche bis gleiche Richtung entwickeln. Gerade an der Rezeptorbindungsdomäne, also dem Anker, mit dem das Virus an den Wirtzellen andockt, konzentrierten sich die Mutationen auf einige wenige Stellen. Diese Mutationen können Potenzial der Viren für Immune-Escape erhöhen. Doch ob sie damit auch den gegen schwere Erkrankungen schützenden T-Zellen des Immunsystems entkommen können, ist nach bisherigem Forschungsstand eher unwahrscheinlich.

Offener Faktor Influenza: Gibt es eine Comeback der Grippe?

Eine gewisse Gefahr sehen Epidemiologen allerdings, wenn es parallel zu einer Corona- auch noch zu einer ausgeprägten Influenza-Welle kommt. Die Erreger der Grippe haben in den vergangenen beiden Wintern praktisch keine Rolle gespielt. Im Frühjahr allerdings verursachten Viren vom Typ H3N2 in Brasilien Ausbrüche in den Metropolen São Paulo und Rio de Janeiro. In diesem Fall könnte es zu einer Art "Twindemie" kommen, bei der Influenza und Corona gemeinsam für Druck im Gesundheitssystem sorgen. Die Expertinnen und Experten hoffen daher, dass sich möglichst viele Angehörige von Risikogruppen für Auffrischungsimpfungen gegen Grippe und Corona entscheiden.

Links/Studien

14 Kommentare

MDR-Team am 10.10.2022

Lieber BernhardC,
wie gesagt, kommen wir mit unserer Berichterstattung unserem gesetzlichen Informationsauftrag nach. Ebenso, wie wir über neue wissenschaftliche Erkenntnisse und dem Stand der Forschung zu SARS-CoV-2 berichten, informieren wir über Erkenntnisse aus anderen medizinischen Bereichen und ordnen diese ein. Mit einem genaueren Blick auf unsere verschiedenen Angebote werden Sie feststellen, dass die Berichterstattung über Corona nur einen kleinen Teil unserer Arbeit ausmacht. https://www.mdr.de/wissen/index.html

Nach dieser kurzen Exkursion möchten wir Sie nun aber bitten, zum Thema des Artikels zurückzukehren.
Freundliche Grüße aus der MDR Wissen-Redaktion

MDR-Team am 10.10.2022

2/2
Bei Erwachsenen, die wegen einer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten, wurden bei 37,6 % gesundheitliche Langzeitfolgen berichtet. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Gesundheitliche_Langzeitfolgen.html#:~:text=Bei%20Erwachsenen%2C%20die%20wegen%20einer,je%20nach%20Virusvariante%20unterscheiden%20k%C3%B6nnte.

MDR-Team am 10.10.2022

1/2
Hallo BernhardC,
entgegen Ihren Ausführungen ist eine geringe Prävalenz von LongCovid nicht belegbar. In dem von Ihnen angeführten Dokument vom Einzelsachverständigen Tom Lausen sind lediglich die Anzahl der schwereren Fälle, die in deutschen Krankenhäusern als PostCOVID kodiert wurden und stationär aufgenommen wurden, aufgeführt. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass leichtere PostCOVID-Fälle nur bei den Krankenkassen abgefragt werden können, also klare Zahlen dazu fehlen. Laut RKI kann die Häufigkeit von LongCOVID bzw. PostCOVID noch nicht verlässlich geschätzt werden. Nach einer Meta-Studie variiert der Anteil von LongCOVID in Studien mit Erwachsenen ohne Hospitalisierung zwischen 7,5 % und 41 %.