MDR WISSEN-Spezial Generation Zukunftsangst
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08. Juni 2022, 10:45 Uhr
Klima, Karriere, Krankheit, Krieg — viele junge Menschen in Deutschland verspüren Angst, wenn sie an die Zukunft denken. Wie geht die junge Generation damit um? Vier der größten Ängste gehen wir in unserer konstruktiven Podcast-Reihe auf den Grund.
Worum geht's?
Viele Ängste sind in unserem Alltag omnipräsent. Aus biologischer Sicht sichern sie unser Überleben. Doch Ängste können Menschen lähmen, uns handlungsunfähig machen. Natürlich haben auch junge Menschen Ängste. Diesen wird in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal zu wenig Beachtung geschenkt. Die aktuelle Trendstudie Jugend in Deutschland – Winter 2021/22 zeigt, dass unter anderem die Themen Krieg, Armut, Krankheit, Klimakrise und Rechtsruck die Zukunftssorgen junger Menschen prägen. Um die Ängste der jungen Generation besser verstehen zu können, wurde das Podcast-Projekt Generation Zukunftsangst entwickelt. In fünf Folgen werden die Sorgen der jungen Generation beleuchtet. Doch damit nicht genug: Die Ängste sollen nicht nur benannt werden, sondern es werden Auswege und Lösungsstrategien angeboten.
Wovor haben junge Menschen Angst?
Der Jugendforscher Simon Schnetzer und der Sozialwissenschaftler Klaus Hurrelmann haben untersucht, was junge Menschen zwischen 14 und 29 Jahren beschäftigt. In ihrer Trendstudie Jugend in Deutschland befragten sie rund tausend Jugendliche zwischen 14 und 29 Jahren zu ihren Sorgen und Wünschen. Das Ergebnis macht deutlich: Junge Menschen haben Angst, wenn sie an die Zukunft denken. Doch dabei hat sich verändert, wovor sie sich fürchten. Noch im letzten Jahr war die Klimakrise die größte Sorge der Befragten (56 Prozent). Inzwischen wurde sie von der Angst vor Krieg abgelöst – für 68 Prozent der jungen Menschen in Deutschland ist der Krieg die größte Zukunftsangst. Dabei sorgen sie sich besonders um die wirtschaftlichen Folgen: hohe Energiepreise, Inflation, etc. Ganz neu sind diese wirtschaftlichen Bedenken nicht: Während man sich in diesem Jahr besonders um die Inflation Gedanken macht, gaben bereits im letzten Jahr 48 Prozent der 14- bis 29-Jährigen an, sich um die Zukunft des Rentensystems zu sorgen.
Auch die Spaltung der Gesellschaft beschäftigt die jungen Menschen in Deutschland. Etwa vierzig Prozent der Befragten sorgen sich darum. Wie akut diese Sorge ist, zeigt auch eine neue Studie der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen. Diese hat ergeben, dass 56 Prozent der 18- bis 34-Jährigen lieber in der Vergangenheit leben würden – auch weil damals der Zusammenhalt in der Gesellschaft besser gewesen sei. Die Befragten erklärten, es habe "mehr Sicherheit und Beständigkeit" gegeben, "weniger Krisen und Kriege" und man sei glücklicher gewesen.
Über das Projekt
Im Zuge des Seminars Innovationsprojekt der Universität Leipzig haben Journalismus-Studierende gemeinsam mit Studierenden aus den Studiengängen Digital Humanities und Data Science ein gemeinsames journalistisches Projekt erarbeitet, begleitet von MDR WISSEN. Über mehrere Wochen hinweg waren die angehenden Journalistinnen und Journalisten für alles verantwortlich: von der Idee über die Produktentwicklung bis hin zum fertigen Produkt. Herausgekommen ist eine vierteilige Podcast-Reihe, die sich den Ängsten junger Menschen widmet. Zudem wurden Studien und Datenbanken gewälzt. Zu jeder Folge gibt es Hintergrundinformationen, Statistiken und Grafiken. Jede der vier Folgen hat einen "konstruktiven Dreh", sodass junge Hörerinnen und Hörer Mut schöpfen können und merken, dass sie mit ihren Ängsten nicht alleine sind.
Wenn Sie auf die Überschriften klicken, finden Sie Hinweise zu den einzelnen Themen sowie Links zu den Artikeln:
Angst vor Armut
Geld allein macht bekanntlich nicht glücklich. Aber kein Geld zu haben, macht es ebenso wenig. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland gibt an, Angst vor finanziellen Nöten zu haben. Jede/r sechste Bundesbürger/-in ist bereits von Armut betroffen. Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Wie man sich als armer Mensch fühlt, erzählt Olivier David, Autor und Journalist. Er geht dem Zusammenhang zwischen Armut und psychischer Gesundheit auf den Grund und gibt sehr persönliche Erfahrungen preis. Die Psychologin Kamila Skolik verrät Tipps und Tricks, um mit eigenen Ängsten besser umgehen zu können. Und Anna*, alleinerziehend und armutsgefährdet, berichtet davon, wie sie es schafft, ihr Leben auch mit wenig Geld zu meistern.
* Anna heißt eigentlich anders.
Angst vor Rechtsruck
Rückt unsere Gesellschaft weiter nach rechts? Verschiebt sich die Grenze des Sagbaren? Das ist schwer zu messen oder objektiv zu beurteilen. Was sich untersuchen lässt, sind konkrete Fallzahlen von rechter Gewalt. Die steigenden Zahlen erzeugen Angst, insbesondere bei Menschen, die nicht ins rechte Weltbild passen. Auch bei Anass Halime. Er kommt aus Marokko und studiert in Görlitz in Sachsen. "Ich habe Angst, einfach so in der Nacht alleine auf die Straße zu gehen", sagt er. Anass musste schon oft rassistische Beleidigungen und sogar körperliche Gewalt erdulden. Wie menschenverachtend ist unsere Gesellschaft? Der Extremismusforscher Jakob Guhl erklärt die Ergebnisse von Studien zu rechtsextremen Einstellungen und Gewalt in Deutschland. Doch was kann man als Einzelne/r dagegen tun, wenn es zu fremdenfeindlichen Übergriffen kommt? Die Zivilcourage-Trainerin Julia Miller gibt darauf eine Antwort.
Angst vor Krankheit/Long Covid
Seit nunmehr zwei Jahren sind die Themen Krankheit und Gesundheit so präsent wie nie. Studien zufolge fürchten sich mehr als die Hälfte der jungen Generation vor einer schweren Krankheit – und das bereits vor der Corona-Pandemie. Doch mit dem neuartigen Virus trat auch ein neues Krankheitsbild auf: Long Covid. So werden die Spätfolgen nach einer Corona-Infektion genannt. Im Gegensatz zu anderen Krankheiten fehlen beim Umgang mit Long Covid die Erfahrungswerte und Studien. Selbst Ärzte wissen oft nicht viel über Symptome und Therapiemöglichkeiten. Was heißt das für die Betroffenen, wie gehen sie mit ihrer Angst um? Mia organisiert die Online-Selbsthilfegruppe Long Covid Deutschland. Dort können Menschen ihre Sorgen miteinander teilen und in einen konstruktiven Austausch treten. Die Kommunikationswissenschaftlerin Linn Julia Temmam erklärt, wie wichtig die gegenseitige Unterstützung der Betroffenen ist: "Auf lange Sicht kann soziale Unterstützung sogar Symptome mildern und den Behandlungsverlauf verbessern". Doch welche Risiken bergen Online-Selbsthilfegruppen für die Nutzenden?
Angst vor Klimawandel
Der Klimawandel schreitet voran. Viele junge Menschen haben deshalb Angst. Sie haben Angst um die eigene Lebensgrundlage, die gesamte menschliche Zivilisation und um zukünftige Generationen. Für unsere erste Podcastfolge haben wir mit Mojib Latif darüber gesprochen, wie das Klima in Zukunft aussehen könnte und welche Verantwortung die Politik dabei trägt. Es sei möglich, den Klimawandel abzuschwächen, „aber es muss den politischen Willen dafür geben“, so der Forscher. Klimaangst spiele dabei eine wichtige Rolle, denn sie bringe uns dazu, etwas verändern zu wollen, erklärt uns Diplompsychologe und Mitglied von Psychologists for Future Felix Peter. Doch wie wird aus Angst Engagement? Felix Peter und junge Menschen, die selbst von Klimaangst betroffen sind, geben uns Tipps mit auf den Weg, die dabei helfen, konkrete Klimaängste zu bewältigen. "Gemeinsam wirksam zu sein, hilft uns, diese unangenehmen Gefühle in positive Gefühle zu transformieren", sagt der Psychologe. So werde aus Angst Zuversicht.
Das sind wir
An dem Projekt Generation Zukunftsangst mitgearbeitet haben folgende Studierende: Vincent Ebneth, Alexandra Hilpert, Hannah Hoffner, Alexandra Ketterer, Ann-Kathrin Lautenschläger, Ann-Kathrin Leclère, Katharina Lorch, Alexander Nette, Maximilian Omlor, Laurie Stührenberg, Robert Putzbach, Immanuel von Detten, Elisabeth Winkler, Michael Zichert und Marie Zinkann sowie die Dozierenden: Dr. Uwe Krüger, Maria Hendrischke und aus dem MDR WISSEN-Team: Gerald Perschke und Maik Schuntermann. Grafiken in den interaktiven Visualisierungen gestaltet von Theresa Schwind.