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Die Ägyptische Tigermücke kann Krankheiten wie Gelbfieber übertragen. Bildrechte: Wikimedia Commmons/James Gathany/CDC

GentechnikGenveränderte Mücken breiten sich in Brasilien aus

12. September 2019, 15:42 Uhr

Eigentlich sollten genveränderte Mücken in Brasilien die Ausbreitung von Krankheiten verhindern – und zwar, indem sie die Zahl der Nachkommen selbstständig eindämmen. Jetzt hat sich herausgestellt, dass sich das veränderte Erbgut ausgebreitet hat. Forscher sehen das kritisch.

Korrektur

Dem hier veröffentlichten Artikel folgte eine intensive Diskussion. Einige der beteiligten Wissenschaftler distanzierten sich von der Studie, was in einer Veröffentlichung der redaktionellen Bedenken (Editorial Expression of Concern) im Mai 2020 ebenfalls in Scientific Report berichtet wurde. Die dort beschriebenen Probleme mit der Untersuchung beziehen sich vor allem auf den kurzen Zeitraum (die Proben der Mücken wurden nur wenige Wochen nach der Freisetzung entnommen). Frühere Arbeiten der Forscher hätten außerdem nachgewiesen, dass die genetischen Veränderungen im Lauf der Zeit verlorengehen, diese Informationen wurden in der Studie jedoch nicht erwähnt. Ebenso gäbe es keine Beweise dafür, dass die neuen hybriden Mücken robuster seien als die ursprüngliche Wildpopulation seien. Und die Schlussfolgerung der Studie zur "Bedeutung der Einrichtung eines genetischen Überwachungsprogramms während solcher Freisetzungen" könne missverstanden werden, da es im vorliegenden Fall ein Überwachungsprogramm der brasilianischen Aufsichtsbehörde, der National Technical Commission of Biosafety (CTNBio), gegeben habe.

Orignalartikel

Science-Ficton-Horror könnte kaum besseren Stoff liefern. Zusammengefasst: Menschen verändern das Erbgut einer Mücke, die Mücke vermehrt sich unkontrolliert und ist stärker als ihre natürlichen Artgenossen. Das passiert gerade in Brasilien.

Aber der Reihe nach: Gelbfieber, Dengue-Fieber, Chikungunya-Fieber oder der Zika-Virus stellen gerade in warmen, ärmeren Ländern eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung für die dort lebenden Menschen dar. Übertragen werden diese Krankheiten durch Mücken. Die Rechnung ist einfach: Wenn die Mücken nicht wären, würden die Krankenheiten nicht übertragen werden. Anstelle nur mit Medikamenten und Impfungen die Krankheit in Schach zu halten, gilt es, die Mücken als Ursache zu bekämpfen. Neben der wenig effektiven Bekämpfungen mit Insektiziden gilt Genmanipulation als Hoffnungsträger.

Clevere Idee – hat erstmal geklappt

Die Idee klingt clever: Das Erbgut der Mücken wird so verändert, dass die Nachkommen der Tiere nicht überlebensfähig sind. Ihre Ausbreitung wird damit verhindert. Bereits zwischen 2013 und 2015 hat das britische Unternehmen Oxitec im brasilianischen Jacobina versuchsweise Exemplare der Ägyptischen Tigermücke freigelassen. Das hat auch gut geklappt, die Zahl der Tiere konnte erheblich eingedämmt werden. Wie Wissenschaftler in Scientific Report jetzt berichten, finden sich unter den Überlebenden Exemplaren allerdings auch solche mit verändertem Erbgut.

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Das ist natürlich nicht der Sinn der Sache. Allerdings ist bekannt, dass – unter Laborbedingungen – etwa drei bis vier Prozent der Nachfahren von Mücken mit einem genmanipulierten Elternteil aufwachsen können. Wie sich jetzt herausgestellt habt, waren – je nach Stichprobe – zwischen 10 und 60 Prozent der Nachfolgepopulation mit verändertem Erbgut unterwegs.

Genmücken könnten resistenter sein

Der in München ansässige gentechnikkritische Verein Testbiotech warnt, durch das Einstreuen der genveränderten Mücken könne sich das Problem mit den Insekten sogar noch verschärfen. Geschäftsführer Christoph Then: "Die Versuche der Firma Oxitec haben zu einer weitgehend unkontrollierbaren Situation geführt. Die Firma hat ihre patentierten Mücken freigesetzt, obwohl bereits bekannt war, dass manche der Tiere durchaus in der Umwelt überleben können."

Und tatsächlich bestehe den Forschern zufolge die Gefahr, mehr Merkmale als die gewollten in die Mückenpopulation vor Ort einzubringen. Die genmanipulierten Exemplare stammen aus Mexiko und Kuba und haben sich mit der brasilanischen Variante vermischt. Das so geänderte Erbgut mache die Tiere robuster – in vereinter Kraft sozusagen.

Neue Mückengeneration getestet

Bereits im Juni hat Oxitec den erfolgreichen Abschluss von Tests mit einer neuen Mückengeneration verkündet. Bei dieser Art sollen nur die weiblichen Nachkommen nicht lebensfähig sein. Die Gen-Mücke 2.0, die sich selbst im Zaum hält, soll effektiver und kosteneffizienter sein.

Die Autoren der vorgelegten Studie betonen indes, wie wichtig es sei, das Erbgut bei solchen Versuchen zu überwachen. Denn – wir wollen den Teufel nicht an die Wand malen, aber – eine ausufernde Plage an resistenten, genveränderten Science-Fiction-Mücken wird niemand verantworten wollen.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 27. August 2019 | 13:42 Uhr