Problem für Wasserversorgung Weniger Eis als gedacht: Forscher schätzen Gletscher neu ein
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Forscher haben das Eisvolumen von 215.000 Gletschern weltweit neu berechnet: Offenbar sind die Eismassen um 18 Prozent kleiner, als bislang gedacht. Das bedroht die Wasserversorgung von Millionen Menschen.

In dicht besiedelten Gegenden Asiens, etwa in Indien, hängt das Leben von hunderten Millionen von Menschen direkt vom Schmelzwasser von Gebirgsgletschern ab. Die Eismassen im Himalaya etwa speisen Flüsse wie den Indus. Auch der Aralsee in Kasachstan wird von schmelzendem Gebirgseis gefüllt. Kleiner werdende Gletscher bedeuten daher, dass weniger Wasser fließt, wodurch Landwirte ihre Felder nicht mehr bewässern können und die Trinkwasserversorgung bedroht ist. Einer neuen Studie von Schweizer Forschern zufolge ist diese Gefahr sogar deutlich größer, als bislang angenommen.
Ein internationales Forschungsteam hat das Eisvolumen von 215.000 Gletschern weltweit neu geschätzt. Im Fachblatt "nature geoscience" rechnen die Wissenschaftler vor, dass die Eisberge etwa 18 Prozent kleiner sind, als bislang angenommen. Ihrer Schätzung nach gibt es 158.000 Kubikkilometer Gletschereis.
Eisdicken neu bestimmt
Das von der ETH Zürich und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) geleitete Team bestimmte mit einer Kombination verschiedener Modelle die Dicke der Eisdecken neu. Die Wissenschaftler nutzten dafür Satellitenbilder, digitale Höhenmodelle sowie Modelle zum Fließverhalten der Gletscher.
Bei ihren Berechnungen klammerten sie Meereis sowie die Eisschilde Grönlands und der Antarktis aus, bezogen aber die arktischen Gletscher ein. Dort, in den polaren Gebieten von Russland und Kanada, an den Rändern Grönlands und auf der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen, liegt laut den Forschern mit 75.000 Kubikkilometern nahezu die Hälfte des globalen Gletschervolumens.
Wasserversorgung von Millionen Menschen in Gefahr
Besonders dramatische Erkenntnisse bringt die Studie allerdings für die Gebirgsgletscher in Asien. Dort ist das neu geschätzte Eisvolumen offenbar rund ein Viertel kleiner. "Aufgrund dieser Neueinschätzung müssen wir davon ausgehen, dass die asiatischen Hochgebirge ihre Gletscher schneller verlieren können als bisher angenommen", sagte Daniel Farinotti, Professor für Glaziologie. Schon Mitte der 2060er könnten diese Gletscher auf die Hälfte ihrer heutigen Größe geschrumpft sein.
Für die Sommer um das Jahr 2090 herum bedeutet das, dass die Flüsse bis zu 24 Prozent weniger Gletscherwasser mit sich führen als heute. "Diese Differenz ist beunruhigend. Um den vollen Umfang genauer einschätzen zu können, sollten die regionalen Gletschervolumen besser vermessen werden", sagte Farinotti. Bislang gibt es nur wenig Messdaten zur Eisdicke, die als Grundlage für die Modellberechnung dienen.
Deutlicher Anstieg der Meeresspiegel möglich
Schmelzen die Gletscher vollständig ab, könnte der weltweite Meeresspiegel dadurch um bis zu 30 Zentimeter steigen, schreiben die Forscher. Zum Vergleich: Zwischen 1990 und 2010 stieg der Pegel durch schmelzende Gletscher nur um etwa 1,5 Zentimeter. An der Studie waren neben den Schweizern auch Wissenschaftler aus Nürnberg, Innsbruck und Mumbai beteiligt.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL Radio | 10. Februar 2019 | 17:50 Uhr