Psychologie Glücklich ohne eigene Entscheidungen
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Während sich Forschung lange Zeit ausschließlich auf unsere negativen Gefühle und psychischen Krankheiten konzentrierte, macht seit einigen Jahren eine neue Bewegung von sich reden: Die positive Psychologie, die sich dem widmet, was uns gut tut - der Suche nach dem Rezept fürs Glück. Der amerikanische Hirnforscher Moran Cerf hat nun eine weitere Zutat gefunden: Andere sollen für uns die Entscheidungen treffen.

Etwas entscheiden zu müssen, kostet Energie. Oft haben wir nicht nur die Wahl zwischen zwei Dingen oder zwei Wegen. Wir stehen auch unter Zeitdruck und werden vielleicht beeinflusst, was es uns noch schwerer macht, auf unsere innere Stimme zu hören. Seit vielen Jahrzehnten untersuchen Wissenschaftler, wie wir unter bestimmten Bedingungen Entscheidungen treffen und was dabei in unserem Hirn abläuft. Alle kommen zum gleichen Ergebnis: sich zu entscheiden, kostet Kraft.
Der Neurowissenschaftler Moran Cerf (Northwestern University, USA) schließt daraus, dass es entlastet und damit zu unserem Glück beiträgt, wenn andere Entscheidungen für uns treffen. Wenn es dann sogar Menschen sind, die wir mögen, fühlen wir uns noch besser.
Ich konnte feststellen, dass die Anwesenheit einer sympatischen Person dafür sorgt, dass sich die Hirnströme beinahe synchronisieren. Dafür sind unter anderem Gerüche und Geräusche verantwortlich, die wir von dem anderen wahrnehmen.
Andere entscheiden lassen - ein Glücksrezept?
Aus diesen Erkenntnissen hat er für sich ein Glücksrezept abgeleitet, das er selbst anwendet. Am besten sei man nur mit Leuten unterwegs, die man gut findet. Die würden dann schon die richtigen Entscheidungen für einen treffen. Cerf zum Beispiel lässt sich grundsätzlich von anderen ein Restaurant aussuchen und nimmt jedes Mal das zweite Tagesangebot auf der Karte, um sich die Entscheidung zu sparen. Ob das immer glücklich macht?
Energie sparen allein macht nicht glücklich
Cerfs Studienergebnisse lassen allerdings eines außer acht - das, was die Wissenschaftler "internale Kontrollüberzeugung" nennen: Die Zügel auch gern mal selbst in die Hand zu nehmen.
Sich selbst für fähig zu halten, die Folgen meines Verhaltens zu kontrollieren und darauf Einfluss zu nehmen, ist ebenso wichtig für unser Wohlbefinden, also für unser Glück. Eine Prüfung zu bestehen zum Beispiel oder erfolgreich eine Gehaltserhöhung zu erwirken, das tut doch gut.
Würden uns Entscheidungen ständig abgenommen und seien es auch nur kleine, dann kann es passieren, dass wir uns irgendwann hilflos, ausgeliefert und abhängig fühlen. Schlimmstenfalls verlernen wir, selbst Entscheidungen zu treffen. Annegret Wolf führt dazu ein klassisches Experiment an Mäusen an:
Egal, was die Tiere taten, der Versuchsleiter gab ihnen willkürlich Käse oder einen Elektroschock. Diese Unberechenbarkeit und dieses Ausgeliefertsein führten dazu, dass die Mäuse apathisch in der Ecke saßen und fast schon depressiv wurden, wenn man das bei Mäusen so sagen kann.
Nicht entscheiden zu dürfen, kann also auch unglücklich machen. Darüber hinaus kommt es darauf an, um welche Art von Entscheidungen es sich handelt. Cerfs Strategie mag funktionieren, wenn es um einen Restaurantbesuch, also um Freizeitgestaltung geht. Wie aber ist es mit Entscheidungen, die unseren Lebensweg bestimmen? Welcher Job? Welche Stadt? Welcher Partner?
Bei aller Ähnlichkeit zu Menschen, die wir mögen, führen wir doch jeder unser eigenes Leben mit ganz vielen individuellen Aspekten. Da sollten wir schon eher auf unsere innere Stimme hören.
Entscheidung ist (auch) Macht und Kontrolle
Wie wir effizient die richtige Entscheidung treffen, ist für die Politik und in Unternehmen ein großes Thema, dazu werden Studien in Auftrag gegeben, dazu werden Mitarbeiter geschult, dafür wird Geld investiert. Denn oft hängen davon die Wirtschaftlichkeit und der Erfolg am Markt ab. Welche Konsequenzen es hat, wenn Menschen die falschen Entscheidungen treffen, machen zum Beispiel Börsencrashs deutlich. Doch so weit muss man gar nicht gehen:
Menschen, die sich in Unternehmen und Organisationen stärker einbringen und mitgestalten können, sind in der Regel auch zufriedener und produktiver. Das kommt allen zugute: Die Mitarbeiter bleiben gesund und die Arbeitsprozesse laufen.
Glück ist Vielfalt
Die gute Nachricht für alle, die sich nicht entscheiden können, ob sie gern selbst entscheiden, oder lieber nicht: Unser Glück hängt nicht nur von einem Faktor ab. Es ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Dingen, die uns gut tun.
Dieses Thema im Programm: MDR um elf | 25. Oktober 2019 | 11:00 Uhr