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Citizen Science - Insekten findenGottesanbeterin: Jetzt ist Paarungszeit - auch in Mitteldeutschland

29. September 2020, 20:12 Uhr

Nach dem Sex haben manche Hunger. In der Insektenwelt, bei den Gottesanbeterinnen ist manchmal das Männchen der Snack der Wahl für das begattete Weibchen. Aber egal, ob man Männchen oder Weibchen sieht - man sollte diese Funde melden: Die Forschung versucht herauszufinden, wie weit die Art inzwischen in Deutschland verbreitet ist. In Sachsen und Sachsen-Anhalt wurde sie schon entdeckt.

2017 war sie das Insekt des Jahres: Mantis religiosa, die Gottesanbeterin. Diese Fangschrecke, die ihre Arme immer wie im Gebet zusammenfaltet, springt erst seit kurzem über sonnige Hänge in Deutschland, ursprünglich war sie weiter südlich zuhause. Seit Beginn der 1990er-Jahre wurden Exemplare dieser Jagdinsekten in Deutschland registriert, mit Vorkommen in Bayern, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg und Berlin. In Sachsen gibt es seit 2006 regelmäßige Nachweise.

Wo und wen die Schrecken jagen

Denn auch hier gibt es alles, was die eindrucksvollen Jäger brauchen: Sonnige, trockene Böschungen, Gras- oder Buschlandschaften, Halbtrockenrasen, lockere Vegetation und Futter. Denn Gotttesanbeterinnen sind keine Kostverächter und nicht wählerisch, wenn der Magen knurrt. Nicht umsonst sind diese Insekten bekannt für ihren Kannibalismus. Da fressen nicht nur die Weibchen nach der Paarung manchmal ihren Partner auf, manchmal verspeist auch ein Männchen einen Artgenossen. Und der Nachwuchs? Der schnappt sich nach dem Schlupf im Mai einfach alles, was sich bewegt und der nächstbeste Snack kann auch gern der oder die frisch geschlüpfte Kollegin aus der Eikammer nebenan sein. Reguläre Nahrung sind aber kleine Insekten wie Bienen oder Fliegen, auch Spinnen stehen auf dem Speiseplan.

Hier begattet eine braune Schrecke eine grüne. Die Gottesanbeterinnen gibt es nämlich in beiden Schattierungen. Bildrechte: imago images / blickwinkel

Paarungszeit: Wer Gelege finden will, muss schon sehr genau hinschauen

Wie viele der großen grünen Fangschrecken nächstes Jahr zum Beispiel am Werbeliner See, nördlich von Leipzig, angetroffen werden, entscheidet sich jetzt: Bis Ende Oktober ist Paarungszeit. Die Weibchen legen ihre Eier ein paar Tage nach der Kopulation in einem kokonartigen, schaumigen Gebilde ab, das schnell aushärtet, in sogenannten Ootheken. Die enthalten mehr als 200 Eikammern.

Dieses Eigelege klebt die Schrecke in der Nähe von blühenden Pflanzen an, die Insekten anlocken. Ein cleverer Schachzug, denn so ist dafür gesorgt, dass der Nachwuchs im Folgejahr gleich was zu fressen hat, wenn die geschlüpften Kollegen verzehrt oder schneller weg sind, als man sie fressen kann. Anfang Mai schlüpfen die Jungtiere. Bis zur ausgewachsenen, der adulten Schrecke, häuten sich die Nympen bis zu acht Mal. Die Weibchen lassen sich leicht von den Männchen unterscheiden, sagt Ralf Mäkert vom Naturschutzinstitut Nordsachsen.

Sie ist generell größer als die Männchen und hat dünnere und etwas kürzere Fühler. Die hat [...] einen dicken Hinterleib, weil da die ganzen Eier drin sind.

Ralf Mäkert

In Raum Leipzig wird das regionale Vorkommen erforscht

Bildrechte: Colourbox.de

Im Raum Leipzig wurde das erste Exemplar der Gattung 2014 gefunden. Inzwischen erforschen Naturschützer und Biologen die Verbreitung dieser Art in Deutschland und rekonstruieren ihre Verbreitungswege. Biologin Elisabeth Albrecht geht zum Beispiel am Werbeliner See zwischen Radefeld und Delitzsch regelmäßig auf die Pirsch nach Gottesanbeterinnen.

Wir schauen hier, wie viele Tiere wir in einer Stunde finden, dokumentieren den genauen Fundort und auf welchen Pflanzen sie sitzen und welche Farbe sie haben und ob sie Ootheken gelegt haben bzw. ob wir welche finden.

Elisabeth Albrecht, Biologin

Tatsächlich gab es diesen Sommer recht viele Meldungen aus dem Umkreis Leipzig, weiß Ralf Mäkert und manche verblüfft dann selbst Naturforscher:

Besonders interessant war eine Meldung aus Leipzig-Gohlis. Das Tier saß am Straßenrand, wurde fotografiert, fühlte sich wahrscheinlich gestört und ist dann auf die Straßenbahn geflogen und mit der Straßenbahn weggefahren.

Elisabeth Albrecht, Biologin

In Deutschland vermehren sich die Fangschrecken nur in sehr trockenen und warmen Lebensräumen - wie Bahntrassen oder Industriebrachen - und erobern sich aber offenbar auch neue und manchmal überraschende Gebiete. Weil Biologinnen und Biologen aber allein nur einen Bruchteil der Tiere finden würden, ist die Erforschung ihre Ausbreitung ein klarer Fall für ein Citizen Science-Projekt. Also Forschung, die davon lebt, dass wir Laien in der Natur die Augen aufhalten und unsere Funde an solche Projekte weitergeben.

Gottesanbeterin mit einer Oothek. Der Grundstein für für die nächste Generation sit gelegt. Bildrechte: imago images / blickwinkel

Ein gebündeltes Projekt, das bundesweit Funde registriert, gibt es nicht, aber in vielen Bundesländern gibt es Anlaufstellen. Wer also in Sachsen zum Beispiel eine Gottesanbeterin entdeckt, kann das hier online melden, mit Foto, Datum und Fundort. Andere Bundesländer haben vereinzelt ähnliche Melde-Seiten.

(dvs/lfw)

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