Innovation Green Deal: Wie Parkett Strom liefern kann
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22. März 2021, 11:45 Uhr
Holz ist viel mehr als ein Baumaterial. Wird es elastisch verformt, kann es sogar Spannung erzeugen. Forschende aus Zürich haben jetzt magnetisierbares Holz entwickelt, das Strom produzieren kann.
Fast wie Stroh zu Gold: Wie aus Holz Strom gewonnen werden kann, haben jetzt Forschende der ETH Zürich herausgefunden. Dabei nutzten sie den piezoelektrischen Effekt. Piezoelektrizität bedeutet, dass durch die elastische Verformung von Festkörpern eine elektrische Spannung erzeugt wird. Dafür wandelten sie das Holz in einen verformbaren Holzschwamm um und entwickelten ein einfaches, umweltfreundliches Verfahren zur Stromerzeugung. Die Ergebnisse der Forschenden der ETH Zürich in Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe von Francis Schwarze und Javier Riberain an der schweizerischen Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) sind in der Zeitschrift "Science Advances" veröffentlicht worden.
Holz als Schlüssel zur Innovation
Holz als Schlüssel zur Innovation – diesen Ansatz verfolgen die Forschenden der ETH Zürich. Dabei wollen sie die Eigenschaften des Holzes so verändern, dass es für neue Anwendungsbereiche geeignet ist. Damit das Holz im Sinne der Piezoelektrizität genutzt werden kann, mussten ihm zunächst einmal die entsprechenden Eigenschaften verliehen werden. "Ohne spezielle Behandlung ist Holz nicht flexibel genug", erklären die Forschenden. "Bei mechanischer Beanspruchung wird nur eine sehr geringe elektrische Spannung beim Verformungsprozess erzeugt", erklärte Wissenschaftler Jianguo Sun.
Vom Block zum Schwamm
Um das Holz verformbar zu machen, nutzen die Forschenden einen chemischen Prozess, der Grundlage für verschiedene Holzveredelungen ist. Bei der "Delignifizierung" wird das stabilisierende und lichtabsorbierende Lignin aus dem Holz entfernt. Lignin ist neben Hemicellulosen und Cellulose einer der drei Grundstoffe der Holz-Zellwände. "Lignin braucht ein Baum vor allem, um in große Höhen zu wachsen. Ohne Lignin als stabilisierende Substanz, die die Zellen verbindet und verhindert, dass die starren Zellulosefibrillen knicken, wäre das nicht möglich", erklärt Burgert. Um das Holz also in einen verformbaren, Strom liefernden Werkstoff zu verwandeln, müsse ihm das Lignin teilweise "entzogen" werden.
Weißer Holzschwamm mit Gerüst aus Zelluloseschichten
Das geschieht, indem man das Holz in ein Gemisch aus Wasserstoffperoxid und Essigsäure legt. In diesem Säurebad löst sich das Lignin auf und hinterlässt ein Gerüst aus Zelluloseschichten. "Wir machen uns den hierarchischen Aufbau des Holzes zunutze, ohne es erst aufzulösen, wie es zum Beispiel bei der Papierherstellung der Fall ist", sagt Burgert. Der so entstandene weiße Holzschwamm besteht aus übereinanderliegenden dünnen Zelluloseschichten, die sich leicht zusammendrücken lassen und sich dann wieder in ihre ursprüngliche Form ausdehnen – Holz ist elastisch geworden.
Elektrizität aus Holzböden
Nachdem der erforderliche Werkstoff hergestellt wurde, setzten die Forschenden im Sinne der Piezoelektrizität den Holz-Schwamm unter Spannung. Burgerts Team unterzog den Testwürfel mit einer Seitenlänge von etwa 1,5 Zentimeter etwa 600 Lastwechseln. Dabei zeigte das Material eine erstaunliche Stabilität. Bei jeder Kompression maßen die Forscher eine Spannung von etwa 0,63 Volt – genug für eine Anwendung als Sensor. In weiteren Experimenten versuchte das Team, ihre hölzernen Nanogeneratoren zu skalieren. So konnten sie zum Beispiel zeigen, dass 30 solcher Holzklötze, wenn sie parallel mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet werden, ein einfaches LCD-Display zum Leuchten bringen können. Es wäre also denkbar, einen Holzboden zu entwickeln, der in der Lage ist, die Energie von Menschen, die darauf gehen, in Strom umzuwandeln. Die Forscher testeten auch die Eignung als Drucksensor auf der menschlichen Haut und zeigten, dass er in biomedizinischen Anwendungen eingesetzt werden könnte.
Säure wird durch Schwamm ersetzt
Die in der jüngsten Publikation des Empa-ETH-Teams beschriebene Arbeit geht aber noch einen Schritt weiter: Ziel war es, den Prozess so zu modifizieren, dass er nicht mehr den Einsatz von aggressiven Chemikalien erfordert. Die Forscher fanden einen geeigneten Kandidaten, der die Delignifizierung in Form eines biologischen Prozesses in der Natur durchführen könnte: den Pilz Ganoderma applanatum, den Verursacher der Weißfäule im Holz. "Der Pilz baut Lignin und Hemicellulose im Holz besonders schonend ab", erklärt Empa-Forscher Javier Ribera den umweltfreundlichen Prozess. Zudem lässt sich der Prozess im Labor gut kontrollieren.
Anwendung in Vorbereitung
Bis das "Piezo"-Holz als Sensor oder als stromproduzierender Holzboden eingesetzt werden kann, sind noch einige Schritte zu gehen. Doch die Vorteile eines solch einfachen und zugleich nachwachsenden und biologisch abbaubaren piezoelektrischen Systems liegen auf der Hand – und werden nun von Burgert und seinen Kollegen in einem Folgeprojekt untersucht. Um die Technologie für industrielle Anwendungen zu adaptieren, sind die Forscher bereits in Gesprächen mit potenziellen Kooperationspartnern.
Link zur Studie
Die Untersuchung Enhanced mechanical energy conversion with selectively decayed wood, Jianguo Sun et.al. ist in "Science Advances" erschienen.