Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Der Komet C/2014 UN271 ("Bernardinelli-Bernstein"), wie ihn das Hubble-Weltraumteleskop fotografiert hat. Hinter dem Schweif und der Staubwolke versteckt sich ein massiver Kern von etwa 130 Kilometern Durchmesser. Bildrechte: NASA, ESA, Man-To Hui (Macau University of Science and Technology), David Jewitt (UCLA)

AstronomieGrößter je beobachteter Komet nähert sich der Sonne

13. April 2022, 20:00 Uhr

Ein riesiger Komet mit einem Durchmesser von etwa 130 Kilometern kommt mit 35.000 Kilometern pro Stunde vom Rand des Sonnensystems immer näher. Er ist so groß, dass sein Einschlagkrater ungefähr die gleiche Fläche hätte wie Schleswig-Holstein. Im Jahr 2031 wird er uns am nächsten sein.

Die beruhigende Nachricht zuerst: Nein, er wird uns nicht treffen. Der Komet wird nie näher als 1,6 Milliarden Kilometer an die Sonne herankommen, er bleibt von der Sonne also weiter entfernt als Jupiter und Saturn, keine Gefahr für die Erde.

Und dennoch ist dieser Komet mit dem Namen C/2014 UN271 etwas Besonderes. Denn es ist der größte Komet, der je beobachtet wurde. Und er dürfte ein Abgesandter der Oortschen Wolke sein, jener ringförmigen Struktur weit außen am Rand unseres Sonnensystems, die als "Nistplatz" von Billionen Kometen gilt.

Oortsche Wolke

Die 1950 von dem niederländischen Astronomen Jan Oort aufgestellte Hypothese der Oortschen Wolke ist nach wie vor eine Theorie, da die Kometen, aus denen sie besteht, zu klein und zu weit entfernt sind, um direkt beobachtet werden zu können. Umso stolzer sind die Astronomen auf ihre neue Entdeckung. Im Hinblick auf die Billionen bislang unsichtbaren Kometen der Oortschen Wolke sagt David Jewitt, Professor für Planetenforschung und Astronomie an der Universität von Kalifornien in Los Angeles und Mitautor der neuen Studie, die in der Zeitschrift "Astrophysical Journal Letters" veröffentlicht wurde: "Dieser Komet ist buchstäblich die Spitze des Eisbergs. Wir haben immer vermutet, dass er groß sein muss, weil er trotz der großen Entfernung so hell ist. Jetzt haben wir die Bestätigung."

Kometen gehören zu den ältesten Objekten im Sonnensystem und wurden in einer Art Gravitationsflipperspiel zwischen den massiven äußeren Planeten aus dem Sonnensystem geschleudert, erklärt Jewitt. Die "vertriebenen" Kometen siedelten sich dann in der Oortschen Wolke an, die das Sonnensystem viele Milliarden Kilometer tief im Weltraum umkreist. Aus der Oortschen Wolke kehren Kometen nur dann zur Sonne und zu den Planeten zurück, wenn sie zufällig durch die Gravitationskraft eines vorbeiziehenden Sterns "angeschubst" werden, so Jewitt.

Die Oortsche Wolke (rechts, außen) liegt noch weit außerhalb des Kuiper-Gürtels, der ebenfalls ein "Sammelplatz" für Kometen ist. Bildrechte: ESA

Der spektakuläre, mehrere Millionen Kilometer lange Schweif eines typischen Kometen, der ihn wie eine Rakete aussehen lässt, täuscht über die Tatsache hinweg, dass im Zentrum des Feuerwerks ein fester Kern aus mit Staub vermischtem Eis sitzt - im Grunde nicht mehr als ein schmutziger Schneeball.

130 Kilometer Durchmesser

Der Komet mit der Bezeichnung C/2014 UN271, der ursprünglich von den Astronomen Pedro Bernardinelli und Gary Bernstein entdeckt wurde und deshalb auch ihre Namen trägt, ist nun der riesigste derartige schmutzige Schneeball, der je gesehen wurde, denn er dürfte einen Durchmesser von mehr als 130 Kilometern (80 Meilen) haben.

Größenvergleich bisher bekannter Kometenkerne. C/2014 UN271 oder "Bernardinelli-Bernstein" (ganz rechts) hat den mit Abstand größten Kern. Bildrechte: IMAGO/Cover-Images

Jewitt und seine Kollegen bestimmten die Größe des Kerns mit Hilfe des Hubble-Weltraumteleskops. Der Kern ist demnach etwa 50-mal größer als die der meisten bekannten Kometen. Und die Masse von "Bernardinelli-Bernstein" wird auf 500 Billionen Tonnen geschätzt, hunderttausendmal größer als die typischer Kometen, die sich viel näher an der Sonne befinden. "Der Komet ist erstaunlich, wenn man bedenkt, wie aktiv er ist, obwohl er noch so weit von der Sonne entfernt ist", sagte der Hauptautor der Studie Man-To Hui, von der Macau University of Science and Technology.

Die Koma, nicht das Koma

Die Forscher nutzten Hubble, um am 8. Januar 2022 fünf Fotos des Kometen zu machen, und bezogen Radiowellen-Untersuchungen in ihre Analyse ein. Die Herausforderung bei der Vermessung bestand darin, den festen Kern von der riesigen sogenannten Koma – der Wolke aus Staub und Gas – zu unterscheiden, die ihn umgibt. Der Komet ist derzeit zu weit entfernt, als dass sein Kern von Hubble visuell aufgelöst werden könnte. Stattdessen zeigen die Hubble-Daten eine helle Lichtspitze am Ort des Kerns.

Als nächstes erstellten Hui und seine Kollegen ein Computermodell der umgebenden Koma und passten es an die Hubble-Bilder an. Dann subtrahierten sie das Leuchten der Koma vom Originalbild, wodurch auf dem Bild nur der Kern zurückblieb.

Die drei prinzipiellen Arbeitsschritte: Links das ursprüngliche Bild des Kometen, in der Mitte die berechnete Koma, rechts die Subtraktion daraus: der Kern des Kometen Bildrechte: NASA, ESA, Man-To Hui (Macau University of Science and Technology), David Jewitt (UCLA)

Er ist groß, und er ist schwärzer als Kohle.

David Jewitt, Astronomie-Professor

Die Ergebnisse der neuen Messungen liegen nahe an früheren Größenschätzungen, deuten aber auf eine dunklere Oberfläche des Kerns hin als bisher angenommen. "Er ist groß, und er ist schwärzer als Kohle", sagt David Jewitt.

Der Komet C/2014 UN271 oder "Bernardinelli-Bernstein", sich wohl seit mehr als einer Million Jahre auf die Sonne zu bewegt, wurde erstmals beobachtet, als er noch mehr als vier Milliarden Kilometer entfernt war. Seitdem wurde er mit boden- und weltraumgestützten Teleskopen intensiv untersucht. Derzeit ist er noch etwa drei Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt und wird in ein paar Millionen Jahren laut David Jewitt "zu seinem Nistplatz in der Oortschen Wolke zurückkehren".

(rr)

Wenn Sie sich für astronomische Ereignisse interessieren, dann bleiben Sie mit dem MDR WISSEN Weltraumkalender auf dem neuesten Stand.

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen